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Gewerblicher Rechtsschutz: Interview mit Anna Kräling (Allen & Overy)

In unserer Interviewreihe für unsere Berufsspecials haben wir Rechtsanwältin Anna Kräling von Allen & Overy hinsichtlich ihrer Tätigkeit, den Anforderungen sowie Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten im Bereich Gewerblicher Rechtsschutz befragt.
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Unser Alltag ist sehr vielfältig und schnelllebig – es gibt immer wieder Überraschungen und Neuigkeiten.

Rechtsanwältin Anna Kräling

Allen & Overy

Gewerblicher Rechtsschutz: Interview mit Anna Kräling (Allen & Overy)

Zu unserem Berufsspecial Gewerblicher Rechtsschutz

Tätigkeit

iurratio: Markenrecht, Patentrecht, Wettbewerbsrecht; der Gewerbliche Rechtsschutz besteht aus vielen verschiedenen Teilbereichen. Worin liegt Ihr Schwerpunkt?

Anna Kräling: Unser Team IP & Data & Tech berät vor allem im Marken-, Wettbewerbs-, Urheber- und Technologierecht, häufig im Zusammenhang mit größeren Projekten wie M&A-Transaktionen, Forschungs- und Entwicklungsprojekten, Lizenzierungen und anderen Vertragsgestaltungen. Außerdem beraten wir Unternehmen zu Werbekampagnen und Produktgestaltungen.

Daneben gibt es bei Allen & Overy in Deutschland noch Fachleute für Patentstreitigkeiten (Patent Litigation).Wir alle arbeiten tagtäglich auch mit unseren Kolleginnen und Kollegen in A&O-Büros anderer Länder zusammen. Unser Tätigkeitsbereich ist sehr breit, was es manchmal herausfordernd, aber immer auch spannend und abwechslungsreich macht.

iurratio: Der Gewerbliche Rechtsschutz gehört nicht zu den klassischen Rechtsgebieten, die in der Juristenausbildung auftauchen. Wie haben Sie sich für diesen Bereich begeistern können?

Anna Kräling: Obwohl kein Pflichtstoff, habe ich Markenrecht schon relativ früh im Studium (im Rahmen meines Begleitstudiums im Europäischen Recht) gehört und war sofort begeistert. Ich hätte den Gewerblichen Rechtsschutz dann wohl auch als Schwerpunkt gewählt, wenn er nicht damals an meiner Uni nur gemeinsam mit dem Steuerrecht wählbar gewesen wäre. Am Ende meines Studiums habe ich mich dann nochmal mit anderen Teilen des „grünen Bereichs“ auseinandergesetzt. Als ich dann auch das Urheber- und das Lauterkeitsrecht spannend fand, war klar, dass ich im Gewerblichen Rechtsschutz zumindest meine erste Praxisluft schnuppern möchte.

Ich habe dann später im Rahmen meiner Ausbildung auch noch andere Rechtsgebiete angeschaut, um zu testen, ob mir diese nicht noch mehr gefallen.

So sehr begeistern wie das IP konnten sie mich aber nicht, deswegen bin ich dann zum Gewerblichen Rechtsschutz zurückgekehrt und will hier auch nicht mehr weg.

iurratio: Inwieweit ist ihre Erwartungshaltung an das Fachgebiet Gewerblicher Rechtsschutz erfüllt worden? Was waren die größten Überraschungen?

Anna Kräling: Meine Erwartungshaltung – ein abwechslungsreiches Rechtsgebiet, dessen Anwendungsfälle (zumindest in den meisten Fällen) recht greifbar und konkret sind, z.B. eine eingetragene Marke gegen ein bestimmtes Produkt, wurden voll erfüllt. Eigentliche Überraschungen gab es nicht, aber bis ich zu Allen & Overy gekommen bin, hätte ich nicht erwartet, welche wesentliche Rolle man auch als IP-Anwältin bei M&A-Transaktionen spielen kann, wenn man in der entsprechenden großen, internationalen Einheit (und nicht z.B. bei einer IP-Boutique) tätig ist.

iurratio: Womit muss der Anwalt an einem typischen Arbeitstag im Bereich des Gewerblichen Rechtsschutzes rechnen?

