Karrierewege nach dem 1. Staatsexamen
Trotz intensiven Lernens kann es passieren: Das 2. Staatsexamen wird nicht bestanden. Auch wenn bereits ein erfolgreiches Studium, das 1. Staatsexamen und das Referendariat absolviert wurden – manchmal endet der Weg früher als geplant.
Doch auch unabhängig vom Ausgang der Prüfung entscheiden sich manche Jurist:innen bewusst dafür, nach dem 1. Staatsexamen neue Wege zu gehen. Welche beruflichen Optionen sich dann eröffnen, zeigen wir hier.
Grundsatzentscheidung: Juristisch bleiben oder neu orientieren?
Zunächst steht die Frage im Raum: Will ich im juristischen Bereich bleiben oder mich komplett umorientieren?
Wer merkt, dass Jura generell nicht die richtige Wahl war – etwa wegen fehlender Motivation oder Interessenverschiebung – wird sich leichter von diesem Karrierepfad lösen.
Gleichzeitig gilt es, die investierte Zeit und Mühe realistisch zu betrachten. Ein kompletter Neustart bedeutet oft, die vergangenen Jahre in einem anderen Licht zu sehen. Doch auch mit dem 1. Staatsexamen – dem Abschluss als Diplomjurist:in – gibt es zahlreiche Möglichkeiten.
Berufseinstieg mit dem 1. Staatsexamen
1. Tätigkeiten in Kanzleien
Eine klassische Anwaltslaufbahn ist mit nur einem Staatsexamen nicht möglich. Dennoch können Kanzleien interessante Einsatzfelder bieten, z. B. als:
- Juristische Sachbearbeitung (z. B. Recherchen, Antragstellungen, Schreiben von Schriftsätzen)
- Paralegal (häufig in internationalen Kanzleien – ein spezialisierter juristischer Support)
2. Öffentlicher Dienst
Im gehobenen Dienst finden Diplomjurist:innen Beschäftigung, u. a. in:
- Jobcentern, Polizei oder Ministerien
- Personalabteilungen öffentlicher Einrichtungen
- Sozialversicherungsträgern (Kranken-, Renten- und Unfallversicherung)
- Referent:innenstellen in Politik oder Verwaltung
Hinweis: Ohne 2. Examen sind die Aufstiegsmöglichkeiten eingeschränkt, dennoch bietet der öffentliche Dienst oft sichere und abwechslungsreiche Tätigkeiten.
3. Internationale Karrierewege
Diplomatischer Dienst
Mit dem 1. Staatsexamen ist ein Einstieg in den Auswärtigen Dienst möglich – vorausgesetzt, man besteht das Auswahlverfahren und erfüllt Kriterien wie:
- Deutsche Staatsangehörigkeit
- Versetzungsbereitschaft
- Sprachkenntnisse (Englisch, Französisch, ggf. weitere Fremdsprachen)
Internationale Organisationen
Diplomjurist:innen sind gefragt bei:
- EU, UN, GIZ, UNDP, Konrad-Adenauer-Stiftung
- Tätigkeiten in Recht & Verwaltung, Entwicklungshilfe oder Politikberatung (z. B. Gesetzesreformen, Good Governance, Anti-Korruptionsarbeit)
Erwartet werden meist:
- Interkulturelle Kompetenz & Auslandserfahrung
- LL.M. oder internationale Studienerfahrung
- Sehr gute Fremdsprachenkenntnisse
Möglichkeiten in Wirtschaft, Bildung & Soziales
1. Freie Wirtschaft
Einsatzfelder finden sich in:
- Rechtsabteilungen von Unternehmen
- Versicherungen und Banken
- Wirtschaftsprüfung und Unternehmensberatung
Hier werden juristische Fachkenntnisse, analytisches Denken und Kommunikationsstärke geschätzt.
2. Personalmanagement
In HR-Abteilungen ist juristisches Know-how gefragt, z. B. bei:
- Vertrags- und Arbeitsrecht
- Einstellung und Betreuung von Mitarbeitenden
- Konfliktmanagement und Verhandlungen
3. Soziale Berufe
Rechtliche Betreuung
Als gesetzliche:r Betreuer:in für Erwachsene nach §§ 1896 ff. BGB übernimmt man Verantwortung für Menschen, die ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln können. Voraussetzung:
- 1. Staatsexamen
- Eignungsprüfung durch das Betreuungsgericht
Lehramt an Berufsschulen
Besonders gesucht: Lehrkräfte für Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte – aufgrund des Lehrermangels auch ohne zweites Staatsexamen möglich.
Berufliche Weiterbildung & Neuqualifikation
1. Studiengänge & Abschlüsse
Fachspezifische Studiengänge (BA/MA)
An Fachhochschulen können Diplomjurist:innen Bachelor- oder Masterprogramme absolvieren – oft mit Anrechnung bereits erbrachter Leistungen.
LL.M. im Ausland
Ein LL.M. (Master of Laws) auf Basis des 1. Staatsexamens bietet:
- internationale Perspektiven
- verbesserte Jobchancen bei NGOs, Unternehmen oder Organisationen
2. Ausbildungsberufe
Wer sich praktisch umorientieren möchte, kann Ausbildungen erwägen, z. B.:
Rechtsanwaltsfachangestellte:r / Rechtspfleger:in (ggf. mit zusätzlichem Studium)
Steuerberater:in (mit 3-jähriger Praxis im Steuerbereich + Prüfung)
Duales Modell: Arbeiten & Weiterlernen
In vielen Unternehmen ist es möglich, neben dem Beruf ein Studium zu absolvieren, oft mit finanzieller Unterstützung durch den Arbeitgeber. Ideal für motivierte Umsteiger:innen mit Zielorientierung.
Weitere Spezialisierungen
Mediator:in
- Vermittlung in Konfliktsituationen außerhalb des Gerichts
- Erfordert meist eine Zusatzqualifikation
Ombudsperson
Juristische Kenntnisse und Vermittlungskompetenz sind gefragt
Unabhängige Schlichtungsstelle zwischen Bürger:innen und Behörden oder in Unternehmen
Fazit
Auch ohne zweites Staatsexamen stehen Jurist:innen viele Wege offen. Zwar ist der Konkurrenzdruck oft höher – insbesondere durch Bewerber:innen aus Geistes- oder Sozialwissenschaften – dennoch:
Das juristische Studium hat Wert. Wer flexibel bleibt, Eigeninitiative zeigt und neue Chancen aktiv nutzt, kann auch ohne klassischen Werdegang erfolgreich und erfüllt arbeiten.
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