Rhetorik in der juristischen Ausbildung
(Beredtes) Schweigen ist keine Alternative – Eine praxisorientierte Einführung in das Hochschuldebattieren
Dieser Beitrag soll die Aufmerksamkeit auf eine noch von vielen angehenden Juristen unzureichend beachtete Möglichkeit der rhetorischen Schulung lenken: dem (Hochschul-) Debattieren. Der Beitrag erörtert die Fragen nach der Bedeutung der Rhetorik für die Juristenausbildung, welche Vorteile sich gewinnen lassen und worin genau der Nutzen des Debattierens, sei es im Hinblick auf das juristische Studium oder auch ungeachtet dessen, liegt.
Dafür wird zunächst definiert, was (A.) debattieren vom Reden unterscheidet, sodann (B.) wie die Debattierlandschaft in Deutschland organisiert ist, (C.) welchen spezifischen Nutzen Debattieren für Juristen haben kann und (D.) abschließend, welche weiteren förderlichen rhetorischen Beschäftigungen außer- und innercurricular möglich sind.
A. Was ist Debattieren und wie funktioniert es?
I. Begriff
Was ist eigentlich unter „debattieren“ oder allgemein einem „Debattierclub“ zu verstehen? Eine Idee schwebt meist lediglich denjenigen vor, die einmal solche Clubs in englischen oder amerikanischen Filmen, Serien oder gar in der Wirklichkeit gesehen haben.
Im Übrigen mag sich schnell der Verdacht Raum verschaffen, dass unter „debattieren“ die (teilweise) inhaltslose Selbstwerbung von Politikern zu verstehen ist, die beinahe jeden Tag auf den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten in der werbefreien Zeit nach 20 Uhr zu sehen und zu hören ist.
Die Redekunst (Rhetorik) im Allgemeinen wird etwa als die „Kunst sich der Schwachen der Menschen zu bedienen (Kant)1 beschrieben; als eine dunkle Fertigkeit, die eines Juristen unwürdig sein mag, da für diese gelte, was für Sioux-Indianer gelte: „Sie kennen keinen Schmerz; sie kennen keine Freude; sie kennen nur das Gesetz“.2 Andererseits gilt gerade bei Juristen Cicero nach wie vor als Vorbild.
Es ist dennoch grundsätzlich festzustellen, dass – auch in Zeiten der allgegenwärtigen Anpreisung von „Softskills“ – zumindest das Debattieren als Teildisziplin der Rhetorik eine negative Konnotation in unserer Gesellschaft erfahren hat. Debattieren ist indes zwar vergleichbar mit dem Schlagabtausch von Abgeordneten im Parlament.
Es geht dabei jedoch keineswegs etwa um das gewaltigere Wort, sondern – idealerweise – um das bessere Argument, wenn auch möglichst fein geschliffen und gut wie sicher präsentiert. Debattieren ist nicht bloßes reden, diskutieren, disputieren, quasseln, schimpfen, schwadronieren, sondern ein geregeltes Streitgespräch zwischen Parteien mit konträren Ansichten.3
Sie gilt auch als „Konigsdisziplin“ aller rhetorischer Übungsformen, in der eben alle rhetorischen Einzelfähigkeiten geübt werden konnen.4 Beim Debattieren geht es darum, dass die Meinungspole alternierend Argumente austauschen und dabei zumindest grundlegende Regeln des sittlichen Umganges sowie Vorschriften zur Reihenfolge, Redezeit usf. gewahrt werden.
Bzgl. der Rhetorik ist noch ergänzend anzumerken, dass neben der praktischen Rhetorik die „Juristische Rhetorik“5 als Disziplin zu verstehen ist, in welcher sich nach wie vor mit Methodenlehre, Argumentationstheorie6 etc. auseinandergesetzt wird7. Literatur8 mit praktischen Hinweisen indes etwa bietet (angehenden) Juristen9 indes Tipps zu Aktenvortragen im Examen, Plädoyers oder Vortragen, aber auch im Hinblick auf das ungesprochene Wort Erstellung von möglichst überzeugenden Schriftsätzen usf.10
II. Historischer Hintergrund
Die ersten studentischen Debattierclubs sind bereits 1815 an den Universitäten Cambridge und 1823 Oxford in England gegründet worden, wohingegen diese Kultur erst 190 Jahre später an deutschen Hochschulen Verbreitung gefunden hat.11 Nach und nach etablieren sich Debattierclubs auch in anderen Ländern Europas, wobei England, der amerikanische Raum und Deutschland nach wie vor Vorreiterrollen inne haben und hier die meisten Meisterschaften ausgetragen werden.
