Sie haben das erste Staatsexamen erfolgreich absolviert und stehen jetzt kurz vor dem Start Ihres Referendariats. Eine spannende und fordernde Zeit wartet auf Sie, die nicht nur Ihr juristisches Wissen vertieft, sondern Sie auch auf das zweite Staatsexamen vorbereitet. Damit Sie auf die kommenden zwei Jahre bestmöglich vorbereitet sind, möchten wir Ihnen an dieser Stelle zehn Tipps mit auf den Weg geben. Diese Orientierungshilfe soll Sie dabei unterstützen, sich im Referendariat besser zurechtzufinden und unnötige Stolpersteine zu vermeiden.
Wenn Sie noch detailliertere Informationen suchen, können Sie einen Blick in den „Survival Guide Rechtsreferendariat“ werfen, der im Oktober im UTB-Verlag erschienen ist. Der Guide enthält viele wertvolle Tipps für den Einstieg ins Ref.
1. Der frühe Vogel fängt den Wurm
„Der frühe Vogel fängt den Wurm“ mag wie ein Klischee klingen. Dabei handelt es sich aber leider um eine Wahrheit, die Sie im Referendariat schmerzlich erfahren werden, wenn Sie den Lernstoff auf die lange Bank schieben. Wer in der ersten Station mit dem Wiederholen des materiellen Rechts aus dem Studium beginnt und kontinuierlich dranbleibt, hat am Ende des Referendariats einen klaren Vorteil. Wer auf den letzten Drücker alles lernen möchte, wird schnell von der Menge des Stoffes überfordert sein. Die ersten Stationen bieten die perfekte Gelegenheit, den Stoff in Ruhe zu wiederholen, bevor es im Laufe der Zeit immer praktischer und spezifischer wird.
Besonders wichtig: In den praktischen Stationen ist es oft unerlässlich, das bereits erlernte Wissen griffbereit zu haben. Wer beispielsweise nicht weiß, wie man ein zivilrechtliches Urteil formuliert, wird in den ersten Tagen der Zivilstation schnell ins Straucheln geraten. Lernen Sie von Anfang an und bleiben Sie konsequent dabei. So vermeiden Sie die stressige Situation, am Ende des Referendariats mit einem Berg neuen Stoffes konfrontiert zu werden.
2. Behalten Sie Fristen und Formalia im Blick
Im Referendariat müssen Sie sich an strikte Zeitpläne und administrative Vorgaben halten – genauso wie im späteren Berufsalltag. Versäumen Sie Fristen oder vergessen Sie Formalitäten, kann das schnell unangenehme Folgen haben. Die Anmeldung zur schriftlichen Prüfung, Urlaubsanträge oder die Genehmigung von Nebentätigkeiten müssen fristgerecht eingereicht werden.
Ein wichtiges Beispiel: Wer seine Wunschstationen im Ausland oder bei besonderen Institutionen wie dem Bundesverfassungsgericht antreten möchte, sollte sich rechtzeitig bewerben. Für solche Stationen sind teilweise Bewerbungsfristen von über einem Jahr üblich. Notieren Sie sich die wichtigsten Fristen am besten in einem Kalender.
Im „Survival Guide Rechtsreferendariat“ gibt es deswegen auch einen Überblick über Stationslänge und Stationsreihenfolge, Urlaubstage, Unterhaltsbeihilfe, Krankmeldung und sonstige Formalia.
3. Bücher leihen, statt kaufen
Im Referendariat fallen viele Kosten an – da ist es klug, sich nicht jedes Fachbuch oder Skript gleich neu zu kaufen. Die Unterhaltsbeihilfe reicht oft nicht aus, um eine eigene Bibliothek für das Referendariat aufzubauen. Ein echter Spartipp: Leihen Sie sich Bücher aus, tauschen Sie diese mit anderen Referendarinnen und Referendaren oder suchen Sie nach gebrauchten Exemplaren im Internet. Viele Gerichtsbibliotheken stellen eine gute Auswahl an Fachliteratur zur Verfügung. Gerade Skripte und Fallbücher, die regelmäßig verwendet werden, sind auf Plattformen wie eBay oder in Facebook-Gruppen oft günstiger zu finden als in der Buchhandlung. Auch die Kooperation in einer Lerngruppe kann hier helfen – gemeinsam lässt sich so manches sparen.
