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Journal / Allgemein

Aktives Lernen – Interview mit Jurafuchs (Teil 1)

Christian Leupold-Wendling und Wendelin Neubert sind Gründer von Jurafuchs, einer Lern-App, die zahlreiche Lerneinheiten für angehende Juristen rund um das relevante Prüfungswissen zur Verfügung stellt. Wir haben ihnen Fragen bezüglich des Konzepts und der Inhalte ihrer Lernplattform gestellt.
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Jura lernt man nicht an einem Tag. Je länger man konsequent Jura lernt, desto mehr verfestigt sich das Wissen.

Interview mit Jurafuchs-Gründern Christian Leupold-Wendling und Wendelin Neubert

Dr. Wendelin Neubert hat Jura in Freiburg und Genf studiert und in Freiburg am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht promoviert. Nach dem Referendariat in Berlin war er knapp vier Jahre als Rechtsanwalt bei Noerr am dortigen Standort tätig. Seit 2018 ist er Chefredakteur von Jurafuchs.

Christian Leupold-Wendling, LL.M. (Cambridge) hat Jura in Freiburg, Aix-en-Provence und Cambridge studiert. Nach dem Referendariat war er drei Jahre lang Rechtsanwalt bei Hengeler Mueller in Berlin. Seit 2018 ist er Geschäftsführer von Jurafuchs.

Allgemeines

iurratio: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Jurafuchs zu entwicklen?

Jurafuchs: Wir sind drei Gründer: Christian Leupold-Wendling, Wendelin Neubert und Steffen Schebesta. Zwei von uns – Christian und Wendelin – haben zusammen in Freiburg Jura studiert. Wir haben die ganze Studienzeit zusammen verbracht und gemeinsam in Freiburg Examen gemacht. Wir haben dabei – wie viele Studierende – die hohen Anforderungen und den immensen Druck der Examensvorbereitung erlebt. Wir haben kommerzielles Repetitorium, Uni-Rep und Klausurenkurse besucht sowie Karteikarten, Lernzettel, Mindmaps und Lerngruppen ausprobiert – und waren mit den einzelnen Ansätzen und Lernmitteln nie 100 Prozent zufrieden. Im Referendariat und in der Vorbereitung aufs Zweite Staatsexamen haben uns diese Herausforderungen erneut begleitet – vielleicht noch verschärft dadurch, dass die Lernzeit kürzer ist und man sich viel stärker aufs Wesentliche sowie das juristische Handwerkszeug konzentrieren muss.

Nach Abschluss unserer juristischen Ausbildung waren wir überzeugt: Am besten würde man Jura lernen können mit einer digitalen Lernplattform, auf der angehenden Juristen* sich das gesamte juristische Fachwissen erarbeiten mit interaktiven Aufgaben, auf höchstem juristischem Niveau, fallbasiert und in kleinen Lerneinheiten, und im Austausch mit ihren Peers. Eine solche Lernplattform würde Lösungen für grundlegende Herausforderungen bereithalten, an denen viele Studierende und Referendare verzweifeln: dass abstraktes Wissen sich nur mühsam erlernen und nur schwer in die juristische Falllösung integrieren lässt; dass man Erlerntes auch auf unbekannte Fallkonstellationen anwenden können muss; dass Verständnisfragen oft unbeantwortet bleiben; dass die eigenen Lerninhalte vollständig und aktuell sein müssen; dass konsequentes Lernen über lange Zeiträume oft an Motivationstiefs scheitert; dass man seine wertvolle Lernzeit effektiv nutzen will.

Nachdem wir mehrere Jahre lang Erfahrungen als Anwälte in Großkanzleien sammeln konnten, haben wir uns entschieden, diese Vision in die Tat umzusetzen: 2018 haben wir Jurafuchs gegründet – zusammen mit unserem Freund Steffen, der selbst ein erfolgreiches Software-as-a-Service Unternehmen aufgebaut hat (newsletter2go, heute Teil von sendinblue). Dazu konnten wir noch Thomas Holl gewinnen, Mit-Gründer und CTO der Sprachlernapp Babbel, der uns von Anfang an als strategischer Berater begleitet.

iurratio: Wie viel kostet ein Jurafuchs-Abonnement und was ist darin erhalten?