Allerdings gibt es ähnliche Vereinigungen jenseits der Hochschulclubs, die andere Personenkreise ansprechen. So z.B. die international anzutreffenden, kommerziell ausgerichteten „Toastmaster Clubs“12 oder die deutsche „Jugend debattiert“-Initiative13 mit Clubs an Schulen.
Seit 2001 entwickelt sich in Deutschland auch eine rege nationale Turnierszene im Hochschuldebattieren, die in regelmäßigen Abstanden Turniere abhalt.14 Eine internationale ist längst etabliert.
III. Regelwerke
Die besagten zu wahrenden Regeln und die Regelwerke können ganz unterschiedlich ausgestaltet sein. In der deutschen Debattierszene dominieren zwei Regelwerke: die „Offene Parlamentarische Debatte“ (OPD)15 und der „British Parliamentary Style“ (BPS)16, die oftmals im Wechsel zum Einsatz gelangen. Neben einer Unzahl weiterer Regelwerke nutzen etwa „Jugend Debattiert“17 oder auch die neue TV-Sendung „3sat-Debatte“18 noch ganz andere Formate.19
Wäre ein Allgemeiner Teil des Debattierens zu schreiben, so sähe dieser aber stets mindestens zwei20 konträre Parteien (mit mehreren Team-Mitgliedern), heißen sie Pro und Contra oder Regierung und Opposition, eine begrenzte Redezeit (etwa sieben Minuten; Zeitsignale werden in der Realität oftmals Uber Hammerschlage und Glockenlauten gegeben), eine Rednerreihenfolge (etwa Pro, Contra, Pro, Contra…) vor.21 Damit wird der Ablauf der Debatte festgelegt.
Die Pro-Partei muss zudem eine konkrete Maßnahme vorschlagen („Antrag), etwa ein (simples) Gesetz. Die Team-Mitglieder übernehmen dabei spezielle Rollen, beispielsweise zunächst in das Thema einzuführen und die Maßnahme vorzustellen oder als „Whip“ die Debatte polarisierend abschließend darzustellen.22
Ob der jeweilige Debattant23 Pro oder Contra zu vertreten hat, entscheiden i.d.R. nicht persönliche Leidenschaft oder Freiheit, sondern das unparteiische Los. Dass es somit vorkommen kann, dass eine Meinung vertreten werden muss, die einem selbst ganz fern liegt, versteht sich von selbst, macht aber gerade den Reiz dieses Redewettstreites aus.
Das Vertreten „fremder“ Positionen hilft überdies zumindest, die Argumente der anderen Position besser zu verstehen und die Kompetenz zu entfalten, sich auch in ungewohnte, gleichermaßen ungewollte Positionen zu versetzen. Das eigentliche Thema der Debatte ist beliebig, steht jedoch üblicherweise nicht zur Disposition der Parteien. Regelmäßig wird dieses den Debattanten auch erst kurz vor der Debatte bekannt gegeben (i.d.R. 15 Min. vorher). Es kann eine außenpolitische Frage sein (Militärintervention in einem anderen Land?), eine gesellschaftspolitische (Frauenquote für Unternehmensvorstände?
Islam-Unterricht für alle Schuler? Herd- und Trocknerprämie für Vater?) oder eine rein „spaßige“ (Sollte Dagobert Duck zur Deckung des Fiskalpaktes enteignet werden?) – oder eine Frage jeder anderen Art. Diese an sich beliebige Fragestellung sollte jedoch klar konträre Ja- bzw. Nein-Positionen erlauben, die sich zudem deutlich voneinander unterscheiden sollten (also nicht etwa: Umsatzsteuer in Hohe von 19,151 statt 19,15 %?).
Die Redner werden üblicherweise durch Juroren nach rhetorischen Kriterien bewertet und erhalten einen Punktwert, die den Sieger bzw. die siegreiche Fraktion erkennen lasst. Dabei können verschiedene Elemente wie Redestruktur, Qualität der Argumentation sowie Ausdruck und Gewandtheit als auch das Zusammenspiel des eigenen Teams Kriterien darstellen. Das Regelwerk bestimmt i.d.R. auch hierüber24.
