Ein Erfahrungsbericht zur Zivilrechtsstation
Seit Beginn der Corona-Pandemie hat sich einiges geändert. In vielerlei Hinsicht musste umdisponiert und eine Alternative zu den gewohnten Arbeitsweisen gefunden werden. Dies gilt auch für die Ausbildung angehender Juristen. Das Referendariat ist recht verschult und erfordert grundsätzlich die Anwesenheit vor Ort, sei es in der Arbeitsgemeinschaft, während der Probeklausuren, im Rahmen von Verhandlungen am Gericht und Besprechungen mit dem ausbildenden Richter oder wo auch immer man gerade seine Station absolviert. So manch einer, der kurz vor dem Antritt seines Referendariats steht, wird diesem mit einem mulmigen Gefühl entgegensehen. Es mag ungewiss erscheinen, was auf einen zukommt, wie der Anschluss in der AG sein wird und was im Rahmen der Stationen möglich ist. Dieser Beitrag soll dieser Ungewissheit – zumindest für die ersten Monate des Referendariats – Abhilfe schaffen. Wir haben Referendare gefragt, die im letzten Jahr in den juristischen Vorbereitungsdienst gestartet sind. Sie haben ihre Erfahrungen mit uns geteilt.
Vorweg sei gesagt: Die Aussichten sind alles in allem gut! Natürlich kann nicht alles ersetzt werden und es hängt immer von der jeweiligen Stelle ab, bei der man sein Referendariat absolviert. Jedenfalls die Ausbildungsgerichte scheinen aber gut umdisponiert zu haben.
Die 25-jährige Referendarin Lea startete im Oktober 2020 im OLG-Bezirk Hamm in NRW in den juristischen Vorbereitungsdienst. Das ihr zugewiesene Ausbildungsgericht ist das LG Hagen. Aktuell befindet sie sich im letzten Monat der Zivilrechtsstation beim Richter. Sie erzählte uns in einem Interview, wie das Referendariat bisher bei ihr abgelaufen ist.
I. Zivilrechtsstation
iurratio: Wie lief der Einführungslehrgang zu Beginn der Zivilrechtsstation ab? Online, präsent, gemischt? Wenn präsent, welche Vorkehrungen wurden getroffen?
(Anmerkung: Der Einführungslehrgang zu Beginn der Zivilrechtsstation erstreckt sich in NRW über den ersten Monat der Station.)
Lea: Der Einführungslehrgang fand bei mir hauptsächlich präsent statt, ich glaube nur zweimal online. Hierbei waren Schutzwände aus Aufstellern mit durchsichtiger Folie zwischen den Tischen (nur seitlich) angebracht. Als eine Referendarin krank bzw. in Quarantäne war, wurde sie zugeschaltet.
iurratio: Wie wurden die AG und die Klausuren organisiert bzw. abgehalten?
Lea: Seit November, also seit Beginn der ZII-AG, findet die AG ausschließlich online statt. Die erste Klausur im November wurde noch präsent geschrieben. Da waren wir auf zwei Räume aufgeteilt und haben mit Maske und den Schutzwänden geschrieben. Die zweite Klausur im Januar war dann von Zuhause aus. Die Online-AG läuft überwiegend über Edudip. Das funktioniert meistens ganz gut, außer es kommt zu größeren Verbindungsproblemen (meist im Netz des Landgerichts).
iurratio: Wie wurde die Zeit beim Einzelrichter organisiert und wie lief diese ab?
Lea: Am Anfang (also im November und Dezember) haben die Verhandlungen normal stattgefunden. Am Platz dürfen die Masken abgenommen werden und der Saal ist mit Schutzwänden um die Tische ausgestattet. Ich bin zweimal die Woche zu Verhandlungen gekommen.
Jetzt im Januar sind die meisten Verhandlungen abgesagt und es beschränkt sich auf 1-3 pro Woche. Dafür kann ich aber normal weiter zum Gericht kommen und weiter teilnehmen. Ob es noch zu einer Beweisaufnahme kommt, die ich selber führen kann, ist noch nicht sicher.
II. Näheres zur Arbeitsgemeinschaft
iurratio: War es leicht, trotz der Kontaktbeschränkungen Kontakt zu deinen AG-Kollegen aufzubauen?
Lea: Ich war sehr froh, dass wir die ersten Wochen vor Ort an der AG teilnehmen konnten, um die Kollegen zumindest mal live gesehen und gesprochen zu haben. Ich glaube nur online wäre das schwieriger, sich gut kennen zu lernen. Nach der letzten AG-Stunde haben wir noch virtuell ein Bier zusammen getrunken, das war eine gute Alternative.
iurratio: Wie ist das Gemeinschaftsgefühl in deiner AG?
