Womit müssen Jurist:innen an einem typischen Arbeitstag im Insolvenzrecht rechnen? Worum geht es im Insolvenzrecht?
Mit viel Abwechslung, herausfordernden Fragestellungen und nicht zuletzt mit Mandanten, die häufig dringenden Beratungsbedarf haben und dankbar sind für die Unterstützung.
Die Beratung im Insolvenzrecht ist sehr vielschichtig. Sie umfasst u. a. die prozessrechtliche Vertretung von Insolvenzverwaltern, Anfechtungsgegnern und Geschäftsführern in Haftungs- und Anfechtungsrechtsstreitigkeiten, die Beratung von Unternehmen in der Krise, die Vorbereitung und Begleitung von Insolvenzverfahren und den Verkauf bzw. den Kauf von Unternehmen aus der Insolvenz.
Was hat Sie dazu bewogen, sich für eine Tätigkeit im Insolvenzrecht zu entscheiden? In welchem Karrierestadium fiel die Entscheidung, anwaltlich in diesem Bereich tätig zu werden?
Mein Interesse an wirtschaftlichen Zusammenhängen und insbesondere die Freude am Prozessieren und der Beratung in Krisensituationen.
Meine Entscheidung für das Insolvenzrecht fiel erst nach dem Referendariat.
Inwieweit sind Ihre Erwartungen an die praktische Arbeit im Insolvenzrecht erfüllt worden? Was waren Ihre größten Überraschungen?
Das Insolvenzrecht hat meine Erwartungen übererfüllt. Auch im dreizehnten Berufsjahr bringt das Insolvenzrecht ständig neue spannende und herausfordernde Aufgaben mit sich.
Überrascht haben mich die vielen Gesetzesreformen in den letzten Jahren. Sehr interessant – wenn auch weniger überraschend – ist es zudem, den Wandel in der Auslegung des Insolvenzanfechtungsrechts in Abhängigkeit der Besetzung des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zu beobachten.
Was sind Ihrer Meinung nach die spannendsten bzw. schwierigsten Herausforderungen im Insolvenzrecht?
Die schwierigste Herausforderung ist aus meiner Sicht die Harmonierung des Insolvenzrechts auf europäischer Ebene.
Die spannendste Herausforderung wird der fortschreitende Einzug von Legal Tech und künstlicher Intelligenz im Insolvenzrecht sein, z. B. bei der Ermittlung von Anfechtungs- und Haftungsansprüchen.
Welche Soft Skills sind für eine anwaltliche Tätigkeit im Insolvenzrecht vorteilhaft bzw. notwendig? Auf welche Anforderungen der Branche müssen sich Bewerber:innen hier einstellen?
Insolvenz wird leider immer noch allzu schnell mit unternehmerischem Scheitern gleichgesetzt. Bei der Beratung von Unternehmern – insbesondere bei Familienunternehmern – ist daher Fingerspitzengefühl angezeigt.
Zu zart besaitet sollten Interessenten am Insolvenzrecht nicht sein. Es wird hart verhandelt, viel gestritten, aber gleichzeitig ist der Umgang in den allermeisten Fällen durch ein hohes Maß an Professionalität und Kollegialität gekennzeichnet.
Haben Sie selbst auch im Insolvenzrecht promoviert? Würden Sie Interessent:innen eine Promotion generell und vor allem im Insolvenzrecht als Vorbereitung auf eine spätere praktische Tätigkeit empfehlen?
Nein, ich habe nicht im Insolvenzrecht promoviert.
Eine Promotion im Insolvenzrecht ist sicherlich von Vorteil; tiefergehende Vorkenntnisse im Insolvenzrecht setzen wir bei Berufsanfängern allerdings nicht zwingend voraus.
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Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach die Erlangung des Fachanwaltstitels im Insolvenzrecht?
Ich habe den theoretischen Teil des Fachanwaltslehrgangs erfolgreich abgelegt, führe allerdings den Titel nicht, weil wir bei Taylor Wessing nicht als Insolvenzverwalter bestellt werden und mir daher die praktischen Fälle fehlen.
Der Lehrgang hat mir neben dem Theoriewissen allerdings noch Kontakte vermittelt. Zwei Kursteilnehmer mandatieren uns zwischenzeitlich regelmäßig.
Welche Aus-/Weiterbildung im Insolvenzrecht würden Sie Junganwält:innen ans Herz legen?
Insbesondere in den ersten Jahren meiner anwaltlichen Tätigkeit habe ich die Veranstaltungen der Arbeitsgruppe Junge Insolvenzrechtler vom Deutschen Anwaltsverein als sehr informativ und auf Augenhöhe wahrgenommen.
Es gibt für Insolvenzrechtler eine Vielzahl von regionalen und überregionalen Veranstaltungen, über die sich wunderbar ein Netzwerk aufbauen lässt. Die Insolvenzrechtsszene ist nicht zu groß, man kennt und trifft also immer irgendjemanden.
Welche Zukunftsaussichten sehen Sie für Berufseinsteiger:innen im Insolvenzrecht? Inwieweit sollte das Insolvenzrecht Änderungen erfahren?
Insolvenzen wird es immer geben. Selbst während Phasen mit geringeren Insolvenzen waren wir stets ausreichend ausgelastet. Derzeit steigen die Insolvenzen, sodass die Zukunftsaussichten für unsere Branche positiv sind.
Grundlegenden Änderungsbedarf sehe ich nicht. Allerdings wäre es wünschenswert, den Prozess der Bestellung von Insolvenz- und Sachwaltern stärker innerhalb von Deutschland zu vereinheitlichen. Die Praxis unterscheidet sich von Insolvenzgericht zu Insolvenzgericht stark.
Welchen Ratschlag würden Sie am Insolvenzrecht interessierten Nachwuchsjurist:innen mit auf den Weg geben?
Einfach ausprobieren, gerne auch bei uns im Referendariat, und wenn es Spaß macht, kommt der Rest von selbst.
Vielen Dank für das Interview & die Zeit, Herr Dr. Kunz!
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