B. Debattierclubs und Debattierkultur an Hochschulen
I. Studentische Debattierclubs
Wie bereits angeführt bilden sich seit 1991 bilden an deutschen Hochschulen mehr und mehr Debattierclubs.25 Mittlerweile übertrifft deren Zahl die Zahl juristischer Fakultäten in Deutschland deutlich.26
Die Clubs selbst treffen sich in aller Regel einmal wöchentlich, um eine Debatte in zumeist deutscher Sprache (aber durchaus auch anderer27 Sprache) durchzufuhren. Die Teilnahme ist stets kostenlos und unverbindlich. Man muss kein Jurist sein, aber ein recht großer Anteil der Teilnehmer entstammt i.d.R. diesem Fachbereich. Wenn es an der eigenen Hochschule oder Stadt noch keinen Club28 geben sollte, kann ein ebensolcher gegründet werden – der deutsche29 bzw. deutschsprachige30 Dachverband „Verband der Debattierclubs an Hochschulen“ (VDCH)31 unterstützt dabei umfassend.32
Debattieren ist zudem auch im Rahmen des Hochschuldebattierens nicht zwingend auf Studenten bzw. Studierende begrenzt. Die VDCH-Clubs stehen regelmäßig auch anderen Personen, ungeachtet des Alters oder des Berufes, offen. Des Weiteren bestehen, wie gesagt, auch spezielle Clubs für andere Personengruppen.
II. Nationale und internationale Turniere
Neben den wöchentlichen Treffen finden, wie angedeutet, regelmäßig nationale33 und internationale Turniere statt,34 letztere in englischer Sprache35. Dabei treten Teams – mit i.d.R. drei bzw. zwei Personen (je nach Format) – der verschiedenen Clubs gegeneinander in mehreren Runden an.
Üblich ist nach ein bis vier Tagen Vorrunden, Halb- und ggf. zuvor Viertelfinale ein Finale zwischen zwei oder vier Clubs in der Öffentlichkeit, oftmals an einem prominenten Platz, wie z.B. im Plenarsaal des Deutschen Bundestages. Höhepunkt des deutschen Debattenjahres ist dabei die jährlich stattfindende Deutschsprachige Debattiermeisterschaft.36
C. Debattierclubs und die deutsche Juristenausbildung
I. Vom gesetzgeberischen Lippenbekenntnis und eigenen Möglichkeiten
In § 5a Abs. 3 S. 1 DRIG heißt es: „Die Inhalte des Studiums berücksichtigen Schlüsselqualifikationen wie […] Gesprächsführung, Rhetorik37, […] Kommunikationsfähigkeit.“ Die Ausbildungsgesetze der Länder verlangen dies entsprechend38. Diese recht jungen Feigenblattnormen führten jedoch nur zu einem geringen (verpflichtenden) Studienangebot in den letzten Jahren;39 abgesehen von einzelnen Lichtblicken etwa im Bereich Verhandlungsführung. Gleichwohl zeigt diese Anforderungen auf, dass die Gesetzgeber rhetorisch-kommunikative Qualitäten als wünschenswert – oder gar essenziell – für Juristen erachten.
Der Nutzen des Debattierens für Klausuren indes scheint im ersten Moment marginal zu sein. Die Studentenschaft entscheidet sich erfahrungsgemäß (und klugerweise) aus opportunistischen – „klausurtaktischen“ – Motiven für die h.M. (hilfsweise h. Rspr. oder h. Lit., mag die h.M. selbst auch nicht Argument sein40).
Die eigentliche Kunst eine gute Klausur zu schreiben, besteht u.a. wohl darin einen Streit zunächst als ergebnisoffen darzustellen. Es liegt aber auf der Hand, dass man nicht jeden Streit kennen, geschweige denn jedes Argumente wiedergeben kann.
Ein Debattierer ist geschult sich in unbekannte Sachverhalte schnell einzudenken, auf der einen Seite Lösungen zu entwickeln und auf der anderen Seit verschiedene Sichtweisen einnehmen zu können. Ist der Streitstand bekannt, steht das Ergebnis i.d.R. fest – ist er unbekannt, stehen womöglich „klausurtaktische“ Erwägungen zur Seite.