Lea: Ich glaube es hat eigentlich jeder jemanden gefunden, mit dem er sich gut versteht, und generell ist es eine echt harmonische Gruppe mit gutem Gemeinschaftsgefühl. Leider sind viele sehr ruhig und haben in den ersten Wochen nur schweigend dagesessen.
iurratio: Hast du das Gefühl, dass das stark unter den aktuellen Maßnahmen leidet und sonst deutlich besser wäre?
Lea: Ich glaube, dass ein Teil der Gruppe einfach ganz zufrieden damit ist, wenig zu sprechen. Aber natürlich würde man sie besser kennen lernen, wenn man sich sieht und wenn man die Möglichkeit hat, vor und nach der AG mal ein paar Worte zu wechseln. Auch wenn das nur ein paar Sätze sind, ist es mehr, als wenn die AG endet und alle sich ausloggen und nicht mehr sprechen.
iurratio: Wie ist der Austausch untereinander (neben dem Referendariat), wenn man sich überwiegend nur online sieht?
Lea: Wir haben eine WhatsApp-Gruppe, aber da geht es eigentlich nur um inhaltliche Fragen. Ich persönlich habe zwei Leute aus der AG, mit denen ich guten Kontakt und viel Austausch habe.
iurratio: Was ist der Plan bzgl. der Ref-Fahrt deiner AG? Wurde sie abgesagt, gibt es eine Online-Ersatzveranstaltung oder Ähnliches?
Lea: Wir haben vor die nachzuholen, sobald es geht.
III. Zukünftige Stationen
iurratio: Wie läuft die Planung für die anderen Stationen? Ist es aktuell schwerer, einen Platz zu finden?
Lea: Die Erfahrung habe ich zum Glück nicht gemacht. Bisher war es unkompliziert. Die Plätze für meine Verwaltungsstation in Berlin und für meine Anwaltsstation in Düsseldorf haben ohne Probleme geklappt. Die Vorstellungsgespräche haben im Rahmen dessen online stattgefunden. Ich bin gespannt, wie die Stationen in der Praxis ablaufen und was so möglich sein wird.
iurratio: Musstest du im Rahmen einer Station umdisponieren, weil du diese zB. aktuell (eventuell) nicht im Ausland absolvieren kannst und wenn ja, was ist deine Alternative?
Lea: Nein, bisher hat mich das nicht getroffen.
IV. Lernen
iurratio: Wie disponierst du angesichts des fehlenden Zugangs zu Bibliotheken und Seminaren um?
Lea: Ich lerne zu Hause. Das fällt mir tatsächlich ziemlich schwer, alles von zu Hause aus zu machen und nicht in die Bib zu können.
iurratio: Bist du Teil einer Lerngruppe? Wenn ja, wie haltet ihr diese ab?
Lea: Ich übe mit einer Freundin Kurzvorträge. Jeder bereitet einen Fall vor, den wir uns dann per Facetime vortragen.
iurratio: Hast du das Gefühl, aktuell schlechter vorbereitet zu werden, als es der Fall ohne Corona wäre?
Lea: Schwer zu sagen. Ich glaube nicht.
V. Organisation seitens des Ausbildungsgerichts
iurratio: Hast du einen konkreten Ansprechpartner für Fragen, die Organisation des Referendariats generell betreffend? Ist diese durch Corona unübersichtlich geworden? Wie ist da der Informationsfluss seitens des OLG/ Ausbildungsgerichts?
Lea: Die Ansprechpartner am LG Hagen sind sehr bemüht und gut zu erreichen. Bisher hatte ich da keine Probleme und die anderen haben auch gesagt, wie gut und schnell ihre Fragen und Probleme gelöst wurden. Die Informationen kommen per E-Mail und ich habe nicht das Gefühl, dass es ohne Corona besser/ anders laufen würde.
iurratio: Wie empfindest du die Umsetzung der Corona-Maßnahmen im Rahmen des Referendariats? Hättest du Verbesserungswünsche?
Lea: Ich finde, die Umsetzung der Online-AG hat gut und schnell funktioniert. Die Einhaltung des Abstands im Oktober war auch kein Problem im Präsenzunterricht. Wir sind eine kleine AG mit nur 15 Leuten und da war das gut machbar. Verbesserungswünsche habe ich nicht.
iurratio: Möchtest du denjenigen, die kurz vor dem Antritt ihres Referendariats stehen, etwas mit auf den Weg geben?
Lea: Das Referendariat ist in der Corona-Zeit gut machbar.
iurratio: Vielen Dank Lea für deine Auskünfte! Wir wünschen dir viel Erfolg für den weiteren Verlauf deines Referendariats und das 2. Staatsexamen!
Du willst mehr erfahren?
Hier geht´s zu einem Erfahrungsbericht über das Referendariat zu Zeiten von Corona in der Zivil- und Strafrechtsstation (Teil 1).
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