Womit müssen Jurist:innen an einem typischen Arbeitstag im öffentlichen Wirtschaftsrecht rechnen?
Jurist:innen im öffentlichen Wirtschaftsrecht erwartet eine abwechslungsreiche Tätigkeit. Das Rechtsgebiet ist weit gefächert und umfasst alle öffentlich-rechtlichen Vorschriften auf nationaler und europäischer Ebene, durch die Unternehmen, Industrien und Privatpersonen reglementiert werden. Daher können Fragen zu ganz unterschiedlichen Bereichen, wie beispielsweise dem Vergaberecht, dem Außenwirtschaftsrecht, dem Umweltrecht oder Compliance zum Arbeitsalltag gehören. Zum typischen Arbeitstag gehört häufig auch der Umgang mit neuen nationalen und europäischen Gesetzen bzw. Verordnungen sowie die Kommunikation mit Behörden.
Was hat Sie dazu bewogen, sich für eine Tätigkeit in diesem Rechtsgebiet zu entscheiden? In welchem Karrierestadium fiel die Entscheidung, anwaltlich in diesem Bereich tätig zu werden?
Meine Entscheidung für das öffentliche Wirtschaftsrecht traf ich erst gegen Ende des Referendariats. Ursprünglich hatte ich das Jurastudium begonnen, um Strafverteidigerin zu werden. Während meines Studiums und auch im Referendariat hatte ich dann weder eine ausgeprägte Präferenz für noch eine Abneigung gegen ein bestimmtes Rechtsgebiet. Erste Berührungspunkte mit dem öffentlichen Wirtschaftsrecht erhielt ich durch eine Stelle als WiMi im Kartell- und Energierecht. Das weckte mein Interesse an regulierten Märkten und den damit verbundenen komplexen zukunftsorientierten Fragestellungen. Besonders interessant ist auch, dass man im öffentlichen Bereich sowohl auf Seiten von Privaten als auch auf der Seite des Staates tätig werden kann.
Inwieweit sind Ihre Erwartungen an die praktische Arbeit in dem Rechtsgebiet erfüllt worden? Was waren Ihre größten Überraschungen?
Auch wenn ich damit bereits gerechnet hatte, bin ich doch immer wieder erstaunt, wie vielseitig das öffentliche Wirtschaftsrecht ist. Gerade die EU reguliert und harmonisiert immer mehr Bereiche. Das macht häufiger einen Austausch mit nationalen oder europäischen Behörden erforderlich, als ich mir das vorgestellt hatte; insbesondere, wenn neue Mechanismen oder Verfahren kurz vor der Umsetzung stehen.
Was sind Ihrer Meinung nach die spannendsten bzw. schwierigsten Herausforderungen in dem Rechtsgebiet?
Die spannendste und schwierigste Herausforderung ist meiner Meinung nach der Umgang mit neuen öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Die öffentlich-rechtlichen Klausuren im Assessor Examen, in denen keine Kommentare zum materiellen Recht zugelassen sind, sind da schon recht praxisnah. Denn häufig gibt es zu den aktuellen Gesetzen keine Kommentierungen oder Rechtsprechung. Gerade das macht das Rechtsgebiet aber auch besonders spannend, denn man ist gezwungen sehr dogmatisch aktuelle Themen zu bearbeiten.
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Welche Soft Skills sind für eine anwaltliche Tätigkeit in diesem Rechtsgebiet vorteilhaft bzw. notwendig? Auf welche Anforderungen der Branche müssen sich Bewerber:innen hier einstellen?
Vorteilhaft ist eine schnelle Auffassungsgabe, ein gewisses Grundverständnis von Staatsorganisations- und Verwaltungsrecht und ehrliches Interesse an Themen des öffentlichen Wirtschaftsrechts. Jedenfalls sollte man „keine Angst“ vorm Umgang mit EU-Recht und den jeweiligen Gesetzgebungsverfahren haben.
Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach die Erlangung des Fachanwaltstitels im Wirtschaftsrecht?
Ein Fachanwaltstitel im „öffentlichen Wirtschaftsrecht“ existiert gar nicht. Daher spielt dieser m.E. eine eher untergeordnete Rolle. Je nach Tätigkeitsschwerpunkt könnten hier der Fachanwaltstitel im Vergabe- oder Verwaltungsrecht von Interesse sein. Meist stellt sich diese Frage erst ein paar Jahre nach dem Berufseinstieg.
Welche Aus-/Weiterbildung in dem Rechtsgebiet würden Sie Junganwält:innen ans Herz legen?
Das hängt wieder stark vom Tätigkeitsschwerpunkt und individuellen Kenntnisstand in diesem Bereich ab. Ich habe recht schnell nach dem Berufseinstieg gemerkt, in welchen Rechtsgebieten ich sicher bin und wo sich mir die Zusammenhänge nicht so schnell erschlossen haben. Dann kann es helfen, vereinzelte Schulungen zu den jeweiligen Rechtsgebieten zu besuchen, um ein geordneteres Grundverständnis zu bekommen. Hier könnten sich auch die Fachanwaltslehrgänge zu bestimmten Themen anbieten.
Welche Zukunftsaussichten sehen Sie für Berufseinsteiger:innen in diesem Rechtsgebiet?
Themen des öffentlichen Wirtschaftsrechts werden immer präsenter. Der Trend geht eher dahin, dass die EU mehr reguliert, gerade im Umweltrecht (wie beispielsweise das Abfall- und Chemikalienrecht). In Anbetracht der weltpolitischen Lage werden auch Themen des Außenwirtschaftsrecht nicht an Aktualität verlieren.
Welchen Ratschlag würden Sie an diesem Rechtsgebiet interessierten Nachwuchsjurist:innen mit auf den Weg geben?
Es hilft immer, sich als WiMi oder Referendar:in in einer Kanzlei auszuprobieren und erste Erfahrungen zu sammeln. Mindestens genauso spannend ist es, sich in der Verwaltungsstation die Arbeit der Behörden anzuschauen. Auch als Anwält:in sollte man verstehen, wie Behörden arbeiten. Wer primär für das Außenwirtschaftsrecht brennt, kann sich auch die Arbeit von Strafverteidiger:innen ansehen.
Vielen Dank für das Interview und die Zeit, Frau Prickartz!
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