Können Sie uns Ihren beruflichen Weg bis zur Position als Partnerin bei ESCHE SCHÜMANN COMMICHAU kurz skizzieren?
Bei Esche gibt es verschiedene Karrierestufen. Associates können zunächst Associated Partner:in werden; eine Position, in der man noch angestellt ist, aber bereits mehr Verantwortung trägt: fachliche Verantwortung für Mandate und auch wirtschaftliche Verantwortung für die Kanzlei. Die nächste Karrierestufe ist die Position des/der Salary-Partner:in und schließlich die des/der Equity-Partner:in. Ich habe alle Stationen auf meinem Weg durchlaufen und bin heute Partnerin im Bereich Gesellschaftsrecht bei Esche.
Was hat Sie persönlich motiviert, in einer mittelständischen Kanzlei eine Führungsposition anzustreben?
Die Arbeit im Mandat ändert sich nicht durch die Position in der Kanzlei. Ich habe auch zuvor Verantwortung für die von mir bearbeiteten Mandate übernommen und mich gerne für meine Mandanten engagiert. Als Partnerin bin ich aber freier in der Ausgestaltung und Weiterentwicklung meiner konkreten Tätigkeit. Auch wollte ich unser Arbeitsumfeld in der Kanzlei selbst verantwortlich mitgestalten. Gerade in einer mittelständischen Kanzlei sind die Entscheidungswege auch für wesentliche strategische beziehungsweise unternehmerische Weichenstellungen kurz. Als Partnerin einer mittelständischen Kanzlei bekommt man keine Vorgaben von irgendeinem Board in London oder New York, sondern entscheidet mit seinen Partnern unmittelbar über alle wichtigen Fragen. Gleichzeitig besteht ein gewisser persönlicher Handlungsspielraum für die Gestaltung meines Arbeitsalltags und dem meines Teams beziehungsweise meiner Kollegen. Die Strukturen in einer mittelständischen Kanzlei sind flexibler als in einer Großkanzlei; es gibt Raum für individuelle Lösungen.
Haben Sie auf Ihrem Weg in die Führungsebene Vorurteilen entgegentreten müssen und wie sind Sie damit umgegangen? Welche Hürden mussten Sie überwinden?
Ich war zu Beginn meiner Tätigkeit als Anwältin durchaus ab und zu Vorurteilen ausgesetzt. Damals war ich Ende 20 und der Anteil der Frauen im Gesellschaftsrecht war noch deutlich niedriger als heute. Ich hatte es damals auf Mandantenseite nicht selten mit männlichen Unternehmerpersönlichkeiten (einer ganz anderen Generation) zu tun und auch die gegnerischen Anwälte waren meist männlich und älter als ich. Ab und zu habe ich damals Sprüche gehört, die zwar nicht bösartig waren, aber doch unangemessen.
Glücklicherweise kommt es in meinem Beruf aber am Ende darauf an, ob man seinen Job gut macht. Das wird dann im Allgemeinen auch anerkannt. Und älter wird man von allein. Mit zunehmender Berufserfahrung wächst nicht nur die fachliche Kompetenz, sondern auch die Gelassenheit.
Die angesprochenen Vorurteile gegen jüngere weibliche Anwälte im Gesellschaftsrecht sind mir glücklicherweise nicht kanzleiintern begegnet. Hier hatte ich zwei Mentoren unter den Partnern der Kanzlei, die mich auf meinem Weg unterstützt und bestärkt haben.
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Mittelständische Kanzlei
Esche Schümann Commichau
Gab es Mentor:innen oder Vorbilder, die Sie besonders geprägt haben? Was würden Sie jungen Juristinnen diesbezüglich raten?
Meine beiden damaligen Chefs waren jeweils in Bezug auf gewisse Aspekte auch durchaus Vorbild für mich. Auf meinem Weg habe ich von ihnen einiges gelernt.
Ich hatte damals jedoch keine weiblichen Vorbilder in der Kanzlei, was das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie angeht. Zu Beginn meiner Tätigkeit bei Esche gab es keine Partnerin mit kleinen Kindern in der Kanzlei. Die für mich zuständigen Partner hatten keine Kinder. Andere Partner der Sozietät hatten zwar Kinder, aber häufig dazu auch eine Ehefrau, die ihnen zu Hause den Rücken freihielt.
Heute ist das anders. Weil sowohl jüngere Anwältinnen als auch jüngere Anwälte es einfach anders gemacht haben. Es gibt heute einige Partner:innen, die Kinder haben und sich zu Hause die Kinderbetreuung und sonstige Care-Arbeit teilen. Partner:innen bei Esche nehmen Elternzeit oder arbeiten zeitweise in Teilzeitmodellen, je nach privater Lebenssituation.