Dann bleiben womöglich nur Argumente zu überlegen. Diese Aufgabenstellung ist prinzipiell leicht zu losen. Dies schon vor dem Hintergrund, dass im juristischen Kosmos die Argumente schnell erschöpfend aufgelistet werden können (Zurechnung, Wertung, Treu und Glauben, Risiko usw.) und in typischen Klausuren ohnehin keine Zeit für umfassende Erörterungen bleibt.
Wer also debattiert, der hat es in der Klausur leichter Probleme zu identifizieren und ihnen mit Lösungsansätzen zu begegnen. Wer debattiert weis zudem, dass die eigene Meinung keinesfalls entscheidend ist, sondern die Art, wie das Argument dargestellt wird.
II. Zugewinn im eigenen Studium
Debattieren kann auch das eigene Studium beflügeln. Zwar sind die Redesituationen in der juristischen Ausbildung nur geringen Umfanges, aber wenn sie auftreten, dann sind sie doch immer von immenser Bedeutung. Ob es sich nun um die mündliche Prüfung im Schwerpunktbereich,des 1. Staatsexamen oder den Aktenvortrages des 2. Staatsexamens handelt, ist dabei ohne Bedeutung.
Wenn das Auftreten nicht stimmt, die Mimik und Gestik sich mit den Inhalten nicht zu ergänzen vermögen, der Blickkontakt ausbleibt und Unsicherheit spürbar im Raum liegt, kann kein gesammelter Eindruck entstehen, der die Ausführungen an Qualität zu bereichern vermag.41
Denn auch, wenn es im Studium der Rechte darum geht möglichst präzise Inhalte zu liefern, so ist jede Form der Kommunikation nichtdestotrotz eine emotionale Angelegenheit in der man nur dann vollends zu überzeugen vermag, wenn man den Inhalt auch entsprechend verpackt.42
Deswegen wird vielfach gefordert, dass das juristische Denken und Argumentieren primäres Lernziel werden muss.43 Die gekonnte Verbindung von Fachsprache mit Umgangssprache in mehr oder weniger komplexen Argumentationsgängen erfordert eine hohe Sprachkompetenz44. Eben genau diese Sprachkompetenz lasst sich durch ein wöchentliches Training in einem Debattierclub üben.
Zwar ist natürlich ein anderer Redestil als in der Debatte bei Vortragen oder Prüfungsgesprächen gefragt, gleichwohl werden aber auch für diese Herausforderungen Souveränität, Standfestigkeit im Disput und rhetorisches Rüstzeug – universelle Fähigkeiten – durch Übung herausgebildet.
III. Alles für die Praxis – Aspekte praktischer Jurisprudenz
In der praktischen Berufsausübung, speziell in der anwaltlichen, ist die Debatte das „täglich Brot“. Wie auch immer die Bedeutung der mündlichen Verhandlung eingeschätzt wird – insbesondere im Zivilprozess im Angesicht der lediglich formellen Mündlichkeit –, wird es sicherlich in der Bundesrepublik keinen Raum für Marktschreier oder inszenierte Dramen geben, aber das sauber vorgetragene und in feiner Rhetorik verpackte Argument hat durchaus Zugkraft.
Die Chance des Anwalts liegt mithin darin, klar, strukturiert und pointiert und mit guter Schwerpunktsetzung in wenigen Minuten das Wesentliche darzustellen und ggf. bestehende Unklarheiten auszuräumen; und dem Richter in guter Erinnerung zu bleiben. Gute Anwälte orientieren sich bei der Erstellung ihrer Schriftsätze und beim halten ihrer Plädoyers an Urteilsformulierungen und versuchen den Richtern auf suggestiver Ebene – arbeitserleichternd – Formulierungen vorzuschlagen, die diese dann (unterbewusst) im Urteil übernehmen45.
Auch ist es einem Anwalt aus wirtschaftlichen Gegebenheiten i.d.R. niemals möglich, Mandate nur nach persönlichem Geschmack auszuwählen: Freilich muss nicht ein jeder Rechtsanwalt (mutmaßliche) Kinderschänder, Massenmörder oder Kriegsverbrecher vertreten.
IV. Bildung?
Es steht der Vorwurf im Raum, das Aufrichtigkeit und Wahrheitsdurst am Rednerpult niemals zu finden seien; erst recht nicht „wahre“ Bildung. Wer mag, kann indes eine Debatte auch als Beitrag zur dialektischen Antwortgewinnung auffassen. Trotz aller Vorwürfe sollte es aber einleuchten, dass eine Debatte hilft, die Positionen zu durchdenken und zu verstehen. Daneben müssen sich Debattierer regelmäßig mit aktuellen Fragen des Zeitgeschehens auseinandersetzen – und u.a. auch das Gegenteil der eigenen Auffassung analysieren, durchdringen und vertreten.