Jurafuchs: Unsere App ist kostenpflichtig. Das liegt daran, dass wir unsere juristischen Lerninhalte zu 100% nach höchsten juristischen und didaktischen Maßstäben selbst erstellen und die Jurafuchs App zu 100% selbst entwickeln und fortentwickeln. Alles, was wir mit unseren Abos einnehmen, investieren wir direkt in die Fortentwicklung der App und den Ausbau der Fachinhalte.

Die Jurafuchs App kostet im Jahres-Abonnement 71,99 € – das sind sechs Euro pro Monat. Die App enthält interaktive juristische Fachinhalte aus allen studien- und examensrelevanten Rechtsgebieten. Dahinter verbergen sich tausende kurze Fälle mit einprägsamen Illustrationen, Lückentext- und Gruppierungsaufgaben, Schemata, Definitionen und Wissensfragen. Insgesamt bietet Jurafuchs seinen Nutzern über 30.000 Fragen – und jeden Monat kommen 1000 neue Fragen hinzu.

Ein Markenkern von Jurafuchs ist die Aufbereitung aktueller examensrelevanter Rechtsprechung fürs Erste und Zweite Staatsexamen: Jeden Montag und jeden Freitag veröffentlichen wir eine neue Entscheidung in der App, die wir examensgerecht aufbereitet haben. In den letzten zweieinhalb Jahren kamen über 60 dieser von uns ausgesuchten Entscheidungen in Klausuren im Ersten und Zweiten Staatsexamen dran. Es gibt übrigens auch ein Monatsabo, das kostet € 12,99. Und es ist möglich, die App sieben Tage kostenlos zu testen.

Das Konzept

iurratio: Was ist die Lernmethode, die hinter der Jurafuchs-App steckt?

Jurafuchs: Unsere Lernplattform kombiniert eine Falldidaktik, maßgeschneiderte digitale Lerninhalte, aufeinander aufbauende Lerneinheiten und eine interaktive Lernumgebung – und bringt so die Vorteile der Digitalisierung und Erkenntnisse der Lernpsychologie zum Einsatz:

Alle Lerninhalte, die von der Jurafuchs-Redaktion eigens für die App entwickelt werden, verlangen von den Nutzern eine Interaktion. Dadurch werden Inhalte nicht bloß konsumiert, sondern aktiv erarbeitet. Dies fördert die Aufmerksamkeit, macht die Lerneinheit effektiver und führt zu einer Verstetigung des Gelernten. Zugleich macht aktives Lernen schlicht mehr Spaß – was wiederum zur nachhaltigen Lernerfahrung beiträgt.

Jurafuchs-Lerneinheiten beginnen mit leichten Aufgaben und steigern den Schwierigkeitsgrad dann schnell. Dies ermöglicht einen guten Einstieg in eine Lerneinheit, wird aber gleichzeitig dem hohen Examensniveau gerecht. Dabei dokumentiert die App Lernerfolge in kurzen Abständen, z.B. durch sofortiges Feedback nach jeder Aufgabe, kleine Animationen und Achievements, um die Nutzer zu belohnen und zum Weiterlernen zu motivieren. Nutzer können für ihre Interaktionen Punkte sammeln, die in Ranglisten angezeigt werden, und sich in Gruppen mit anderen Nutzern zusammenschließen. Die Lerninhalte sind maßgeschneidert für das digitale Format: Alle Einheiten einer Aufgabe – Sachverhalt, interaktive Aufgabentexte sowie die inhaltlichen Erläuterungen – unterliegen strengen Zeichenbegrenzungen. So wird ein konzentriertes und zeiteffizientes Lernen möglich.

