Juristin mit Kopftuch verklagt den Freistaat Bayern – keine uneingeschränkte Zulassung zum Referendariat für Prädikatsjuristin mit Kopftuch?
Mit einem überdurchschnittlich abgeschlossenem ersten Staatsexamen stehen einem viele Türen offen. Denkt man. Die Zulassung zum Referendariat ist dann nur ein reiner Formalismus. Denkt man.
Anders erlebt hat dies nun eine Rechtsreferendarin in Bayern. Die engagierte Vorzeigestudentin Aqilah Sandhu hat wie so mancher Jurist einen langen Ausbildungsweg hinter sich. Sie nahm erfolgreich am Jessup Moot Court teil, unterrichtet selbst, erhielt ihren ersten Lehrauftrag in Rechtsenglisch im neunten Semester.
Dass sie ein Kopftuch trägt, war nie ein Problem. Bis sie am 21. Juli 2014 eine Mail des Oberlandesgerichtes erreicht. Die Zulassung zum juristischen Vorbereitungsdienst werde ihr nur unter eine Auflage gestattet.
Sie darf keine richterlichen und staatsanwaltlichen Aufgaben übernehmen oder Zeugen vernehmen. Etwas, das ihren ehemaligen Kommilitonen ohne weiteres gestattet ist und eine wichtige Grundlage des Vorbereitungsdienstes bildet.
Begründet wurde die Auflage mit der weltanschaulichen Neutralität der Dienstausübung. Das OLG sah in dem Tragen des Kopftuchs eine Gefährdung dieser. Eine gesetzliche Grundlage gibt es hierfür nicht.
Berufen wird sich auf eine Dienstanweisung aus 2008, welche vom Justizministerium stammt und sich auf die Einstellungsvoraussetzungen in der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen bezieht. Eine Versagung der Aufnahme ist demnach möglich, wenn die Bewerber für den Vorbereitungsdienst als ungeeignet erscheinen.
Anfang 2015 legt sie Widerspruch ein. Hierzu führt sie an, dass in der Dienstanweisung keine wirksame Ermächtigungsgrundlage für die gravierende Einschränkung zu sehen sei. Schließlich handele es sich dabei nur um eine innerdienstliche Weisung ohne Außenwirkung.
Um die Religionsfreiheit (Art. 4 GG) einzuschränken braucht es nach dem Bundesverfassungsgericht allerdings ein Gesetz (Vgl. BVerfGE 83, 130 <142>). Die junge Frau wird von Rechtsanwalt Frederik von Harbou beraten, welcher in dem Tragen eines Kopftuchs gerade einen Ausdruck von einem „offenen“ Verständnis des Begriffes Neutralität sieht.
„ Der freiheitliche Staat sollte den Ausdruck verschiedener Lebensentwürfe auch seiner Bediensteten tolerieren.“, so Harbou. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit ihrer Klage gab es bis zum Ende ihrer Justizstation kaum.
Mit dem Ende dieser erhält sie ein Schreiben, in der ihr nahegelegt wird, den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären. Sandhu hat nun ihr Klagebehren umformuliert und erhebt nunmehr Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 I 4 VwGO ). Zu klären bleibt: Besteht hier das erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse (§ 113 I 4 VwGO)?
Schließlich wurde die Auflage mit der Beendigung der Station aufgehoben und entfaltet nunmehr keine Rechtswirkung mehr. Dies wird am Donnerstag entschieden.
Update: Entscheidung Des Bayerische Verwaltungsgericht (VG) Augsburg
Das Bayerische Verwaltungsgericht hat das praktizierte Kopftuchverbot für unzulässig erklärt (Entsch. v. 30.06.2016, Az. Au 2 K 15.457).