Je nach Themenschwerpunkt kann sich der Debattant auch über seinen eigenen Studienschwerpunkt hinweg neues Wissen aneignen.
Insbesondere im Austausch mit Studierenden anderer Fachbereiche, deren Sichtweise teilweise ganz neue Aspekte aufwirft.
V. Weitere rhetorische Übungen: Kombination mit dem Jurastudium und dem Debattieren
Vergleichbar mit dem Hochschuldebattieren und doch ganz unterschiedlich sind Moot Courts. Bei einem Moot Court wird in Form einer simulierten Gerichtsverhandlung, die einem Rollenspiel ähnelt, ein fiktiver Rechtsfall von in der Regel zwei Teams aus Studierenden als anwaltliche Vertreter vor einer Fachjury, die i.d.R. das Gericht verkörpert, verhandelt.46 Hierzu wird über Wochen hinweg an Schriftsätzen gewerkelt, die es schließlich in einer simulierten mündlichen Verhandlung zu vertreten gilt.47
Spätestens diese Phase lässt sich gut mit dem allgemeinen Debattieren vergleichen, da es nunmehr in einem Schlagabtausch mit dem Gegnerteam darum geht, die Richterbank von der jeweiligen Position zu überzeugen, wobei nicht derjenige mit der stärkeren Position, sondern derjenige mit den besseren Argumenten obsiegt.48 Einem Moot Court liegt ein fest vorgegebener Fall zugrunde. Krönender Höhepunkt ist stets die mündliche Verhandlung, die vergleichbar zu einer Debatte durchgeführt wird. Auch bei Moot Courts im Zivilrecht wird dabei nämlich nicht bloß auf Schriftsätze verwiesen.
Als weitere praktische juristische Übung ließe sich noch die Studentische Rechtsberatung, die seit 2008 möglich geworden ist49 – anführen, die im Hinblick auf Rhetorik wiederum jedoch nur das Mandantengespräch als Übung der Informationsgewinnung bietet, dennoch aber zu empfehlen bleibt.
D. Schlussappell
Die Rhetorik als Kernelement des juristischen und speziell anwaltlichen Wirkens kommt nach wie vor in der Ausbildung zu kurz. Es kann nur empfohlen werden, sich die Aktivitäten der Debattierclubs zumindest einmal – unverbindlich – anzuschauen. Fachwissen für die juristische Tagesarbeit lässt sich im großen Maß nicht gewinnen, dafür jedoch Fähigkeiten, über die ein jeder Jurist verfügen sollte und im Studium gewiss den einen oder anderen Vorteil darstellen können.
Neben dem rhetorischen Handwerk kann ebenfalls geübt werden, Aufregung „vor dem Auftritt“ zu überwinden. Zudem kann mit Kommilitonen anderer Fächer gearbeitet werden. Wer sich dem Wettbewerb gern stellt, findet lohnende Herausforderung. Freilich sollte neben der Beschäftigung mit praktischen Fähigkeiten auch eine mit theoretischen juristischen Methoden erfolgen.50 Allein schon deswegen, weil das kritische Denken in der Juristenausbildung nicht gerade gefördert wird.
Debattieren ermöglicht nicht nur den Blick über den Tellerrand, sondern durch die Teilnahme an Meisterschaften setzt man überdies ganz persönliche Akzente – Akzente für die eigene Ausbildung, fernab des alltäglichen Studienbetriebs.
Fußnoten
1 Zitiert nach Haft, in: MDR 1980, 976.
2 Wohl scherzhaft Haft, in: MDR 1980, 976. Vgl. auch Walter, Kleine Rhetorikschule für Juristen, München 2009, S. VII zum schlechten Ansehen der Rhetorik.
3 Bartsch/Hoppmann/Rex/Vergeest, Trainingsbuch Rhetorik, Paderborn 2009, S. 118.
4 Bartsch/Hoppmann/Rex/Vergeest, Trainingsbuch Rhetorik, Paderborn 2009, S. 118 f..
5 Als rechtstheoretische Disziplin nach Haft, in: MDR 1980, 979; zum Begriff detaillierter Haft, Juristische Rhetorik, 6. Aufl., Freiburg 1999, S. 9 ff..