Die Motivation wird gezielt gefördert durch Gamification-Metriken, die aus Sport-Apps und Videospielen bekannt sind; dazu gehören sogenannte „Streaks“, die die Dauer der ununterbrochenen Nutzung der App dokumentieren und die die Nutzer nicht verlieren wollen – und so zur täglichen Nutzung mit der Jurafuchs-App animiert werden. Die Nutzerin mit dem (bislang) längsten Atem hat bereits einen Streak von 1.380 Tagen – das sind über sieben Semester tägliches Lernen mit der Jurafuchs App.

Diese vielfältige Unterstützung der Lernhistorie durch lernpsychologisch erprobte Metriken und erfolgreiche digitale Tools dient einem Ziel: Dem nachhaltigen, langfristigen, kontinuierlichen Lernen. Denn das führt in der langen juristischen Ausbildung am Ende zum Erfolg. Dieses didaktische Erfolgsmodell ist bekannt von den Sprachlernapps Babbel und Duolingo und wird von Jurafuchs auf die Vermittlung juristischer Fachinhalte übersetzt.

Jurafuchs-Gründer
Christian Leupold-Wendling, LL.M. (v.r.)
und Dr. Wendelin Neubert

Aktives Lernen - Interview mit Jurafuchs (Teil 2)

iurratio: An welche Zielgruppe richtet sich Jurafuchs? Ist es bereits für Studienanfänger geeignet? Können sich auch Referendare damit auf ihr zweites Staatsexamen vorbereiten? Gibt es unterschiedliche Schwierigkeitsgrade?

Jurafuchs: Jurafuchs richtet sich an Jurastudierende und Rechtsreferendare. Die Jurafuchs-Lerninhalte unterstützen Studenten und Referendare in allen Ausbildungsphasen. Unsere Inhalte fangen in der Regel mit einem einfachen Schwierigkeitsgrad an und steigern sich dann schnell. Auf diese Weise können Studienanfänger gut in ein Rechtsgebiet einsteigen, werden aber zugleich dazu animiert, immer tiefer in ein Rechtsgebiet einzutauchen und schon frühzeitig grundlegende Rechtskenntnisse zu erwerben. Fortgeschrittene und Examenskandidaten können in den einfachen Aufgaben ihr Wissen auffrischen oder gleich in die schwierigeren Lerneinheiten vorstoßen.

Ausdrücklich für Examenskandidaten und Referendare konzipiert ist die aktuelle Rechtsprechung in der Jurafuchs-App. Hier werden aktuelle Gerichtsentscheidungen auf Examensniveau aufbereitet, und zwar in Form einer ausführlichen Falllösung, die sich stark an einem Klausuraufbau für die jeweilige Entscheidung orientiert. Die Jurafuchs-Redaktion wählt die Entscheidungen nach Aktualität und Examensrelevanz aus und ist dabei sehr erfolgreich – in den letzten zweieinhalb Jahren waren über 60 bestätigte Examenstreffer dabei. Zudem gibt es eigene Kurse fürs Assessorexamen, die für unsere Referendare die spezifischen Anforderungen des Zweiten Staatsexamens abdecken. Auch diese Kurse entwickeln wir mit einem Team von Volljuristen konsequent fort. In der Idealform ist Jurafuchs ein ständiger Begleiter angehender Juristen vom ersten Semester bis zum Abschluss des Zweiten Staatsexamens. Jura lernt man nicht an einem Tag. Je länger man konsequent Jura lernt – gerade auch in kleinen, wiederkehrenden Einheiten – desto stärker verfestigen sich Wissen und Verständnis.

Die Lerninhalte

iurratio: Welche unterschiedlichen Lernangebote gibt es in der Jurafuchs-App? Vermittelt Jurafuchs ausschließlich abstraktes Wissen oder lernt man z.B. auch anhand von Fällen?

