Können Sie sich zunächst kurz vorstellen?
Mein Name ist Dr. Jutta C. Möller und ich bin als Equity-Partnerin bei FPS seit 2019 tätig. Ich berate meine Mandanten im Vergaberecht. Auf dieses Rechtsgebiet bin ich über meine Mandate im privaten Baurecht und mein Interesse an dem Europarecht gestoßen. Meine ersten Berührungspunkte zu dem anwaltlichen Berufsleben hatte ich in Boston, Massachusetts. Dort habe ich einige Monate bei einer Rechtsanwältin in einer kleineren Einheit gearbeitet. So sehr mich dort auf der einen Seite die anwaltliche Beratung begeisterte, so klar war mir auf der anderen Seite, dass ich in einer Einheit tätig sein möchte, die einer mittelständischen Kanzlei entspricht. Dies birgt den Vorteil, größere Mandate akquirieren und im Team gemeinsam bearbeiten zu können und führt aus meiner Sicht zu besseren Ergebnissen als die Bearbeitung als „Einzelanwalt“. Auf der anderen Seite ist es bei uns immer noch möglich, nach dem Büro seinen Hobbys nachzugehen – ich spiele Tennis und gehe gerne ins Theater.
Womit müssen Jurist:innen an einem typischen Arbeitstag im Vergaberecht rechnen?
Im Grundsatz unterscheidet sich ein Arbeitstag im Vergaberecht nicht allzu sehr von einem Tag der Anwälte und Anwältinnen anderer Fachbereiche in einer Wirtschaftskanzlei: Wir stimmen uns intern im Team zu einzelnen Mandaten ab und nehmen an Videokonferenzen mit den Mandanten teil. Eine Besonderheit ist sicherlich das Erstellen der Vergabeunterlagen und die Vorbereitung von Bekanntmachungen.
Was hat Sie dazu bewogen, sich für eine Tätigkeit in diesem Rechtsgebiet zu entscheiden? In welchem Karrierestadium fiel die Entscheidung, anwaltlich in diesem Bereich tätig zu werden?
Ich war bereits als Rechtsanwältin im privaten Baurecht, insbesondere in der baubegleitenden Rechtsberatung tätig. In diesem Zusammenhang kamen im Austausch mit Mandanten immer wieder vergaberechtliche Themen zur Sprache. Da ich im öffentlichen Recht promoviert habe und mir das öffentliche Recht und Verwaltungsrecht sehr liegt, habe ich mich damals entschieden, auch im Vergaberecht zu beraten. Mittlerweile sind dies auch keinesfalls mehr nur Bauvergaben, sondern ebenso Liefer- und Dienstleistungsvergaben, national und europaweit.
Inwieweit sind Ihre Erwartungen an die praktische Arbeit im Vergaberecht erfüllt worden? Was waren Ihre größten Überraschungen?
Meine Erwartungen wurden mehr als erfüllt. Ich finde das Vergaberecht nach wie vor sehr spannend, insbesondere auch die europarechtliche Komponente. Ich habe mich mit dem Europarecht intensiv bereits in meinem Studium auseinandergesetzt und später während meiner Dissertation. Insoweit freue ich mich immer, dass ich hier an langjährige Kenntnisse „anknüpfen“ kann. Die größten Überraschungen sind in diesem Zusammenhang, wie wenig Juristinnen und Juristen aus anderen Fachbereichen sich mit europarechtlichen Richtlinien und Fragen auseinandersetzen.
Was sind Ihrer Meinung nach die spannendsten bzw. schwierigsten Herausforderungen in dem Rechtsgebiet?
Besonders spannend und schwierig sind die Herausforderungen, die das Vergaberecht für mich gleichzeitig so attraktiv machen: Die ständige und sehr schnelle Überarbeitung der auf nationaler Ebene geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen. Das Vergaberecht ist in Deutschland nicht in einem einzigen Gesetz geregelt, sondern in einer Reihe von Verordnungen und Erlassen des Bundes und der Länder sowie im GWB, dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Aus diesem Grunde muss man immer das gesamte Feld der Regelungen im Blick behalten.
