Können Sie sich zunächst kurz vorstellen?
Mein Name ist Janina Wortmann und ich bin Partnerin im Bereich Marken- und Designrecht am Münchner Standort der Kanzlei Finnegan, Henderson, Farabow, Garrett & Dunner, LLP, einer US-amerikanischen IP-Boutique.
Das Gebiet Trademark & Design gehört nicht zu den klassischen Rechtsgebieten, die in der Juristenausbildung auftauchen. Wie haben Sie sich für diesen Bereich begeistern können?
Die erste Berührung mit dem „Soft IP“ hatte ich kurz nach dem ersten Staatsexamen im Rahmen einer Nebentätigkeit in einer Großkanzlei. Ursprünglich ging es nur darum, die Zeit bis zum anstehenden Masterstudium in Südafrika sinnvoll zu überbrücken – tatsächlich hat diese Nebentätigkeit aber mein gesamtes berufliches Leben beeinflusst.
Mein Interesse am Marken- und Designrecht war binnen kürzester Zeit so groß, dass ich mich im Masterstudium auf den Bereich IP fokussiert habe und von da an eigentlich nichts anderes mehr machen wollte. Sämtliche Nebentätigkeiten, frei wählbare Referendariatsstationen und dann natürlich auch der Berufseinstieg lagen im Bereich IP. Der Grund für meine Begeisterung liegt sicherlich auch darin, dass man im IP immer etwas „zum Anfassen“ hat. Wir arbeiten nicht nur mit juristischen Denkkonstrukten, sondern haben einen sehr starken Produktbezug. Das Büro eines Marken- und Designrechtlers steht eigentlich immer voll mit Anschauungsmaterial, seien es Schokoriegel, Kinderwägen, Gießkannen oder Kleidungsstücke. Dieser Produktbezug hat mir immer schon gefallen.
Was hat Sie letztlich dazu bewogen, sich für eine Tätigkeit im Bereich Trademark & Design zu entscheiden? In welchem Karrierestadium fiel die Entscheidung, anwaltlich in diesem Bereich tätig zu werden?
Wer sich auf Marken- und Designrecht spezialisiert und ausschließlich in diesem Bereich tätig werden will, hat gar nicht so viele Optionen: Im Staatsdienst ist es ein Glücksspiel, ob man jemals in einer der (vergleichsweise wenigen) Kammern oder Senate landet, die mit dem Rechtsgebiet befasst sind. Als Syndikusanwalt bzw. -anwältin kommen typischerweise nur sehr große Unternehmen in Betracht, weil nur dort spezialisierte „Soft IPler“ gebraucht werden. Da passt es gut, dass ich mir ohnehin nie etwas anderes vorstellen konnte, als als Anwältin tätig zu sein. Ich liebe es, die Interessen meiner Mandanten zu vertreten und mich auf ihre Seite zu schlagen. Und ich mag die Geschwindigkeit, in der Dinge im Anwaltsberuf – und vor allem im Bereich Soft IP – passieren.
Womit müssen Jurist:innen an einem typischen Arbeitstag im Bereich Trademark & Design rechnen?
Das verrückte ist: Der Bereich IP gilt als Nischenbereich. Die Unterkategorie des Marken- und Designrechts ist noch einmal spezieller. Man könnte daher meinen, das Ganze wäre schnell redundant – stimmt aber nicht. Zum einen ist der Bereich so groß, dass der Arbeitsalltag schon deshalb so unglaublich vielfältig ist, weil man ständig neue Konstellationen und Fragestellungen vor sich hat und mit einer ganzen Reihe von Sondergesetzen hantiert.
Eine Mandantin plant eine Werbekampagne und fragt sich, ob sie ihre Produkte mit denen ihrer Konkurrenten vergleichen darf. Ein Mandant fragt sich, wie nah er sich im Produktdesign an ein Wettbewerbsprodukt annähern darf, damit es ihm nicht als Nachahmung verboten wird. Ein anderer hat auf einer Messe einen Fall von Produktpiraterie entdeckt und möchte den Messestand räumen lassen. Wieder andere Mandanten möchten Parallelimporte von Medikamenten verbieten, oder sie wehren sich gegen Graumarkthandel, der ihr Luxusimage verwässert. In vielen dieser Fälle wenden wir nicht nur das deutsche und europäische Marken- und Designrecht an, sondern landen im UWG, im UrhG, im TMG oder im GeschGehG.
Hinzu kommt aber noch etwas: Im Marken- und Designrecht gibt es strukturell zwei Hauptbereiche: Die „Prosecution“, also das formelle Marken- und Designrecht, in dessen Rahmen die Anmeldeverfahren zu betreuen und Verfahren vor den Markenämtern und Spezialgerichten zu führen sind, und die „Litigation“, also das Führen von Auseinandersetzungen vor den staatlichen Gerichten in Verletzungsfällen. Da unsere Fälle fast immer eilbedürftig sind, läuft ein Großteil der Prozesse im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ab. All das macht den Alltag mehr als bunt und führt dazu, dass es gar nicht den einen typischen Arbeitstag gibt.
