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Legal Tech – Weiterbildung für die Zukunft

Für die einen schwebt das Thema wie ein Damoklesschwert über ihren Köpfen – für die anderen ist es die Zukunft: Die Digitalisierung der Rechtsbranche – kurz „Legal Tech“.
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Das Thema ist in Studium und Referendariat noch nicht ganz angekommen

Mandantengespräche mittels Chatbots führen, Subsumtionsmaschinen, die Sachverhalte rechtlich einordnen oder smart contracts, welche festgelegte Rechte von Vertragspartnern automatisch durchsetzen. Glaubt man einigen Stimmen in der Presse, so wird der Jurist in Zukunft obsolet. Ein Blick in den Arbeitsalltag zeigt jedoch ein deutlich differenzierteres Bild: Statt einer Legal-Tech-Rechtswissenschaft regiert die Rechtswissenschaft auf bestimmte einzelne Problemfragen. Dennoch werden Juristen, ob Praktizierende, Lehrende oder Forschende, in Zukunft immer mehr mit Technik zu tun haben. Diese Entwicklung der Technik und ihrer Möglichkeiten verlangt vermehrt nach einem tieferen Verständnis der Materie.

Die Arbeitswelt weiß, was sie will

Im privaten Sektor scheint dies auch verstanden worden zu sein: Besonders die großen Kanzleien investieren in das Thema Legal Tech. CMS Hasche Sigle entwickelt eigene Tools, Dentons gründete das Tochterunternehmen „Next Law Labs“, das wiederum Ausgangspunkt neuer Legal-Tech-Startups ist. Baker McKenzie hat die Position eines Chief Strategie Officers (CSO) geschaffen, um Innovationen und Digitalisierung voranzubringen.

Private Anbieter ermöglichen vermehrt Lehrgänge und Seminare zum zertifizierten „Digital Legal Counsel“. Diese sind direkt auf Wirtschafts- und Unternehmensjuristen zugeschnitten und dienen mehr der nachträglichen Fortbildung als einer zielorientierten Vorbereitung. Beispielsweise bietet die German Graduate School of Management and Law (GGS) seit März 2018 erneut den Zertifikatslehrgang „Projektmanagement für Rechtsdienstleister in der Digitalen Transformation“ an. So bietet auch die Sigmund Freud Privat Universität mit ihrer SFU Weiterbildungsakademie Lehrgänge wie „Legal Tech für WirtschaftsanwältInnen“ an.

Dies zeigt, dass Digitalisierung nicht bedeutet, nur bestimmte Tools zu installieren, sondern auch einen ganz neuen Blick auf Geschäftsmodelle, Produkte und Prozesse erfordert. Dabei ist der juristische Sachverstand mehr gefragt denn je! Es fehlt an einer passenden Schnittstelle zwischen Juristen und Informatikern. Die Erstellung passender digitaler Produkte und Strategien verlangt eine bisher nicht gekannte Präzision und Prozessorientierung innerhalb der juristischen Arbeit. Gute Juristen sind hier gefragt. Besonders solche, die juristisches Denken mit IT-Kenntnissen und vor allem auch digitalem Know-how aus Ihrer Lebenswelt verbinden können.

Preußisches Landrecht statt Anwalt 4.0

Doch auch, wenn Legal Tech anwaltliches Arbeiten zunehmend beeinflusst, ist das Thema in Studium und Referendariat noch nicht ganz angekommen. Angehende Juristen lernen traditionsbewusst mit ihren Ausgaben der „roten Riesen“ und bewältigen die Klausuren mit Stift und Papier. Legal Tech bleibt auch in 2018 an den meisten Universitäten weiterhin Neuland. Dabei braucht es bald Juristen, die nicht nur den Palandt zitieren, sondern auch in Java programmieren können.

Dabei machen uns die USA vor, wie es geht

Bereits unzählige Universitäten in den Staaten haben Legal Tech in den Studienalltag integriert. Fächer wie „Introduction to Legal Technology“, „Coding for Lawyers“, „Data Analytics“ und „Empirical Legal Studies“ stehen dort bereits auf dem Lehrplan.