Anna Kräling: Das hängt sehr davon ab, in welcher Art von Kanzlei man arbeitet und wie der Beratungsschwerpunkt aussieht. Bei uns gibt es keinen ganz typischen Arbeitstag, weil wir die eher standardisierten Bereiche des Gewerblichen Rechtsschutzes wie z.B. die Verwaltung von Marken-Portfolios nicht schwerpunktmäßig betreiben. Meine Arbeitstage sind daher sehr abwechslungsreich: manchmal arbeite ich intensiv an IP-lastigen M&A-Transaktionen mit und entwerfe und verhandele Verträge, an anderen Tagen arbeite ich an einem Lizenzvertrag oder erarbeite mit dem Mandanten die nötigen Fakten für einen Antrag auf eine einstweilige Verfügung. Unser Alltag ist sehr vielfältig und schnelllebig – es gibt immer wieder Überraschungen und Neuigkeiten.

iurratio: Was sind die aktuell spannendsten Fragen im Gewerblichen Rechtsschutz aus Ihrer Sicht?

Anna Kräling: Aktuelle Umbrüche wie die Energiewende, die Elektromobilität, selbstfahrende Autos, medizinische Forschung und ähnliche Entwicklungen schaffen einen Innovationsdruck und bringen verschiedenste Unternehmen zusammen, um gemeinsam die anstehenden Herausforderungen zu meistern. Geistiges Eigentum steht hier absolut im Zentrum. Auch die fortschreitende Digitalisierung eröffnet vielen Unternehmen völlig neue Märkte. Die immer größer werdende Bedeutung von Daten wirft die Frage auf, wem Daten gehören und wie man sie schützen kann.

Anforderungen

iurratio: Welche Qualifikationen bzw. welche Soft Skills sind für eine anwaltliche Tätigkeit im Bereich des Gewerblichen Rechtsschutzes vorteilhaft bzw. notwendig? Auf welche Anforderungen der Branche müssen sich Bewerber hier einstellen?

Anna Kräling: Das kommt vor allem auf die Spezialisierung an: wenn man Patentrecht machen will, braucht man ein gewisses technisches und naturwissenschaftliches Verständnis, um die patentierten Technologien zu verstehen. Im IT-Recht hilft es, eine Ahnung zu haben, wie Software programmiert wird und wie sie funktioniert. Für andere Bereiche wie Marken- und Lauterkeitsrecht sollte man ein Verständnis für die praktischen Vorgänge in einem bestimmten Markt (z. B. Einzelhandel) haben und kreativ mit Sprache umgehen können.

Unabhängig vom Fachbereich sind aber auch bei uns die Soft Skills, die jeder Anwalt und jede Anwältin in einer internationalen Großkanzlei mitbringen sollte, genauso wichtig: Teamfähigkeit, Empathie, Sprachgefühl, Englischkenntnisse und Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge.

iurratio: Welche Anforderungen stellen Sie an Referendare für eine Stage bzw. an Berufsanfänger für eine Tätigkeit in Ihrer Kanzlei?

Anna Kräling: Einschlägige Vorkenntnisse können von Vorteil sein, sind aber nicht unbedingt erforderlich. Wichtiger sind große Neugierde und Begeisterung für das Fachgebiet. Sehr gute Englischkenntnisse hingegen sind tatsächlich von Vorteil. Außerdem sollen der Kandidat oder die Kandidatin natürlich auch zwischenmenschlich ins Team passen.

iurratio: Erwarten Sie von Anfang an eine starke Spezialisierung im Gewerblichen Rechtsschutz zusätzlich zu breiten Kompetenzen im Zivilrecht? Oder findet hier auch ein „Training on the job“ im Sinne eines Heranführens von kleinen zu großen Aufgaben statt?

Anna Kräling: Ein „training on the job“ findet natürlich statt, wozu es bei uns auch immer schnelles und konstruktives Feedback gibt. Und das Wachsen von kleinen zu großen Aufgaben ist ganz unabhängig vom Rechtsgebiet Teil der anwaltlichen Laufbahn, vor allem in einer internationalen Großkanzlei.

In unserem Team sind wir alle sehr schnell in das Fachgebiet hineingewachsen. Begeisterung für das Rechtsgebiet und die damit zusammenhängenden unternehmerischen und praktischen Dinge sind wichtiger als spezielle akademische Vorkenntnisse.

iurratio: Eine renommierte Kanzlei wie Allen & Overy betreut häufig auch Mandate im internationalen Kontext. Wie stellen Sie die Qualifikation Ihrer Mitarbeiter, z.B. bei Kenntnissen der englischen Sprache, sicher?

Anna Kräling: Wir bieten u.a. interne Englischkurse an, und da wir sehr viel auf Englisch arbeiten, trainiert man sich spezielles Fachvokabular, das man am Anfang vielleicht noch nicht so stark beherrscht hat, recht schnell an. Man sollte aber eine gute Basis im Englischen haben und keine Hemmungen, Englisch zu schreiben und zu sprechen. Wer unsicher ist, ob die eigenen Englischkenntnisse ausreichen, sollte dies so früh wie möglich in Angriff nehmen. Ob man dann einen längeren Auslandsaufenthalt oder einen Sprachkurs macht oder mit englischsprachigen Freunden spricht und die Nachrichten z.B. der BBC verfolgt, hängt von den eigenen Neigungen ab.

iurratio: Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach die Erlangung des Fachanwaltstitels im gewerblichen Rechtsschutz?

