Berufsspecial
Medizinrecht
Praxis
Autsch, da muss der Jurist ran!
Durch die fortschreitende Digitalisierung und der damit einhergehenden Entwicklung in der Medizin, eröffnete sich in den vergangenen Jahren ein neues und herausforderndes Betätigungsfeld für Juristen und Juristinnen: Das Medizinrecht. Zwar gibt es diese Nische seit Jahrzehnten, ausgeprägt und enorm weiterentwickelt hat sie sich jedoch vor allem mit den immensen technologischen Entwicklungen. Das gefragte Know-How rund um Patienten und Patientinnen und Paragrafen stellt ein weites Feld an der Schnittstelle zwischen Medizin, Gesundheitssystem und dem dazugehörigen rechtlichen Rahmen dar. Von der Arzthaftung bis zur Honorierung von Privatpatienten/-patientinnen und dem Recht der Sozialversicherung ist eine zunehmende Verrechtlichung und Komplexität in der Medizin zu beobachten. Mit diesen Entwicklungen steigt auch der Bedarf an qualifizierten Juristen und Juristinnen in diesem bedeutungsvollen und vielseitigen Berufsfeld.
Tätigkeitsfelder im Medizinrecht
Das Medizinrecht erfasst alle rechtlichen Regelungen, die die Entwicklung, Herstellung, Anwendung medizinischer Güter, Dienstleistungen und Forschung in diesem Bereich betreffen. Dazu zählen unter anderem das Arztrecht, das Krankenhausrecht, Heilberufsrecht, Biomedizinrecht und das Arzneimittelrecht. Kurz gefasst: Es geht um die Bandbreite der Rechtsnormen, die sich unmittelbar oder mittelbar auf die Ausübung der Heilkunde beziehen. Aufgrund der enormen Reichweite kann auch die Mandatsstruktur als sehr heterogen bezeichnet werden. Von Patienten/Patientinnen und Ärzten/Ärztinnen bis zu Apothekern/Apothekerinnnen und Unternehmen kann jeder, der in der Heilkunde tätig ist oder Berührungspunkte mit ihr hat, in eine Lage geraten, in der qualifizierte uristen und Juristinnen mit Spezialisierung im Medizinrecht von Nöten sind. Die zunehmende Verrechtlichung der Medizin macht Rechtsexperten/-expertinnen in diesem Bereich immer begehrter. Von den gefragten Juristen und Juristinnen wird ein umfassendes Know-How erwartet. Die Beantwortung der komplexen medizinrechtlichen Fragen erfordert Kenntnisse querbeet durch diverse Rechtsgebiete.
Gegenstand von Gerichtsverfahren und Rechtsstreitigkeiten sind Lebenssachverhalte, die sich nicht streng abtrennbar in die traditionellen juristischen Fächerkanons einordnen lassen. Vielmehr sind Teilbereiche des Medizinrechts sowohl dem Zivil- und Strafrecht als auch dem Öffentlichen Recht zugeordnet. Inhaltlich erstrecken sich die Themenbereiche von der Haft-, Aufklärungs- und Dokumentationspflicht der Behandlern/Behandlerinnen bis hin zum Gebührenrecht und zu Fragen der Sicherheit von Arzneimitteln und Medizinprodukten. Bei Behandlerhaftungsverfahren ist neben profunden Kenntnissen der Judikatur auch eine Bereitschaft, sich mit medizinischen Fragestellungen zu beschäftigen, erforderlich. Zwar werden keine vertieften medizinischen Kenntnisse verlangt, doch müssen Experten und Expertinnen im Medizinrecht zumindest in der Lage sein, Behandlungsunterlagen auszuwerten und Sachverständigengutachten nachzuvollziehen.
Durch die Weiterentwicklung der Medizin im Allgemeinen, den Fortschritt bei Behandlungs- und Operationsmethoden und den Anstieg von Angeboten im medizinischen Bereich hat auch das Medizinrecht eine Wandlung erfahren. Als Querschnittsgebiet bietet es sich nun insbesondere für diejenigen an, die gerne fächerübergreifend arbeiten und flexibel sein wollen. Stets auf dem neuesten Stand sollten Medizinrechtler*innen zudem sein und Fortbildungen als festen Bestandteil in den Arbeitsalltag integrieren.
Berufschancen & Gehälter
Berufsaussichten – Was sind meine Möglichkeiten?
