Spätestens seit Corona einen großen Teil der arbeitenden Bevölkerung ins Homeoffice zwang, haben viele dessen Vor- aber auch Nachteile kennengelernt. Was nun nach mehreren Lock-Downs und der vielerorts angeordneten Arbeit im Homeoffice bleibt, ist die Möglichkeit zum Mobile Working.
Was ist Mobile Working?
Grundsätzlich beschreibt Mobile Working das ortsunabhängige Arbeiten. Anders als beim Homeoffice, bei welchem der/die Arbeitnehmer*in an den Arbeitsplatz zuhause gebunden ist, gibt es beim Mobile Working keinen festen Arbeitsplatz. Der/die Arbeitnehmer*in muss lediglich seine/ihre Erreichbarkeit sicherstellen. Um dies zu ermöglichen, können Arbeitgeber aus eigenem Interesse die Einrichtung eines mobilen Arbeitsplatzes stellen, sie sind dazu jedoch nicht verpflichtet.
Mit gutem Beispiel geht hier die Anwaltsboutique GLADE MICHEL WIRTZ voran. Die Kanzlei legt großen Wert darauf, dass sich Qualität der Arbeit, Arbeitseinsatz, Erreichbarkeit und Arbeitszeiten bei der Arbeit im Büro und dem mobilen Arbeiten nicht unterscheiden und eine klare Trennung von Dienstlichem und Privatem auch beim Mobile Working gegeben ist. Um dies zu gewährleisten, stellt sie ihren Anwälten/Anwältinnen zu Beginn der Tätigkeit eine Standardausstattung mit MacBook, iPhone und AirPods zur Verfügung. Diese können sie bei Bedarf erweitern.
Zudem hat die Kanzleiboutique mit #GMobileWork die Anforderungen und Möglichkeiten der mobilen Arbeit für ihre Anwälte und Anwältinnen klar definiert. Diese haben die Option, bis zu zwei Tage die Woche mobil zu arbeiten. An den restlichen Tagen arbeiten die Anwälte und Anwältinnen im Büro, um einen regelmäßigen persönlichen Austausch innerhalb des Teams zu haben und die fachliche Ausbildung zu fördern.
Weiter ist beim Mobile Working zu berücksichtigen, dass auch dort das Arbeitsschutz- sowie das Arbeitszeitgesetz gelten. Durch die mangelnde Überprüfbarkeit der Arbeitszeit kommt es bei diesem Arbeitsmodell oft zu Überstunden. Doch erst kürzlich entschied das BAG, dass eine generelle Pflicht besteht, die Arbeitszeit zu erfassen. Damit soll das in vielen Unternehmen vorherrschende Vertrauensarbeitszeitmodell durch ein System zur Erfassung der Arbeitszeit abgelöst werden, um künftig Arbeitnehmer*innen vor einem zu hohen Arbeitspensum zu schützen. Wie sich dies umsetzen lässt und die Arbeitszeit beim Mobile Working erfasst werden soll, wird sich wohl künftig zeigen.
Vor- und Nachteile des Mobile Working
Zunächst einmal scheint die Vorstellung überall und jederzeit flexibel arbeiten zu können durchweg positiv. Die Arbeitnehmer können ihren Arbeitsalltag nach ihren Bedürfnissen gestalten und flexibel anpassen. Dadurch wollen die Chefs die Motivation und Leistungsbereitschaft der Arbeitnehmer*innen und ihre Zufriedenheit steigern. Jedoch birgt diese Form des Arbeitens auch das Risiko der Vermischung von Berufs- und Privatleben. Wer kein Büro hat, das er nach Feierabend verlassen kann, sondern die Arbeit stattdessen immer mit sich herumträgt, dem wird es schwerer fallen, die Arbeit ruhen zu lassen. Zudem wird mangels täglicher Anwesenheit aller im Büro die interne Kommunikation erschwert.
Um dem entgegenzuwirken, hat die Großkanzlei Norton Rose Fulbright ihr Arbeitsmodell „Enable“ entwickelt. Dieses zielt darauf ab, die Vorteile der Arbeit im Büro mit der Flexibilität des Mobile Working zu verbinden. Die meisten ihrer Mitarbeiter*innen arbeiten mindestens zwei oder drei Tage pro Woche im Büro, von denen einer ein Team-Tag ist. Dies soll nicht nur die Zusammenarbeit, die Ausbildung und den Zusammenhalt des Teams unterstützen, sondern auch verschiedene Veranstaltungen wie „Lunch & Learn“, After-Work-Drinks oder Welcome-Parties für neue Mitarbeiter*innen ermöglichen.
