Können Sie sich zunächst kurz vorstellen?
Mein Name ist Inara Zarmann. Ich bin Rechtsanwältin und Fachanwältin für Insolvenz- und Sanierungsrecht. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum mit Auslandsaufenthalten in Budapest und Brüssel absolvierte ich das Referendariat am Landgericht Wuppertal mit Stationen bei einer insolvenzrechtlich ausgerichteten Rechtsanwaltskanzlei in Wuppertal und dem Generalkonsulat in Houston (USA). In meiner Freizeit liebe ich es, zu kochen und mich bekochen zu lassen. Ich experimentiere gerne mit neuen Rezepten und probiere verschiedene internationale Küchen aus. Zu den besten Küchen gehört für mich die aserbaidschanische Küche.
Womit müssen Jurist:innen an einem typischen Arbeitstag im Insolvenz- und Sanierungsrecht rechnen? Wie würden Sie den Bereich beschreiben?
Es gibt nicht den typischen Arbeitstag im Insolvenz- und Sanierungsrecht – und das ist genau das, was ich so sehr schätze. Zu meinen Aufgaben gehören die außergerichtliche sowie gerichtliche Abwehr/Durchsetzung von Insolvenzanfechtungsansprüchen und Haftungsansprüchen, die Beratung von Gläubigern insolventer Unternehmen, Begleitung bei der Eigenverwaltung, Beratung von Geschäftsleitern zu Antragspflichten und Haftungsrisiken, Schuldnerberatung. Erstellung von Schriftsätzen, Wahrnehmung von Gerichtsterminen, Verhandlung mit Gläubigern oder sonstigen Stakeholdern – jeder Tag ist anders und erfordert ein gewisses Maß an Flexibilität.
Was hat Sie dazu bewogen, sich für eine Tätigkeit im Insolvenz- und Sanierungsrecht zu entscheiden? In welchem Karrierestadium fiel die Entscheidung, anwaltlich in diesem Bereich tätig zu werden?
Die Entscheidung, mich auf das Insolvenz- und Sanierungsrecht zu spezialisieren, fiel im Jahr 2020. Meine anwaltliche Tätigkeit begann ich im Jahr 2018 im Bereich Prozessführung und so konnte ich wertvolle Prozesserfahrung sammeln. Doch nach zwei Jahren verspürte ich den Wunsch, mich neuen Herausforderungen zu stellen. Im Jahr 2020, als die Corona-Pandemie ausbrach und viele Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten brachte, wurde schnell klar, dass das Insolvenz- und Sanierungsrecht in dieser und nächsten Zeit eine besonders wichtige Rolle spielen würde.
Bereits in meiner Anwaltsstation hatte ich Einblicke in das Insolvenzrecht erhalten. Schon damals hatte mir sehr gut gefallen, dass das Insolvenzrecht nicht nur rechtliche Expertise, sondern auch wirtschaftliches Verständnis erfordert. Dies bewog mich dazu, mich auf das Insolvenz- und Sanierungsrecht zu spezialisieren. Heute kann ich sagen, dass dies eine der besten Entscheidungen war. Die Erfahrungen, die ich seitdem in diesem Bereich gemacht habe, haben mich beruflich und persönlich bereichert.
Inwieweit sind Ihre Erwartungen an die praktische Arbeit im Insolvenz- und Sanierungsrecht erfüllt worden? Was waren Ihre größten Überraschungen?
Ich hatte erwartet, dass die Aufgaben sehr vielfältig sein würden, und wurde nicht enttäuscht.
Zu den größte Überraschungen zählt die emotionale Komponente: Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten sind oft in einer existenziellen Krise, und die Entscheidungen, die getroffen werden müssen, haben weitreichende Auswirkungen auf viele Menschen – von den Geschäftsleitern über die Mitarbeiter bis hin zu den Gläubigern. Die Fähigkeit, in solchen Momenten nicht nur als juristische Berater, sondern auch als emotionaler Unterstützer zu agieren, hat eine größere Rolle gespielt, als ich ursprünglich erwartet hatte.
Eine weitere Überraschung war der Umfang der interdisziplinären Zusammenarbeit. Neben der rechtlichen Beratung ist es oft notwendig, eng mit Finanzexperten zusammenzuarbeiten. Diese Zusammenarbeit hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, über den juristischen Horizont hinauszublicken.
Was sind Ihrer Meinung nach die aktuell spannendsten Fragen und die schwierigsten Herausforderungen im Insolvenz- und Sanierungsrecht?
Das Insolvenzrecht ist ein Rechtsgebiet, das sich ständig weiterentwickelt, sei es durch Gesetzesänderungen, neue Gerichtsurteile oder wirtschaftliche Entwicklungen. Es ist entscheidend, dass man sich kontinuierlich fortbildet und auf dem Laufenden bleibt, um die Mandanten bestmöglich beraten zu können.
Aktuell spannend ist die Rechtsfolgenregelung in § 15b IV 2 InsO, die viele Fragen aufgeworfen hat. Konkret geht es um den Umfang der Ersatzpflicht der Geschäftsleiter, wenn diese nach dem Eintritt der Insolvenzreife statt einen Eröffnungsantrag zu stellen weiterhin Zahlungen vornehmen. Der Umfang der Ersatzpflicht war auch Gegenstand meiner Masterarbeit.
Welche Soft Skills sind für eine anwaltliche Tätigkeit im Insolvenz- und Sanierungsrecht vorteilhaft bzw. notwendig? Auf welche Anforderungen der Branche müssen sich Bewerber:innen hier einstellen?