Jurafuchs: Wir verfolgen in unserer App einen fallbasierten Lernansatz. Die überwiegende Anzahl der Jurafuchs-Lerninhalte sind Fälle. Die Fälle in den systematischen Kursen von Jurafuchs – BGB AT, Grundrechte, Strafprozessrecht usw. – zielen darauf ab, in kleinen Einheiten ganze Rechtsgebiete zu erschließen. Eine Lerneinheit beginnt häufig mit einem Grundfall, der sich eng an der jeweiligen Norm orientiert und den Prüfungsmaßstab einführt. Daran schließt sich eine Reihe weiterer Fälle zum gleichen Rechtsproblem an, in denen der Maßstab der gleiche bleibt, aber in denen der Sachverhalt immer wieder so abgewandelt wird, dass das Rechtsproblem und die maßgeblichen Vorschriften gleichsam zum Leben erweckt werden. Es geht vom unproblematischen Grundfall über die erste, zweite oder dritte Abwandlung hin zu den pathologischen Fällen. Auf diese Weise werden die Rechtsprobleme in die kleinsten denkbaren Scheiben zerschnitten, um sie Scheibe für Scheibe zu vermitteln (sog. Micro-Learning). Statt Inselwissen entsteht so ein grundlegendes, nuanciertes Verständnis eines Rechtsproblems. Die aktuelle examensrelevante Rechtsprechung wird ausschließlich in Form von längeren Fällen dargestellt und so aufbereitet, wie der Fall in einer Examensklausur zu lösen wäre.

Verstärkt werden die Jurafuchs-Fälle durch weitere Lernmodule wie Multiple-Choice-Aufgaben und Paar-Aufgaben; Reihenfolge-Aufgaben für das Lernen von Prüfungsschemata; Lückentext-Aufgaben für das Lernen von Definitionen; sowie Kategorisierungs-Aufgaben, in denen einzelne Rechtsbegriffe oder Normen einer von mehreren übergeordneten Kategorien zugeordnet werden müssen. Diese verschiedenen Lernmodule werden mit den Fällen sowie untereinander kombiniert und verschränkt, um abstraktes Wissen zu vermitteln, in den Fällen Gelerntes zu wiederholen und zu vertiefen, neue Lernimpulse zu setzen und die Lernerfahrung abwechslungsreicher zu gestalten.

Die Vermittlung der Fachinhalte – sowohl in den Fällen als auch in den übrigen Lernmodulen – erfolgt mithilfe von strukturierten Erläuterungstexten. Die Grundlage der juristischen Arbeit bildet der jeweilige (gesetzliche) Maßstab und – im Fall – die darauf basierende Subsumtion. Die klare Trennung von Maßstab und Subsumtion bereitet unserer Erfahrung nach selbst vielen Referendaren noch Schwierigkeiten. Die Erläuterungstexte in den meisten Jurafuchs-Aufgaben heben Maßstab und Subsumtion getrennt voneinander hervor, um diese Grundregel im täglichen Gebrauch der Jurafuchs-App zu internalisieren. Ergänzt werden Maßstab und Subsumtion durch Vertiefungshinweise, die wichtige weiterführende Informationen zum Rechtsproblem über den Fall hinaus vermitteln. Hinzu treten schließlich Klausurhinweise, die spezifische Herausforderungen in der Klausurpraxis adressieren.

Die Jurafuchs-Lerninhalte bestehen aus Texten, aber dort hört die Lernerfahrung nicht auf: Jurafuchs-Fälle sind versehen mit professionellen Illustrationen. Sie dienen dazu, den Sachverhalt zu erläutern, Rechtsprobleme zu visualisieren und einen emotionalen Bezug zum Fall herzustellen. Die Illustrationen sprechen andere Sinne an als die reinen Textaufgaben, haben Wiedererkennungswert und ermöglichen so den Zugang zu den Lerninhalten auf einer weiteren Ebene. Darüber hinaus vermitteln wir komplexe juristische Fachdiskussionen rund um aktuelle Gerichtsentscheidungen in unserem Podcast „Spruchreif“, der auch in der Jurafuchs-App eingebunden ist.

*Anm. d. Red.: Wir verwenden das generische Maskulinum; es sind alle Geschlechter gemeint.

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