Doch nicht nur in den Großkanzleien wird einem viel Flexibilität und Freiheit bei der Wahl des Arbeitsplatzes gelassen. Auch die kleineren Kanzleien gehen mit dem Geist der Zeit und bieten ihren Anwälten und Anwältinnen viele Möglichkeiten bei der Gestaltung ihres Arbeitsalltags.
Die Anwaltsboutique ARQIS bietet zum Beispiel in allen Senioritätsstufen Vereinbarungen über persönliche Arbeitszeitmodelle und Auszeiten an. Zudem hat sie ein HybridWork@ARQIS-Konzept entwickelt. Dieses vereint Vorteile aus Büroarbeit und mobilem Arbeiten: Fahrtwege werden reduziert, die Arbeit kann familienfreundlicher organisiert werden, manche arbeiten zu Hause konzentrierter als im Büro und viele schätzen es, ihre Arbeitszeiten flexibler einteilen zu können.
Bis auf wenige Ausnahmen gibt es keine Vorgaben über die Anzahl der Bürotage. Diese werden in jedem Team mit der Führungskraft projekt- und aufgabenbasiert besprochen. Weiter können die Anwälte/Anwältinnen pro Jahr bis zu 20 Arbeitstage aus dem nahen Ausland (bis zu maximal drei Stunden Zeitverschiebung) arbeiten.
Jedoch soll der Zusammenhalt des Teams und der persönliche Austausch weiter im Fokus stehen, weshalb eine rege Präsenz vor Ort gewünscht wird und ein 100%-Remote-Working-Modell daher nicht vorgesehen ist. Zudem berichtet die Kanzlei nach zweieinhalb Jahren teilweise pandemiebedingtem Hybrid Work: die Kollegen und Kolleginnen kommen immer noch gerne in das Büro.
Wohin geht der Trend bei den Kanzleien?
Mobile Working ist immer öfter fester Bestandteil der angebotenen Arbeitsmodelle in den Kanzleien. So hat unsere diesjährige REF50-Auswertung ergeben, dass 68 % der teilnehmenden Kanzleien ihren Berufseinsteigern/Berufseinsteigerinnen die Möglichkeit zum Mobile Working anbieten.
Dabei sind 28 % der teilnehmenden Kanzleien, welche Mobile Working anbieten, Anwaltsboutiquen. 40 % sind mittelständische Kanzleien und 32 % Großkanzleien.
Die konkrete Ausgestaltung des Mobile Working ist jedoch von Kanzlei zu Kanzlei unterschiedlich. So kommt es selten vor, dass die Anwälte und Anwältinnen an fünf Tagen in der Woche mobil arbeiten. Grund hierfür ist oft der mangelnde persönliche Austausch. Deshalb weshalb sind Präsenztage in den Arbeitskonzepten der Kanzleien nicht nur vorgesehen, sondern von den Anwälten und Anwältinnen auch erwünscht.
Einen guten Mix aus mobilem Arbeiten und Präsenz wählt die Großkanzlei CMS Deutschland. Bei ihnen gibt es keine starren Vorgaben, sondern das Team entscheidet gemeinsam, an welchen Tagen es mobil oder aus dem Büro arbeitet. Dabei ist es möglich, bis zu 50 % der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit mobil tätig zu sein. Dabei achten die Anwälte und Anwältinnen stets darauf, dass das Verhältnis zwischen Präsenz und Mobile Working ausgewogen ist.
Ein ganz anderes Konzept zum Mobile Working hat die Anwaltsboutique GLNS. Abgesehen vom Homeoffice, in dem die Anwälte und Anwältinnen mehrere Tage pro Woche arbeiten können, bietet die Kanzlei das spannende Angebot “Working from Away” an. Die Anwälte und Anwältinnen haben hier die Möglichkeit, einmal pro Jahr ihren Arbeitsplatz für eine Woche an einen Ort ihrer Wahl zu verlegen. Hierzu bekommen sie einen Reisekostenzuschuss. Mobile Working kann also auch in einer Almhütte in den Bergen oder einer Hängematte am Strand der Südsee stattfinden.
Fazit
Das Angebot zum Mobile Working in den Kanzleien wächst und wird stetig erweitert. So ist in einem Großteil der Kanzleien, welche an unserer REF50-Erhebung teilnehmen, das Arbeitsmodell des Mobile Working bereits zu finden. Die Entscheidung, dieses in Anspruch zu nehmen, liegt dabei jedoch oft bei den Anwälten/Anwältinnen selbst. Diese gaben nach einer Corona bedingten längeren Zeit im Homeoffice vermehrt die Rückmeldung, gerne ins Büro zu kommen.
Wie so oft ist es daher der Mix, der es macht.
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