Insolvenz- und Sanierungsverfahren betreffen oft Menschen und Unternehmen in existenziellen Krisen. Es ist wichtig, empathisch auf die Sorgen und Ängste der Mandanten einzugehen und gleichzeitig in der Lage zu sein, komplexe juristische Sachverhalte verständlich zu erklären. Klare Kommunikation ist entscheidend, um Vertrauen aufzubauen und gemeinsam Lösungen zu finden.
Verhandlungen sind ein zentraler Bestandteil des Insolvenz- und Sanierungsrechts, sei es mit Gläubigern oder anderen Stakeholdern. Ein gutes Verhandlungsgeschick und Durchsetzungsvermögen sind klar von Vorteil.
Erwarten Sie bei Hoffmann Liebs von Anfang an eine starke Spezialisierung im Insolvenzrecht oder findet hier auch ein „training on the job“ im Sinne eines Heranführens von kleinen zu großen Aufgaben und an die Besonderheiten des Gebiets statt?
Bei Hoffmann Liebs wird das Prinzip learning by doing gelebt. Beim Einstieg in die Kanzlei übernehmen Berufseinsteiger zunächst kleinere Aufgaben, die es ihnen ermöglichen, sich mit den Grundlagen des Insolvenz- und Sanierungsrechts vertraut zu machen. Dabei erhalten Sie die Gelegenheit, unter Anleitung erfahrener Kollegen praktische Erfahrungen zu sammeln und ihr Wissen kontinuierlich zu vertiefen.
Im Laufe der Zeit und mit wachsender Erfahrung werden ihnen zunehmend größere und komplexere Fälle anvertraut. So können sich Berufseinsteiger in das Rechtsgebiet einarbeiten und gleichzeitig Expertise aufbauen, um anspruchsvolle Aufgaben eigenständig zu bearbeiten.
Bei HL wird großer Wert auf fachliche Weiterentwicklung gelegt und die Spezialisierung im Insolvenz- und Sanierungsrecht beispielsweise durch die Erlangung des Fachanwaltstitels gefördert.
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Sie sind Fachanwältin für Insolvenz- und Sanierungsrecht. Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach die Erlangung dieses Fachanwaltstitels für die Tätigkeit in diesem Bereich?
Die Erlangung des Titels erfordert nicht nur den Nachweis besonderer theoretischer Kenntnisse und Fortbildungen, sondern auch den Nachweis einer erheblichen Anzahl von bearbeiteten Fällen im Bereich des Insolvenz- und Sanierungsrechts. Der Fachanwaltstitel signalisiert, dass ein Rechtsanwalt nicht nur über theoretische Kenntnisse, sondern auch praktische Erfahrungen verfügt, um Mandanten bestmöglich beraten zu können.
In der täglichen Praxis hilft der Fachanwaltstitel dabei, das Know-how nach außen sichtbar zu machen. So wissen die Mandanten, dass sie den richtigen Experten an ihrer Seite haben. Wenn man Knieschmerzen hat, geht man nicht zum Zahnarzt. Genauso ist es, wenn man ein insolvenzrechtliches Problem hat.
Die ständige Fortbildungspflicht, die mit dem Fachanwaltstitel einhergeht, stellt zudem sicher, dass man stets auf dem neuesten Stand der Rechtsprechung und Gesetzgebung bleibt, was in einem dynamischen Bereich wie dem Insolvenz- und Sanierungsrecht essenziell ist.
Welche sonstige Aus-/Weiterbildung im Insolvenz- und Sanierungsrecht würden Sie Junganwält:innen ans Herz legen?
Ich selbst habe berufsbegleitend den Masterstudiengang Wirtschaftsrecht (LL.M.) absolviert und kann Junganwält:innen ein LL.M.-Programm ans Herz legen. Ein LL.M. im Wirtschaftsrecht oder Insolvenzrecht vermittelt nicht nur juristische Fachkenntnisse, sondern auch ein umfassendes Verständnis für wirtschaftliche und unternehmerische Zusammenhänge.
Ein LL.M.-Studium bietet aber nicht nur fachliche Weiterbildung, sondern auch die Möglichkeit, wertvolle Kontakte zu knüpfen. Der Austausch mit Kommilitonen, Professoren und Praktikern kann langfristig zu einem wichtigen beruflichen Netzwerk werden.
Welche Zukunftsaussichten sehen Sie für Berufseinsteiger:innen im Insolvenz- und Sanierungsrecht?
Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen, aber auch der Verbraucherinsolvenzen ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Deshalb steigt auch die Nachfrage nach Beratern, die Unternehmen durch Krisen navigieren. Dies bietet Berufseinsteigern eine stabile berufliche Perspektive.
Welchen Ratschlag würden Sie am Insolvenz- und Sanierungsrecht interessierten Nachwuchsjurist:innen mit auf den Weg geben?
Praktische Erfahrung zu sammeln, ist das A und O: Theorie ist wichtig, aber nichts ersetzt die praktische Erfahrung. Mein Tipp ist es, Praktika oder Referendariatsstationen bei Kanzleien zu absolvieren und sich nicht davor scheuen, Fragen zu stellen.
Nicht weniger wichtig ist das Netzwerken: Kontakte zu Praktikern im Insolvenzrecht zu knüpfen oder einen Mentor zu suchen, ist goldwert. Ein Mentor kann wertvolle Ratschläge geben und in der beruflichen Entwicklung unterstützen.
Vielen Dank für das Interview und die Zeit, Frau Zarmann!
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