Womit müssen Jurist:innen an einem typischen Arbeitstag in diesem Rechtsgebiet rechnen?
Jurist:innen, die im Bereich Prozessführung und Schiedsverfahren tätig sind, haben an einem typischen Arbeitstag eine Vielzahl von Aufgaben zu bewältigen. Dazu gehört in der Regel die gründliche Aufarbeitung von Sachverhalten. Das bedeutet, dass sie sich intensiv mit den Fakten des Falles auseinandersetzen müssen, um sämtliche relevanten Informationen zu erfassen und zu verstehen. Darüber hinaus müssen sie sich oft in spezielle Themen und Branchen einarbeiten, die mit dem jeweiligen Rechtsstreit verbunden sind. Das kann bedeuten, dass sie sich mit komplexen rechtlichen und technischen Aspekten vertraut machen müssen, um das Mandat bearbeiten zu können. Ein weiterer wichtiger Teil ihrer Arbeit besteht darin, an Schriftsätzen zu arbeiten. Das beinhaltet nicht nur die Ausarbeitung der relevanten rechtlichen Argumente, sondern auch die Strukturierung des Schriftsatzes. Ein gut durchdachter und präziser Schriftsatz ist entscheidend für den Erfolg vor Gericht und/oder dem Schiedsgericht. Aus diesem Grund müssen Jurist:innen auch viel Zeit darauf verwenden, sprachlich zu feilen. Die Formulierung der rechtlichen Argumente und die Wahl der „richtigen“ Worte können einen erheblichen Einfluss auf die Überzeugungskraft des Schriftsatzes haben. Daher ist es wichtig, dass sie ihre Argumentation sorgfältig durchdenken und sich sprachlich präzise ausdrücken. Schließlich müssen sie sich auch auf Gerichtstermine vorbereiten. Das umfasst nicht nur, die Akten durchzuarbeiten, sondern vor allem auch, eine Strategie für die Verhandlung zu erarbeiten sowie sich auf Argumenten der Gegenseite vorzubereiten.
Insgesamt erfordert die Arbeit im Bereich Prozessführung daher ein hohes Maß an Analysefähigkeit, juristischem Fachwissen, sprachlichem Geschick und strategischem Denken. Wer an diesen Themen Interesse – oder sogar Spaß hat –, ist in dem Bereich meines Erachtens absolut richtig aufgehoben und wird darin aufgehen.
Was hat Sie dazu bewogen, sich für eine Tätigkeit im Zivilprozessrecht zu entscheiden? In welchem Karrierestadium fiel die Entscheidung, anwaltlich in diesem Bereich tätig zu werden?
Meine Entscheidung, im Bereich Prozessführung und Schiedsverfahren als Rechtsanwältin tätig zu werden, wurde maßgeblich durch den Willem C. Vis Moot Court beeinflusst. Dabei handelt es sich um einen Moot Court im internationalen Wirtschaftsrecht (insbesondere dem UN-Kaufrecht und dem internationalen Schiedsverfahrensrecht). An diesem Moot Court habe ich während meines Studiums für die Universität zu Köln teilgenommen. Diese Erfahrung hat mein Interesse an diesem Bereich geweckt und mich dazu motiviert, mich intensiver damit auseinanderzusetzen. Besonders spannend fand ich dabei die Möglichkeit, schon früh in meiner juristischen Laufbahn als „Counsel“ vor einem fiktiven Schiedsgericht zu agieren.
Nach meinem Studium entschied ich mich für eine Promotion im Bereich des internationalen Schiedsverfahrensrechts. Man sieht, es hat mich nie wieder losgelassen. So geht es vielen ehemaligen „Mooties“. Während meiner Wahlstation im Referendariat konnte ich zudem praktische Erfahrungen sammeln, die mir zeigten, dass mir die Arbeit in diesem Bereich tatsächlich viel Freude bereiten wird.
Inwieweit sind Ihre Erwartungen an die praktische Arbeit in dem Rechtsgebiet erfüllt worden? Was waren Ihre größten Überraschungen?
Meine Erwartungen an die praktische Arbeit haben sich bestätigt, insbesondere was die Bedeutung strategischer Beratung angeht und den Spaß, vor Gericht zu stehen. Eine meiner größten Überraschungen war, in welche technisch hochkomplexen Fragestellungen sich Jurist:innen einarbeiten müssen und können. Von Rohrleitungen über Autos – die Bandbreite an Themen ist enorm. Es hat mich überrascht, wie vielfältig und interdisziplinär die Arbeit als Jurist:in sein kann und wie wichtig es ist, mit Kolleg:innen aus verschiedenen Fachgebieten gut zusammenarbeiten zu können.