Inwieweit sind Ihre Erwartungen an die praktische Arbeit im Bereich Trademark & Design erfüllt worden? Was waren Ihre größten Überraschungen?
Da ich schon früh im Rahmen von Nebentätigkeiten in Kanzleien im Bereich IP gearbeitet habe, gab es keine großen Überraschungen und die praktische Arbeit macht mir unverändert großen Spaß.
Erwarten Sie bei Finnegan von Anfang an eine starke Spezialisierung in diesem Bereich zusätzlich zu breiten Kompetenzen im Zivilrecht? Oder findet hier auch ein „training on the job“ im Sinne eines Heranführens von kleinen zu großen Aufgaben und an die Besonderheiten des Gebiets statt?
Wer bei Finnegan anfängt, sollte sich in der ZPO auskennen, mehr ist nicht erforderlich – auch wenn Vorkenntnisse natürlich für einen selbst hilfreich sein können. Die Spezialisierung kommt durch ein intensives „training on the job“ aber auch ohne Vorkenntnisse von ganz allein. Natürlich nehmen wir bei der Ausbildung, die uns besonders wichtig ist, Rücksicht darauf, auf welchem Wissensstand die jeweilige Person steht. Wir achten auch darauf, allen eine breite Ausbildung zu ermöglichen, die nicht nur das Marken- und Designrecht, sondern auch die technischen Schutzrechte umfasst. So hat man stets das „bigger picture“. Erfahrungsgemäß zeigt sich nach einiger Zeit, welcher Bereich wem mehr liegt und wo man selbst seine Schwerpunkte setzen möchte.
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Was sind Ihrer Meinung nach die aktuell spannendsten Fragen im Bereich Trademark & Design?
Die anstehende Reform des europäischen Designrechts ist überaus spannend. Aber auch die Frage, ob Gerichte einen Designschutz verstärkt über das Urheberrecht erlauben, beobachte ich mit großem Interesse.
Was sind Ihrer Meinung nach die schwierigsten Herausforderungen in diesem Bereich?
Ich denke, der technische Fortschritt stellt uns vor immer mehr Fragen, für die unsere derzeitigen Gesetze keine oder jedenfalls keine passenden Lösungen vorsehen, da macht vor allem das Markenrecht keine Ausnahme. Es ist eine Herausforderung, die bestehenden Gesetze so anzuwenden oder anzupassen, dass wir etwa mit Blick auf KI, NFTs & Co. zu vernünftigen und einheitlichen Lösungen kommen.
Sie sind Lehrbeauftragte für Marken- und Designrecht an der AMD Akademie Mode & Design in München. Wie kamen Sie zu dieser Tätigkeit?
Die Idee dazu ist vor einigen Jahren beim sonntäglichen Tatort entstanden. In der Folge ging es um einen Designer, der so etwas sagte wie: „Ich habe doch sieben Merkmale abgeändert, dann kann mein Produkt ja keine Nachahmung sein.“ Das hatte ich schon öfter von Mandanten gehört und dachte, mit diesem (völlig unzutreffenden) Mythos unter Designern muss ich endlich aufräumen.
Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach die Erlangung eines Fachanwaltstitels oder eine Promotion für die Tätigkeit in diesem Bereich?
Ein Fachanwaltstitel ist eine schöne Sache, ich halte ihn allerdings für wichtiger, wenn man in einem weniger internationalen Umfeld, etwa einer kleineren deutschen Kanzlei, tätig sein möchte. International ist der Fachanwalt völlig unbekannt und bringt daher – jedenfalls in der Außenwirkung – auch keine großen Vorteile. Eine Promotion ist aus meiner Sicht ebenfalls „nice to have“, aber für Finnegan keine Voraussetzung. Hat man im Bereich IP promoviert, bringt es einem ein vertieftes Fachwissen, allerdings nach meiner Erfahrung meist eng auf das jeweilige Promotionsthema begrenzt. Ich bin daher eher Fan eines im englischsprachigen Ausland erworbenen Masters im Bereich IP, in dem man das Rechtsgebiet nicht nur etwas breiter kennenlernen kann, sondern dazu auch noch die englischsprachige Terminologie lernt.
Welchen Ratschlag würden Sie an diesem Rechtsgebiet interessierten Nachwuchsjurist:innen mit auf den Weg geben? Welche Schwerpunkte sollten sie bei ihrer Ausbildung setzen?
Wer schon früh sein Interesse an dem Gebiet des Marken- und Designrechts erkennt, der ist natürlich gut beraten, schon in der universitären Ausbildung entsprechende Vorlesungen zu besuchen. Aber ich halte das keineswegs für zwingend. Was ich allerdings empfehlen würde, ist, zumindest vor dem Berufsstart in den Bereich hineinzuschnuppern, sei es durch ein Praktikum, eine Nebentätigkeit oder eine Station im Referendariat. Und wer dann noch in den ZPO-AGs im Referendariat gut aufpasst, ist in jedem Fall im Vorteil.
Vielen Dank für die Zeit und das Interview, Frau Wortmann!
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