6 Dazu Gräfin v.Schlieffen, in: JA 2013, S. 3 ff..
7 Gräfin v.Schlieffen/Michaelis, in: JA 2003, S. 720 f..
8 Ein allgemeiner Überblick ist etwa bei Walter, Kleine Rhetorikschule für Juristen, München 2009, S. 5 ff. zu finden.
9 Dann tlw. als „Rhetorik für Juristen“ bezeichnet, vgl. Stiel in: Beck’scher Referendarführer 2012/2013, München 2012, S. 96.
10 Vgl. Gräfin v.Schlieffen/Michaelis, in: JA 2003, S. 720 ff.: „Juristen müssen überzeugend schreiben und sprechen.“; Gräfin v.Schlieffen/Michaelis, in: JA 2003, S. 720: „In Justiz, Verwaltung wie im Anwaltsberuf besteht das Tagwerk aus Schreiben und Reden, und zwar fast immer mit dem einen Ziel: andere zu überzeugen.“
11 Rauda/Kaspar/Proner, Pro & Contra – das Handbuch des Debattierens, Heidenau 2007, S. 6.
12 S. http://www.toastmasters.org (Zuletzt aufgerufen am 14.10.2013).
13 S. https://www.jugend-debattiert.de (Zuletzt aufgerufen am 14.10.2013).
14 Bartsch/Hoppmann/Rex/Vergeest, Trainingsbuch Rhetorik, Paderborn 2009, S. 129;
http://www.vdch.de/zeit-debatten/ (Zuletzt aufgerufen am 14.10.2013); http://www.vdch.de/freiedebattierliga
(Zuletzt aufgerufen am 14.10.2013).
15 Vgl. Bartsch/Hoppmann/Rex/Vergeest, Trainingsbuch Rhetorik, Paderborn 2009, S. 130 ff..; Das Regelwerk lasst sich unter folgender Adresse finden (Stand: Januar 2013): http://www.streitkultur.net/opd-service (Zuletzt aufgerufen am 14.10.2013).
16 Das Regelwerk lasst sich unter dieser Adresse finden: http://de.wikipedia.org/wiki/British_Parliamentary_Style (Zuletzt aufgerufen am 14.10.2013).
17 S. https://www.jugend-debattiert.de (Zuletzt aufgerufen am 14.10.2013).
18 S. http://www.achteminute.de/20120830/argumente-vortragen-luxus-im-fernsehen-3sat-debattestartet-erfolgreich/ (Zuletzt aufgerufen am 14.10.2013).
19 Vgl. etwa Hoppmann/Rex/Bartsch, Handbuch der Offenen Parlamentarischen Debatte, 4. Aufl., Göttingen 2006, S. 15 ff..
20 Die OPD verlangt dabei noch ergänzend sog. Freie Redner. Dies sind grds. drei an der Zahl, die sich entweder Pro oder Contra anzuschließen haben.
21 Vgl. Rauda/Kaspar/Proner, Pro & Contra – das Handbuch des Debattierens, Heidenau 2007, S. 8; Bartsch/Hoppmann/Rex/Vergeest, Trainingsbuch Rhetorik, Paderborn 2009, S. 130 ff..
22 Bartsch,/Hoppmann/Rex, Das Handbuch der Offenen Parlamentarischen Debatte, 4. Aufl., Göttingen 2006, S. 34 ff..
23 Oder: Debattierer/ Debattiererin, Redner/ Rednerin.
24 Ein entsprechender „Juroren-Bogen“ für die OPD lasst sich bei http://www.streitkultur.net/wpcontent/uploads/2011/08/OPD-Jurorenbogen-V08.pdf finden (Zuletzt aufgerufen am 14.10.2013).
25 Bartsch/Hoppmann/Rex/Vergeest, Trainingsbuch Rhetorik, Paderborn 2009, S. 129; s. oben unter A. II.
26 Vgl. die Liste aller Deutschen Debattierclubs: http://www.vdch.de/clubs-vor-ort (Zuletzt aufgerufen am 14.10.2013).
27 Zumeist englischer Sprache; durchaus aber auch Französisch (Saarland) oder seltener Spanischer Sprache (u.a. Berlin).
28 s.o. FN 28.
29 Der Verein begrenzt sich nicht auf deutsche Clubs, insbesondere sind Mitglieder in den angrenzenden (auch) deutschsprachigen Ländern zu finden.
