Die Anfechtung ist ein häufig zu prüfendes Gestaltungsrecht, das Juristen im Schlaf beherrschen sollten. Meist wird es unter dem Punkt „Anspruch nicht erloschen“ geprüft.
A. Voraussetzungen
I. Anfechtungserklärung, § 143 I BGB
Die Anfechtungserklärung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung. Gegebenenfalls ist die Willenserklärung nach § 133 iVm. § 157 BGB analog auszulegen, um festzustellen, ob hierin eine Anfechtungserklärung liegt.
II. Anfechtungsgrund
1. Inhaltsirrtum § 119 I 1. Alt BGB
Ein Inhaltsirrtum liegt vor, wenn das objektiv Erklärte und das subjektiv Gewollte unbewusst auseinanderfallen.
2. Erklärungsirrtum § 119 I 2. Alt BGB
Der Erklärungsirrtum ist ein Irrtum in der Erklärungshandlung wie das Versprechen, Verschreiben, Vertippen oder die fehlerhafte Eingabe bei automatisierten Willenserklärungen.
3. Eigenschaftsirrtum § 119 II BGB
Bei dem Eigenschaftsirrtum wird unterschieden zwischen der verkehrswesentlichen Eigenschaft einer Sache und der verkehrswesentlichen Eigenschaft einer Person. Verkehrswesentliche Eigenschaften einer Sache sind alle wertbildenden Faktoren, nicht aber der Wert/Preis selbst. Verkehrswesentliche Eigenschaften einer Person, sind alle Eigenschaften in der Person des Vertragspartners oder Dritten, die für den konkreten Vertrag wesentlich sind.
4. Übermittlungsirrtum § 120 BGB
Eine unrichtige Übermittlung liegt vor, wenn ein Bote die Willenserklärung falsch übermittelt hat.
5. Arglistige Täuschung oder widerrechtliche Drohung § 123 I BGB
Arglistige Täuschung ist das Hervorrufen und Aufrechterhalten einer Fehlvorstellung. Die widerrechtliche Drohung ist das In Aussichtstellen eines empfindlichen Übels.
Nach § 123 II BGB ist Dritter, der am Geschäft Unbeteiligte, sodass Nichtdritter ist, wer dem Erklärungsgegner zuzurechnen ist z.B. Vertreter.
III. Anfechtungsgegner
Dies ist bei Verträgen nach § 143 II Hs. 1 BGB der Vertragspartner. Bei arglistiger Täuschung ist der Dritte, der unmittelbar ein Recht aus der Erklärung erworben hat, Anfechtungsgegner § 143 II Hs. 2 BGB, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste. Nach § 143 III 1 BGB ist bei einseitigen empfangsbedürftigen Willenserklärungen die Anfechtungserklärung gegenüber dem Erklärungsempfänger zu richten. Bei einseitigen nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen nach § 143 IV 1 BGB derjenige, der auf Grund des Rechtsgeschäfts unmittelbar einen rechtlichen Vorteil erlangt.
IV. Anfechtungsfrist
Bei §§ 119 BGB, 120 BGB gilt nach § 121 BGB eine unverzügliche Anfechtung ab Kenntnis vom Irrtum, max. 10 Jahre.
Bei § 123 BGB gilt § 124 BGB. Demnach 1 Jahr ab Kenntnis von der arglisten Täuschung bzw. ab Beendigung der Drohung, max. 10 Jahre.
V. Kein Ausschluss, § 144 BGB
Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn das Rechtsgeschäft von dem Berechtigten bestätigt wird.
B. Rechtsfolge
Das Rechtsgeschäft ist von Anfang an unwirksam nach § 142 I BGB. Der Anfechtende muss aber nach § 242 BGB an dem festhalten, war er gewollt hat. Der Anfechtungsgegner hat ein Wahlrecht, ob er sich auf die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit des Vertrages berufen wird.
Der Anfechtungsgegner hat wiederum einen Schadensersatzanspruch nach § 122 BGB auf den Vertrauensschaden. § 812 I 1 1.Alt BGB kommt bei der Rückabwicklung in Betracht und § 812 I 2 1.Alt BGB wegen der Anfechtungserklärung. § 142 II BGB ist eine Gutglaubensvorschrift Dritter.
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