Der Start ins Referendariat
Aller Anfang ist holprig, doch dieser beginnt erfreulicherweise mit einem Einführungslehrgang, sodass man sich nicht sogleich ins kalte Wasser geworfen fühlt. Nach dieser Einführung findet im Wochentakt die Zivilrecht-AG statt, in der die Ausbildungsinhalte vermittelt werden. Darüber hinaus ist man einem Richter oder einer Richterin zugeordnet und begleitet diese zu deren Sitzungen und bearbeitet in der Regel Akten für sie.
Der Einführungslehrgang
Der Einführungslehrgang in der Zivilstation dient als informatorische Erstorientierung und Vorbereitung auf die Zivilstation. Bevor es zu dem Einzelausbilder und somit an die ersten Akten geht, sollen alle wesentlichen Themen der ZPO im Überblick behandelt werden. Wie der Lehrgang im Konkreten aussieht, ist von OLG zu OLG äußerst unterschiedlich. In der Regel hat man 2-4 Wochen lang jeden Tag mit einem Richter ca. 4 Stunden Unterricht und wird an den Urteilsstil herangeführt. Auch der Stundenplan für die übrigen Monate der AG wird verteilt. In dieser Phase wird meist auch der AG-Sprecher gewählt und die AG-Fahrt geplant. Zudem werden den Rechtsreferendaren die bürokratischen Vorgehensweisen am Gericht nähergebracht, wie etwa wer ihre Ansprechpartner sind, wie im Krankheitsfalle vorzugehen ist, wie die Antragstellung des Erholungsurlaubs oder die Zuweisung zu
den Stationen erfolgt etc.
Inhaltlich bietet die Einführungsphase einen groben Überblick über die ZPO und den Urteilsstil, der dem Referendar künftig regelmäßig abverlangt wird. Unter anderem werden die Grundsätze des Zivilprozesses, der Ablauf eines Rechtsstreits, die praktische Arbeit mit der Akte, das Verfassen eines Urteils, die Relationstechnik, das Votum und Aktenvorträge behandelt.
Inhalte der Arbeitsgemeinschaft
Die Arbeitsgemeinschaft findet stationsbegleitend mit einem AG-Leiter, der in der Regel ein Zivilrichter ist, einmal die Woche statt und bereitet die Rechtsreferendare auf die Zivilrechtsklausuren im Assessorexamen vor. Oberste Priorität ist die Verinnerlichung des Urteilsstils und der dazugehörigen zivilprozessualen Fragen. Der Gutachtenstil, den man für das erste Staatsexamen beherrschen muss, soll von der ersten Station an verdrängt und der neue Stil, namentlich Urteilsstil, angeeignet werden. Dieser begleitet den Referendar dann durch die gesamte Ausbildung und wird wesentlicher Prüfungsgegenstand im zweiten Staatsexamen. Begleitet wird dieser Lernprozess mit intensiver Aktenbearbeitung. Die Arbeit mit Akten findet von Tag eins an statt, sodass der junge Jurist eine konkrete Vorstellung vom Handwerk des Volljuristen bekommt. Für den jeweiligen Rechtsstreit in der Akte, soll man dann ein Urteil mit den erforderlichen Bausteinen, wie dem Rubrum, Tenor, dem Tatbestand und den Entscheidungsgründen, verfassen.
Nicht zu vergessen sind die zivilprozessualen Aspekte, die im ersten Examen fast gänzlich ignoriert werden. Wenn überhaupt hat man sich im Zuge des ersten Examens mit den Zuständigkeiten der Gerichte beschäftigt. Dies stellt jedoch nicht einmal die Spitze des Eisbergs dar und bereitet vielen Referendaren schlaflose Nächte. Daher sei angeraten, sich von Beginn an systematisch an prozessuale Problempunkte zu wagen und sich früh genug einen Überblick zu verschaffen. Auch das materielle Recht soll nicht links liegen gelassen werden. Dennoch wird im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft der Schwerpunkt eher auf zivilprozessuale Besonderheiten gelegt, da man im zweiten Staatsexamen Kommentare wie den Palandt benutzen darf und dieser bei gutem Umgang, viel Hilfe hinsichtlich der rechtlichen Lösung leistet.