30 Die große Mehrheit dieser deutschen (vgl. Fn. zuvor) Clubs debattiert in deutscher Sprache und nur äußerst wenige Clubs ausschließlich auf Englisch, doch setzt es sich immer mehr durch, ergänzend zu deutschsprachigen auch englischsprachige Debatten durchzufuhren.
31 S. http://www.vdch.de (Zuletzt aufgerufen am 14.10.2013).
32 So gibt es für Grunder umfassendes Material: http://www.vdch.de/clubs-vor-ort/infos-furclubgrunder (Zuletzt aufgerufen am 14.10.2013).
33 S. http://www.vdch.de/zeit-debatten (Zuletzt aufgerufen am 14.10.2013).; http://www.vdch.de/freie-debattierliga (Zuletzt aufgerufen am 14.10.2013).
34 Beachtenswert sind unter anderem die jährlich ausgetragenen Meisterschaften Oxford IV, Cambridge IV oder auch die Europameisterschaft im Hochschuldebattieren bzw. die Weltmeisterschaft.
35 Wobei das Teilnehmerfeld regelmäßig in Muttersprachler und eben Nicht-Muttersprachler (Englisch as 2nd language) aufgeteilt wird.
36 S. http://www.vdch.de/zeit-debatten (Zuletzt aufgerufen am 14.10.2013).
37 Stobbe, in: NJW 1991, 2042 sah das Fehlen der Rhetorik in der Juristenausbildung als beispielhaften Beweis ihrer „Praxisferne“.
38 Exemplarisch: §8 JAG (NRW), §25 JAPO (Bayern), §14 JAVO (Nds.).
39 Ebenfalls ernüchternd der Bericht des Wissenschaftsrates, Drs. 2558-12, S. 22 (http://www. wissenschaftsrat.de/download/archiv/2558-12.pdf; zuletzt aufgerufen am 14.10.2013); positiver indes Stiel in: Beck’scher Referendarführer 2012/2013, München 2012, S. 96, 98. Dass die Reform ausschließlich „auf dem Papier“ geschehen werde, befürchteten etwa bereits Gilles/Fischer, in: NJW 2003, S. 711. Jung, in: JuS 2003, S. 1048 ff. rief auf, den „Gesetzgeber ernst“ zu nehmen. Zur Bedeutung solcher Schlüsselqualifikation auch Gräfin v. Schlieffen/Michaelis, in: JA 2003, S. 720 ff..
40 Haft, in: MDR 1980, 980.
41 Holling, Anwaltsstation Zivilrecht – Klausur, Vortrag, Kanzleipraxis, 1. Aufl., Köln 2011, S. 146; Petersen, Die mündliche Prüfung im ersten juristischen Staatsexamen, Berlin 2005, S. 19 ff.
42 Pabst-Weinschenk, Reden im Studium, 1. Aufl., Darmstadt, 2000, S. 66 ff; Edward. Juristische Dialektik, 2. Aufl., Zürich/St. Gallen 2008, S. 18 ff.
43 Schneider, in: MDR 1997, 625.
44 Seibert, Zur Fachsprache der Juristenausbildung, 1. Aufl., Berlin 1977, S. 154.
45 Griebel/Sabanogullari, Moot Courts, Eine Praxisanleitung für Teilnehmer und Veranstalter, Baden-Baden 2011 (50).; Hannemann/Dietlein, in: JuS 12/2012, S. L – LIV.
46 Dazu allgemein: Wetzel, in: JA 2000, 523 ff.; Nieschlag, in: JURA 1998, 671 ff.; Schroeter JuS 1996, 83 ff.; Wehlau, in: JZ 1992, 942 ff.; Bredt/Fricke/Garten/Kirchhof/Ohrtmann/Rollin, in: JuS 1995, 85 ff.; Zekoll, Praktische Jurisprudenz – Clinical Legal Education und Anwaltsorientierung im Studium, 1. Aufl., Hamburg 2011 S.52 ff.
47 Hannemann/Dietlein, in: JuS 12/2012, S. L – LIV.
48 Ebenda.
49 Naheres in Hannemann/Lampe, Theorie wird zur Praxis, in: Justament 2012, 16
50 Gräfin v.Schlieffen/Michaelis in: JA 2003, S. 722 ff.; Gräfin v.Schlieffen, in: JA 2013, S. 1 ff..