Inspirierende Projekte wie das Projekt „LawWithoutWalls“ der University of Miami wurde beispielsweise bereits 2011 gegründet. Dort können die Studierenden in einem strukturierten Programm mit der Unterstützung von Mentoren eigene Startups gründen, um konkrete und real existierende Rechtsprobleme mit dem Einsatz von Technologie zu lösen. Das Programm geht über Ländergrenzen hinaus, wodurch auch deutsche Studenten teilnehmen können!

Die Stanford Law School nimmt mit ihrem „Center for Legal Informatics“ ebenfalls eine Vorreiterrolle ein. Zudem können die Studenten im Rahmen des Kurses „Legal Informatics“ die Informationsverarbeitung anwendungsorientiert lernen und entwickeln im „Legal Design Lab“ eigene Legal Tech-Anwendungen.

Deutschland zieht nach

Auch deutsche Universitäten entdecken den Trend für sich. Zwar hat bislang keine Universität einen eigenen Schwerpunkt zum Thema Legal-Tech, Angebote zu diesem Thema werden jedoch immer beliebter.

Pionier auf diesem Gebiet ist die Bucerius Law School in Hamburg. Im Jahr 2015 wurden dort die „Legal Technology Showcase Lectures“ etabliert. Seitdem geben zahlreiche Veranstaltungen wichtige Impulse für die Lehre: Neben „Coding for Lawyers“, „Legal Tech Initiative“ oder „Hands on Machine Learning in Law“. Zudem war es den Studenten möglich, in Kooperation mit dem Fachbereich Informatik der Universität Hamburg und IBM Watson, mit eigenen Prototypen die künstliche Intelligenz von Watson zu erproben.

Zwar hat bisher noch keine Universität einen eigenen Schwerpunkt für Legal Tech, allerdings fand im Sommersemester 2016 erstmals ein Legal-Tech-Seminar unter der Leitung von Privatdozent Dr. Martin Fries statt, welches im Rahmen des Schwerpunktbereichs „Rechtswissenschaft in Europa“ als Schwerpunktseminar angerechnet werden konnte. Sein Engagement hat Dr. Fries nach seiner Rückkehr nach München mit einem „Grundlagenseminar zur Digitalisierung des Bürgerlichen Rechts“ im letzten Wintersemester an der LMU fortgeführt.

Studentische Initiativen

An den ersten Universitäten gibt es studentische Initiativen, die sich mit der Digitalisierung im Recht auseinandersetzen und Studierenden die Möglichkeit schaffen wollen, sich besser auf die bevorstehende Arbeit im digitalen Umfeld vorbereiten zu können. Hierzu werden Vorträge, Diskussionen und Exkursionen zum Thema Legal Tech organisiert.

Während die Universitäten das Ganze eher langsam angehen lassen, nehmen die Großveranstaltungen zum Thema rasant zu. Diverse Kongresse verzeichnen mittlerweile höhere dreistellige Teilnehmerzahlen. So wurde beispielsweise in 2017 die „Berlin Legal Tech“ mit zwei-tägigem Hackathon und anschließender Konferenz, die Veranstaltung der erst 2016 gegründeten European Legal Technology Association „ELTA ́s First Conference“ in Berlin, die von Handelsblatt Fachmedien veranstalteten „Legal Transformation Days“ ebenfalls in Berlin und die aus einer Kombination aus Messe und Kongress bestehende „Legal Revolution“ in Frankfurt am Main veranstaltet. Selbst der Deutsche Anwaltstag 2017 in Essen stand bei seiner mittlerweile 68. Ausgabe erstmalig komplett unter dem Motto „Innovationen und Legal Tech“.

Vom 13.09. – 14.09.2018 fand der Anwaltszukunftskongress mit dem Titel „Mehr als Technologie. Der Anwalt im digitalen Zeitalter“ in Düsseldorf statt. Zentrale Themen waren „Welche Rolle Automatisierung, Standardisierung und künstliche Intelligenz in der Rechtsberatung von morgen“ spielen oder wie man „ Legal Tech zukünftig in der eigenen Kanzlei oder dem eigenen Unternehmen strategisch umsetzen“ kann.

Auch wenn das Thema Legal Tech in Deutschland noch in den Startlöchern steht, wird es überall immer mehr zu einem ernstzunehmenden Begriff, der die Zukunft der Rechtsberatung verändern kann und wird.

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