Was passiert, wenn eine Partei in der mündlichen Verhandlung säumig wird? Wie wird es im Urteil gehandhabt, wenn der Beklagte Widerklage erhebt? Ist eine Aufrechnung mit der Zahlungsforderung des Klägers möglich? Diese und viele weitere Fragen werden in den Arbeitsgemeinschaften behandelt und der Umgang im Urteil mit diesen Konstellationen aufgezeigt. Die Inhalte werden unterstützend anhand von Klausuren in der AG vertieft.
Neben diesen Lerninhalten, wird in den meisten AGs auch der Aktenvortrag geübt. Dieser ist in fast allen Bundesländern Teil der mündlichen Prüfung im zweiten Examen. Der Prüfling erhält hierfür in der Regel 1-2 Stunden vor Beginn der mündlichen Prüfung eine Akte, die er in dieser Zeit erfassen muss und dann in freier Rede die wesentlichen Punkte des Sachverhalts und der rechtlichen Lösung klar und überzeugend darstellen soll. Meist werden jede Woche je nach Größe der AG von 1-2 Referendaren die Aktenvorträge vor der Gemeinschaft gehalten und teilweise bewertet. Schließlich wird am Ende der Zivilstation ein Zeugnis seitens des AG-Leiters ausgestellt, das sich aus der wöchentlichen Mitarbeit, den Klausurnoten und ggf. dem Aktenvortrag zusammensetzt.
Das Gericht und der Einzelausbilder
Die Zivilstation kann beim Amts- oder Landgericht absolviert werden. Beim Amtsgericht sind die Verfahren streitwertbedingt übersichtlicher, aber dennoch sehr facettenreich. Rechtsstreitigkeiten aus dem bürgerlichen Alltag sind hier größtenteils Gegenstand der Verhandlungen, wogegen am Landgericht häufig komplexe Sachverhalte und Rechtsfragen gegenwärtig sind und mehrere Sitzungstermine erfordern.
Zudem ist es am Landgericht möglich an den Kammersitzungen teilzunehmen. Für beide Gerichte sprechen Vor-und Nachteile, sodass keine pauschale Empfehlung für eines hilfreich wäre. Die Zuteilung an den Einzelausbilder erfolgt automatisch. Wünsche
diesbezüglich werden jedoch in der Regel berücksichtigt. Je nach Bundesland ist es sogar möglich, sich im Vorfeld mit dem Wunsch-Richter in Verbindung zu setzen und nach der Betreuung zu fragen. Der Einzelausbilder möchte den Schützling dann je nach Gemüt 1-3 Mal die Woche sehen. An diesen Tagen erfolgt die Lektüre der Akten für den nächsten Sitzungstag, die Besprechung des Urteils, welches man zuvor abgegeben hat und die Vergabe der nächsten Akte. Am Ende der Zivilstation bekommt man auf der Grundlage dieser Leistungen sodann ein Zeugnis vom Einzelausbilder ausgestellt.
Literaturempfehlung für die Zivilstation
- Anders, Monika / Gehle, Burkhard
Die Assessorklausur im Zivilrecht, 14. Auflage 2020, 39,80 €
→ Das Standardwerk in NRW! - Kaiser/Kaiser/Kaiser
Die Zivilgerichtsklausur im Assessorexamen, Band I Lehrbuch,
9. Auflage 2021, 23,90 € - Schuschke / Kessen / Höltje
Zivilrechtliche Arbeitstechnik im Assessorexamen,
35. Aufl. 2013, 34,90 € - Knöringer, Dieter / Kunnes, Christian
Die Assessorklausur im Zivilprozess, 18. Auflage 2020, 26,90 € - Olivet, Carl-Theodor
Juristische Arbeitstechnik in der Zivilstation, 4. Auflage 2010, 23,95 € - Hemmer
Das Zivilurteil, 13. Auflage 2020, 19,90 €
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