Als Neueinsteiger*in im Medizinrecht empfiehlt es sich, in Boutiquen oder mittelständischen Kanzleien, die sich im Medizinrecht spezialisiert haben, einzusteigen. Von Vorteil ist dies aufgrund des bereits bestehenden Mandantenstamms und den Kollegen und Kolleginnen, die einem in der recht komplexen Materie des Medizinrechts zur Seite stehen können. Aufgrund der Bandbreite der Themengebiete ergeben sich viele Einsatzmöglichkeiten. Nützlich für die Akquisition der Mandanten und Mandantinnen sind unter anderem Vorträge bei Verbraucher- und Patientenverbänden, ärztlichen Organisationen oder im Krankenhausbereich. Natürlich spricht sich, wie in allen Bereichen, eine gute Mandatsführung rasch herum und bringt ebenfalls neue Kundschaft mit sich.
Wachstumsmarkt Medizinrecht – Gehaltsaussichten
Der Bedarf an Medizinrechtlern/-rechtlerinnen wächst von Jahr zu Jahr. Allein schon aufgrund des steigenden Medizintourismus boomt der Markt. Die Einstiegsgehälter belaufen sich im Durchschnitt auf 96.500€ im Jahr.** In mittelständische Kanzleien liegt der durchschnittliche Jahresverdienst dabei bei knapp 82.000€ und in Großkanzleien bei 122.000€.** Das Medizinrecht stellt sich Juristen und Juristinnen also als eine lohnenswerte Spezialisierung mit einer herausfordernden Materie dar.
Bildung
Fachanwaltstitel im Medizinrecht
Nach jüngster Statistik sind 1.822 Fachanwälte/-anwältinnen für Medizinrecht im Bundesgebiet verzeichnet. Der Erwerb des Fachanwaltstitels im Medizinrecht ist nicht nur anspruchsvoll, sondern auch lohnenswert. Experten und Expertinnen werden in diesem Bereich mit einem zwinkernden Auge auch gerne als “halbe Ärzte/Ärztinnen“ bezeichnet, da sie fundierte medizinische Kenntnisse aufweisen, die sie benötigen, um medizinische Sachverhalte erörtern und juristische Folgen ziehen zu können. Die zuständige Rechtsanwaltskammer, der der Rechtsanwalt/die Rechtsanwältin angehört, verleiht nach Maßgabe der Fachanwaltsordnung (FAO) die Berechtigung zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung. Voraussetzungen für diese Verleihung sind:
- dreijährige Zulassung und Tätigkeit innerhalb der letzten sechs Jahre vor Antragstellung (§3 FAO)
- Antragstellung bei der zuständigen Rechtsanwaltskammer (§22 FAO)
- Nachweis besonderer theoretischer Kenntnisse (§§ 4, 4a und 6 FAO)
- Nachweis besonderer praktischer Erfahrungen (§§ 5, 6 FAO)
Zudem muss er/sie die in §14b FAO genannten besonderen Kenntnisse nachweisen.
Promotion und LL.M. im Medizinrecht
Auch in diesem vielfältigen Berufsfeld besteht die Möglichkeit, zu promovieren oder einen Master of Laws zu erwerben. An der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf kann der LL.M. Medizinrecht innerhalb von 3 Semestern für insgesamt 9.000€ (bzw. 6.000€ bei Personen mit geringem Einkommen) absolviert werden. Für 10.800€ kann an der Universität Münster ebenfalls der Master im Medizinrecht belegt werden. Er dauert berufsbegleitend 4 Semester.
In Großbritannien bieten bspw. die University of Bristol Law School den LL.M. in „Health, Law and Society“ an (Dauer: 1-2 Jahre in Vollzeit; Kosten: ca. 22.200€), und die Nottingham Law School den LL.M. in „Health Law and Ethics“ (Dauer: 1-2 Jahre in Voll-/ Teilzeit; Kosten: ca. 15.000€) an. Im benachbarten Schottland gibt es ein vergleichbares Programm in „Medical Law and Ethics“ an der Edinburgh Law School (Dauer: 1-2 Jahre in Vollzeit; Kosten: ca. 25.000€).
In Deutschland sind die Kosten für den LL.M. im Medizinrecht zwar deutlich niedriger. Der Nachteil besteht aber offenkundig darin, dass der Blick über den „deutschen juristischen Tellerrand“ nicht hinausgeworfen wird und die eigenen Fremdsprachenkenntnisse nicht erweitert werden.
** basierend auf unserer Umfrage von 143 Kanzleien
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