4. Eine starke Lerngruppe macht den Unterschied
Das Referendariat ist kein Sprint, sondern ein Langstreckenlauf – und was gibt es Besseres, als diesen mit motivierten Mitstreitern zu bewältigen? Eine funktionierende Lerngruppe kann der Schlüssel zum Erfolg sein, denn sie bietet nicht nur fachliche Unterstützung, sondern auch moralischen Rückhalt. Sie lernen gemeinsam, tauschen sich über schwierige Übungsklausuren aus und motivieren sich gegenseitig.
Wichtig ist, dass Sie sich mit Menschen zusammenschließen, die in puncto Lernaufwand, Anspruch und Tempo ähnliche Vorstellungen haben wie Sie selbst. So vermeiden Sie Frust und schaffen eine produktive Lernatmosphäre. Setzen Sie sich gemeinsam realistische Lernziele, erstellen Sie einen strukturierten Lernplan und halten Sie sich an feste Zeiten für das gemeinsame Lernen. Denn eine gute Lerngruppe organisiert sich nicht nur, sondern sorgt auch dafür, dass der Lernprozess effektiv und zielgerichtet verläuft.
5. Urlaubstage sind kein Luxus, sondern notwendig
Im Referendariat haben Sie genauso wie im späteren Berufsleben Anspruch auf Urlaubstage – und das sollten Sie unbedingt ausnutzen! Diese 30 Tage pro Jahr sind Ihr Recht und wichtig für Ihre Erholung und Regeneration. Sie können entscheiden, ob Sie Ihre Urlaubstage lieber während des gesamten Referendariats verteilen oder sich eine Auszeit für intensivere Lernphasen vor den Examensklausuren aufheben. Beide Varianten sind völlig in Ordnung, solange Sie sich nicht von der Vorstellung leiten lassen, „Urlaub ist jetzt nicht wichtig“.
Beachten Sie dabei jedoch, dass es in bestimmten Phasen des Referendariats, etwa während der Einführungslehrgänge, Urlaubssperren geben kann. Planen Sie Ihren Urlaub daher rechtzeitig und stimmen Sie Ihre freien Tage mit Ihrem Ausbildungsplan ab, damit Sie Ihre Erholung optimal nutzen können.
6. Kümmern Sie sich rechtzeitig um Ihre Stationen
Die Wahl Ihrer Stationen ist ein entscheidender Bestandteil des Referendariats und sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Schon im Vorfeld sollten Sie sich intensiv mit den verschiedenen Optionen auseinandersetzen und sich rechtzeitig für Ihre Wunschstationen bewerben. Manche Stationen – beispielsweise bei einem Zivilrichter – sind fest vorgegeben. Hier gibt es wenig Spielraum.
Andere Stationen, wie etwa im Ausland oder bei renommierten Institutionen, erfordern eine langfristige Planung und oft eine frühzeitige Bewerbung. Frühzeitig meint, dass Sie sich teilweise direkt nach dem Start ins Ref bewerben müssen. Haben Sie deswegen vor allem Anwaltsstation, Verwaltungsstation und Wahlstation fest im Blick und holen Sie hier rechtzeitig das Beste für sich heraus.
Inspiration, wo Sie überall Ihre Wahlstation verbringen könnten – denn die Auswahl ist wirklich gut – gibt es in einem Kapitel des „Survival Guide Rechtsreferendariat“.
7. Machen Sie sich mit den Besonderheiten des Urteilsstils vertraut
Im Referendariat werden Sie dazu aufgefordert, Urteile zu formulieren – Zivilurteile, Strafurteile und verwaltungsgerichtliche Urteile gehören zum Prüfungsstoff. Doch der Urteilsstil unterscheidet sich deutlich vom Gutachtenstil, den Sie aus dem Jurastudium kennen. Statt „Fraglich ist, ob …“ und einer langen theoretischen Ausführung geht es nun darum, präzise und praktische juristische Entscheidungen zu treffen. Diese Umstellung ist nicht immer einfach, aber mit Übung werden Sie schneller und besser darin, Urteile zu verfassen.
Der „Survival Guide Rechtsreferendariat“ enthält deshalb auch ein ganzes Kapitel mit vielen nützlichen Hinweisen zum Urteilsstil.