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Welche Soft Skills sind für eine anwaltliche Tätigkeit im Vergaberecht vorteilhaft bzw. notwendig? Auf welche Anforderungen der Branche müssen sich Bewerber:innen hier einstellen?
Wie bei jeder anwaltlichen Beratung sind auch im Vergaberecht soziale Kompetenz und sehr gute Kommunikationsfähigkeiten ausschlaggebend. Unsere Aufgabe im Vergaberecht, gerade bei größeren Projekten, ist es, verschiedene Stakeholder, wie bspw. Mitarbeitende von öffentlichen Auftraggebern und Bietern sowie Personen aus der freien Wirtschaft, mit ihren unterschiedlichen Perspektiven und Meinungen an einen Tisch zu bringen und gemeinsam eine Lösung zu erarbeiten. Darüber hinaus muss jeder „Vergaberechtler“ in der Lage sein, sich in den Gegenstand der Beschaffung (Software, E-Linienbusse, Mobiliar für Krankenhäuser etc.) hineinzudenken und ein Grundverständnis für die zu beschaffenden Lieferungen und Leistungen aufzubringen.
Sie haben promoviert, inwieweit hilft Ihnen das dabei erworbene Wissen bei Ihrer anwaltlichen Tätigkeit? Würden Sie anderen Interessent:innen eine Promotion in diesem Bereich als Vorbereitung auf eine spätere praktische Tätigkeit empfehlen?
Ich kann allen Interessierten eine Promotion grundsätzlich empfehlen. Gerade im Vergaberecht, welches ich als sehr spannend und vielseitig empfinde, kann noch eine Vielzahl interessanter und aktueller Fragestellungen untersucht werden.
Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach die Erlangung des Fachanwaltstitels im Vergaberecht?
Gerade als Berufseinsteiger:in empfiehlt sich die Erlangung des Fachanwaltstitels. Da das Rechtsgebiet in der universitären Ausbildung doch häufig noch sehr kurz kommt, haben Associates so die Möglichkeit, noch einmal tiefer in die Materie des Vergaberechts einzusteigen und sich vertieftes Wissen anzueignen. Wir bei FPS ermutigen und unterstützen die jungen Kolleginnen und Kollegen hierbei vollumfänglich.
Welche sonstige Aus-/Weiterbildung in dem Rechtsgebiet würden Sie Junganwält:innen ans Herz legen?
Auch außerhalb der zu erbringenden Nachweise für den Fachanwaltstitel kann ich jedem/jeder Associate nur ans Herz legen, sich so umfangreich wie möglich fortzubilden. Jede Fortbildung und jeder juristische Meinungsaustausch im Vergaberecht wird immer dazu führen, das eigene Anwaltsprofil zu schärfen und den eigenen gesetzten Zielen der anwaltlichen Laufbahn ein Stück näherzukommen.
Welche Zukunftsaussichten sehen Sie für Berufseinsteiger:innen im Vergaberecht?
Ich sehe die Zukunftsaussichten für Berufseinsteiger:innen im Vergaberecht als äußerst positiv an. Das Rechtsgebiet ist sehr dynamisch und wird auch in Zukunft neuen Kolleg:innen ein sehr vielfältiges und abwechslungsreiches Beratungsumfeld bieten. Ich blicke diesbezüglich sehr positiv in die Zukunft.
Welchen Ratschlag würden Sie an diesem Rechtsgebiet interessierten Nachwuchsjurist:innen mit auf den Weg geben?
Wenn Sie sich für das Öffentliche Recht sowie das Europarecht interessieren, werfen Sie nach Möglichkeit auch einen Blick in das Vergaberecht. Leider kommt die Mehrheit der angehenden Jurist:innen trotz der sehr umfangreichen Ausbildung mit der Spezialmaterie „Vergaberecht“ oft gar nicht in Berührung. Daher lohnt sich ein Praktikum oder eine Station im Rahmen des Referendariats hier aus meiner Sicht ganz besonders.
Vielen Dank für Ihre Zeit und das Interview, Frau Dr. Möller!
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