Was sind Ihrer Meinung nach die spannendsten bzw. schwierigsten Herausforderungen in diesem Rechtsgebiet?
In der Prozessführung gibt es meiner Meinung nach einige besonders spannende und herausfordernde Aspekte. Es besteht das klassische Dilemma zwischen „Recht haben“ und „Recht bekommen“. Selbst wenn man im Recht ist, ist es eine Herausforderung, dies vor Gericht auch durchzusetzen. Da ist das Thema Beweisbarkeit zentral. Darüber hinaus ist die Auswahl der richtigen Strategie ein wesentlicher Bestandteil der Arbeit in meinem Bereich. Es gilt, die Ziele der Mandanten effektiv zu verfolgen und dabei die rechtlichen, wirtschaftlichen und taktischen Aspekte zu berücksichtigen. Die Fähigkeit, flexibel auf die Entwicklungen im Verfahren zu reagieren und die Strategie gegebenenfalls anzupassen, ist entscheidend für den Erfolg.
Welche Soft Skills sind für eine anwaltliche Tätigkeit im Zivilprozessrecht vorteilhaft bzw. notwendig? Auf welche Anforderungen der Branche müssen sich Bewerber:innen hier einstellen?
Für eine anwaltliche Tätigkeit in dem Bereich sind Verhandlungsgeschick, strategisches Denken und klare Kommunikation gegenüber Gericht, Mandanten und Kollegen auf der Gegenseite wichtig.
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Sie haben in dem Rechtsgebiet promoviert – inwieweit hilft Ihnen das dabei erworbene Wissen bei Ihrer anwaltlichen Tätigkeit? Würden Sie anderen Interessent:innen eine Promotion in diesem Bereich als Vorbereitung auf eine spätere praktische Tätigkeit empfehlen?
Das während meiner Promotion im internationalen Schiedsverfahren erlangte Wissen ist äußerst hilfreich für meine anwaltliche Tätigkeit. Ohne dieses „Hintergrundwissen“ hätte ich einen deutlich längeren Einarbeitungsprozess gehabt. Aufgrund meiner Erfahrungen würde ich anderen Interessent:innen eine Promotion in diesem Bereich als Vorbereitung auf eine spätere praktische Tätigkeit empfehlen, da es einen wertvollen Vorsprung bietet und den
Einstieg erleichtert.
Welche Aus-/Weiterbildung in dem Rechtsgebiet würden Sie Junganwält:innen ans Herz legen?
Das Referendariat bietet meines Erachtens bereits eine hervorragende Grundlage für eine Tätigkeit im Bereich Prozessführung. Sofern man nicht während des Studiums an dem Willem C. Vis Moot Court teilnimmt, kommt man typischerweise kaum mit dem Thema Schiedsverfahren während des Studiums in Berührung. Es gibt aber an einigen Universitäten spezielle Programme, die man z. B. parallel zum Berufseinstieg belegen kann. Diese Programme bieten eine vertiefte Ausbildung in den spezifischen Abläufen und Herausforderungen von Schiedsverfahren und können eine wertvolle Ergänzung zur praktischen Tätigkeit als Anwält:in sein.
Welche Zukunftsaussichten sehen Sie für Berufseinsteiger:innen im Zivilprozessrecht?
Die Zukunftsaussichten für Berufseinsteiger:innen im Zivilprozessrecht? Nun, sie sind so vielversprechend wie ein spannendes Gerichtsdrama: voller unerwarteter Wendungen sowie herausfordernder Konflikte mit einem hoffentlich triumphalen Finale!
Welchen Ratschlag würden Sie an diesem Rechtsgebiet interessierten Nachwuchsjurist:innen mit auf den Weg geben?
Taucht tief in die Materie ein, seid offen für neue Perspektiven und lasst euch von Herausforderungen nicht entmutigen. In einem Bereich, der oft von Komplexität geprägt ist, ist es wichtig, flexibel zu bleiben und ständig dazuzulernen. Und denkt daran, dass selbst in den härtesten Verhandlungen ein respektvoller Umgang miteinander immer von Vorteil ist.
Vielen Dank für das Interview und die Zeit, Frau Dr. Lock!
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