Anna Kräling: Natürlich spricht nichts gegen einen Fachanwaltstitel, aber bei uns ist er kein Muss. Wir bei Allen & Overy sind sehr viel und sehr häufig für ausländische Mandanten tätig, die mit einem Fachanwaltstitel überhaupt nichts anfangen können. Und der Fachanwalts-Lehrgang bringt einem auch längst nicht alles bei, was man in unserem Job braucht.

Weiterbildung

iurratio: Welche Zukunftsaussichten sehen Sie für Berufseinsteiger im Bereich des Gewerblichen Rechtsschutzes?

Anna Kräling: Berufseinsteiger haben in Großkanzleien generell und unabhängig vom Rechtsgebiet gute Zukunftsaussichten, das gilt auch für den Gewerblichen Rechtsschutz. Ich gehe allerdings davon aus, dass sich der Beratungsbedarf und damit auch der Schwerpunkt der anwaltlichen Tätigkeit innerhalb des gewerblichen Rechtsschutzes verstärkt in Richtung Technologie bewegen wird. Werbung zum Beispiel ist heute ohne „online“, „targeted advertising“, „social media“ und damit ohne Software und Technologie nicht mehr denkbar. Auch die urheberrechtlichen Fragestellungen sind ganz überwiegend stark mit technischen Aspekten verknüpft (bspw. beim Streaming oder Cloud Computing). Das heißt aber auch, dass man im gewerblichen Rechtsschutz die Zukunft konkret mitgestalten kann.

iurratio: Welche Aus-/Weiterbildung im Bereich des Gewerblichen Rechtsschutzes würden Sie Junganwälten ans Herz legen?

Anna Kräling: Wer eine Weiterbildung gezielt im Gewerblichen Rechtsschutz anstrebt, sollte – neben dem Klassiker „einschlägige Promotion“ – über einen spezialisierten LL.M. nachdenken. Im besten Fall natürlich im englischsprachigen und/oder europäischen (EU) Ausland. Einschlägige Praktika und Referendariats-Stationen sind ebenfalls wertvoll, um sich Fachwissen anzueignen, sein Gesamtverständnis zu vertiefen und letztlich auch zu testen, welches Spezialgebiet am reizvollsten ist.

iurratio: Welche Weiterbildungsmöglichkeiten gewährt Ihre Kanzlei?

Anna Kräling: Es gibt interne Weiterbildungsprogramme, sowohl global als auch speziell für Deutschland, die auf die jeweiligen Fachbereiche zugeschnitten sind. Daneben haben wir ein festes Curriculum an Schulungen und Kursen zu verschiedenen nicht-juristischen Themen von Präsentations-Techniken über Zeitmanagement bis zur eigenen Karriereplanung. Häufig legen wir dabei Wert darauf, dass sich unsere Referendarinnen und Referendare und vor allem auch unsere Anwältinnen und Anwälte intern kennenlernen und vernetzen, auch international.

iurratio: Was würden Sie Bewerbern raten, die sich für eine Karriere im Gewerblichen Rechtsschutz interessieren? Welche Schwerpunkte sollten sie bei ihrer Ausbildung setzen, auf welche fachübergreifenden Fähigkeiten Wert legen?

Anna Kräling: Wenn das Interesse schon im Studium aufkommt, sollte man sich die eine oder andere Vorlesung aus dem gewerblichen Rechtsschutz anhören, auch wenn es nicht zum Pflichtstoff gehört. Ich würde außerdem dazu raten, so früh wie möglich erste Praxisluft zu schnuppern und auch verschiedene Kanzleiformate kennenzulernen.

Fachübergreifend: Englisch üben. Das muss nicht immer nur fachbezogen passieren, aber englischsprachige Qualitäts-Nachrichten oder Belletristik im Original zu lesen und Netflix auf Englisch zu gucken, ist sicherlich schon einmal ein guter erster Schritt. Und nicht nur für die Karriere, sondern fürs Leben generell: neugierig bleiben, immer mal wieder hinausgehen aus der eigenen Komfortzone. Das ist nicht immer bequem, macht aber Freude und bereichert. Letzten Endes braucht es Persönlichkeit, um als Anwältin oder Anwalt Karriere zu machen.

iurratio: Vielen Dank für Ihre Zeit und das Interview, Frau Kräling!

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