8. Klausuren sind der Schlüssel zum Erfolg.
Theorie ist gut, Praxis ist besser – das gilt im gesamten Referendariat. Denn: Übung macht den Meister. Klausuren unter realistischen Bedingungen sind eines der besten Mittel, um sich auf das Examen vorzubereiten. Nutzen Sie alle Möglichkeiten, an Übungsklausuren teilzunehmen – seien es die AG-Klausuren, Übungen beim Ausbilder oder zusätzliche Klausuren aus kommerziellen Repetitorien. Der Vorteil liegt nicht nur in der Routine, sondern auch in der Möglichkeit, Fehler zu erkennen und gezielt zu korrigieren.
Achten Sie besonders auf die Nachbereitung der Klausuren. Was war unklar? Wo haben Sie Zeit verloren? Welche Fehler wiederholen sich immer wieder? Diese Reflexion hilft Ihnen, gezielt an Ihren Schwächen zu arbeiten und sich kontinuierlich zu verbessern. Und keine Sorge vor schlechten Noten: Aus den Fehlern lernt man bekanntlich am meisten.
9. Nutzen Sie das Ref für den Berufseinstieg
Das Referendariat bietet Ihnen eine einmalige Gelegenheit, herauszufinden, wohin Ihr beruflicher Weg führen soll. Wenn Sie noch orientierungslos sind, können Sie die einzelnen Stationen nutzen, um verschiedenste Tätigkeitsfelder kennenzulernen und so ein Gefühl dafür zu entwickeln, welche juristischen Berufe zu Ihnen passen. Haben Sie dagegen bereits ein klares Ziel vor Augen, lohnt es sich, die Stationen strategisch so zu wählen, dass sie Ihnen den Einstieg in dieses Berufsfeld erleichtern.
Gerade die Anwaltsstation kann sich als Türöffner erweisen: Wer hier engagiert arbeitet, erhält nicht selten ein Angebot für den Berufseinstieg. Auch in Behörden oder Unternehmen entstehen häufig Kontakte, die später wertvoll sein können. Nutzen Sie diese Zeit also bewusst zum Netzwerken – nicht nur mit Ausbilderinnen und Ausbildern, sondern auch mit Ihren Mitreferendarinnen und -referendaren sowie anderen Berufsgruppen, mit denen Sie im Rahmen der Ausbildung zusammenarbeiten. Die Netzwerke, die Sie im Referendariat knüpfen, begleiten Sie oft über Jahre hinweg.
10. Entdecken Sie die Vielfalt
Kaum ein anderer Abschnitt Ihrer juristischen Laufbahn eröffnet Ihnen so viele verschiedene Einblicke wie das Referendariat. Ob Strafverfolgung, Verwaltung, anwaltliche Beratung, internationale Organisationen, NGOs oder sogar eine Station im Ausland – Sie haben die Chance, in völlig unterschiedliche Welten einzutauchen. Die Breite dieser Möglichkeiten werden Sie später kaum noch in dieser Form erleben.
Erlauben Sie sich daher, neugierig zu sein und ungewöhnliche Stationen auszuprobieren. Nicht alles muss perfekt zu Ihrem Lebenslauf passen. Manche ungewöhnliche Wahl führt zu neuen Interessen, unverhofften Kontakten oder einfach einer besonders spannenden Erfahrung. Die Wahlstation bietet Ihnen dabei besonders viel Freiheit, kreativ zu werden und Ihrem Referendariat eine persönliche Note zu geben. Und vergessen Sie nicht: Auch wenn es eine fordernde Zeit ist, darf das Referendariat Spaß machen. Es ist eine Phase voller Lernmomente, Begegnungen und Erlebnisse – nutzen Sie diese bewusst.
Dr. Jannina Schäffer ist Gründerin und Chefredakteurin des Online-Magazins „JURios – kuriose Rechtsnachrichten“ (www.jurios.de). Die promovierte Volljuristin ist Lehrbeauftragte für Strafrecht an der FernUni Hagen sowie Redakteurin bei beck-aktuell. Sie ist auch die Herausgeberin des 2024 bei UTB erschienenen Ratgebers „Survival Guide Jura“ und der im Oktober 2025 neu erschienenen Fortsetzung „Survival Guide Rechtsreferendariat“.
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