Junge Juristinnen sollten meines Erachtens ihre privaten Lebensentscheidungen unabhängig von der Kanzlei treffen und für sich prüfen, auf welche Art und Weise und mit welcher Unterstützung sich diese dann in den Kanzleialltag integrieren lassen. Wenn jemand mit einem realistischen Plan kommt, wird der/die zuständige Partner:in der Kanzlei im Regelfall bereit sein, hieran mitzuwirken. Schon im eigenen Interesse, begabten Kanzlei-Nachwuchs nicht zu verlieren. Gerade in mittelständischen Kanzleien lassen sich immer auch originelle Lösungen jenseits von Standard-Modellen finden. Man braucht auch nicht unbedingt ein konkretes Vorbild, denke ich. Es gibt ohnehin keine Lösung, die für alle passen würde.
Wie gelingt es Ihnen, die Position als Partnerin bei ESCHE SCHÜMANN COMMICHAU mit anderen Lebensbereichen (zum Beispiel Familie, Freizeit) zu vereinbaren?
Ich habe eine 5-jährige Tochter und auch ansonsten ein Privatleben außerhalb von Networking-Veranstaltungen. Ich bestreite nicht, dass es oft anstrengend ist. Man macht das nur, wenn man Spaß an seinem Beruf hat und in einem guten Team arbeitet. Natürlich könnte ich Beruf und Familie auch nicht vereinbaren, wenn ich privat nicht in einer gleichberechtigten Partnerschaft leben würde. Zudem bin ich mir des Privilegs bewusst, dass ich mir aufgrund der Höhe meines Einkommens an der einen oder anderen Stelle Unterstützung (im Haushalt, bei der Kinderbetreuung etc.) einkaufen kann.
Wie sehen Sie die Entwicklung von Gleichstellung und Diversität in mittelständischen Kanzleien und in der Rechtsbranche insgesamt?
Es gibt definitiv noch viel Luft nach oben. Die Gleichstellung von Männern und Frauen ist nach meiner Wahrnehmung weitgehend gegeben. Bei Esche gibt es keinen gender-pay-gap oder Ähnliches.
Besonders „bunt“ sind mittelständische Kanzleien im Übrigen jedoch nicht. Im Gegenteil. Die Rechtsbranche insgesamt ist nach wie vor sehr konservativ und repräsentiert keinen Querschnitt der Gesamtbevölkerung des Landes. Gerade auch in mittelständischen Kanzleien sind die Kolleg:innen eine überdurchschnittlich homogene Gruppe. Ich glaube, dass alle profitieren würden, wenn dies anders wäre. Wir arbeiten daran.
Welche konkreten Schritte könnten Ihrer Meinung nach helfen, mehr Frauen in Führungspositionen der Rechtsbranche zu bringen?
Ich glaube, junge Anwältinnen (und Anwälte) benötigen transparente Karrierewege und die Sicherheit, dass verschiedene Wege zur Partnerernennung führen. Je nachdem, welche Auszeiten jemand aufgrund privater Lebensentscheidungen nimmt, wie lange jemand in Teilzeit arbeitet etc. kann der Weg zur Partnerschaft etwas kürzer oder etwas länger dauern; er muss aber immer möglich sein, solange die übrigen Voraussetzungen vorliegen. Bei Esche gibt es kein up-or-out-Prinzip und auch die Perspektive, als Partner:in in Teilzeit zu arbeiten, wenn man beispielsweise kleine Kinder hat.
Ansonsten sind es meines Erachtens oft Kleinigkeiten, die es Frauen – oder eigentlich Eltern – unnötig schwer machen, Beruf und Familie zu vereinbaren. Meiner Meinung nach sollte ein jour fixe beispielsweise nicht auf 16 Uhr gelegt werden, wenn Kolleg:innen mit kleinen Kindern zum Teilnehmerkreis gehören. Gerade der Anwaltsberuf ermöglicht eigentlich mehr als andere Berufe Flexibilität. Diese muss genutzt werden dürfen, ohne sich rechtfertigen zu müssen. Ob ich eine Akte um 15 Uhr im Büro oder um 20 Uhr von zu Hause bearbeite (vielleicht nachdem ich zwischendurch mein Kind von der Kita abgeholt und mit ihm Zeit verbracht habe), ist irrelevant. Diese Gleichwertigkeit muss anerkannt werden.
Welchen Rat würden Sie jungen Juristinnen mit auf den Weg geben, die selbst anstreben, in einer mittelständischen Kanzlei Partnerin zu werden?
Ich denke, man sollte ein Rechtsgebiet wählen, für das man sich wirklich interessiert und dann eine Vernetzung mit anderen in diesem Bereich intern und extern anstreben.
Und natürlich: Augen auf bei der (privaten) Partnerwahl. Dies kann eine ganz erhebliche Karriereentscheidung sein.
Andersherum sollte man meines Erachtens persönliche Entscheidungen der privaten Lebensführung nicht von vermeintlichen oder tatsächlichen Zeitfenstern für Karriereschritte abhängig machen. Am Ende des Tages sind es Familie und Freunde, die wesentlich zu einem erfüllten Leben beitragen und nur nachrangig der Beruf.
Vielen Dank, Eva Homborg!
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