Können Sie sich zunächst kurz vorstellen?
Ich heiße Daniel Seitz und ich arbeite als Rechtsanwalt im Bereich Patent Litigation bei der IP-Kanzlei Finnegan, Henderson, Farabow, Garrett & Dunner, LLP in München.
Das Gebiet Patentrecht gehört nicht zu den klassischen Rechtsgebieten, die in der Juristenausbildung auftauchen. Wie haben Sie sich für diesen Bereich begeistern können?
Wahrscheinlich wurde mir eine gewisse Begeisterung für Technik und Naturwissenschaften bereits in die Wiege gelegt. Mein Vater hat als Ingenieur im Bereich der Elektrotechnik gearbeitet und ist als Erfinder auf zahlreichen Patenten genannt. Wenn ich bei meinen Eltern zu Besuch bin, liegt dort im Gäste-WC heute noch das Buch „Wie funktioniert das? Die Technik im Leben von heute“, in dem ich schon als Kind immer gerne geblättert hatte. Zwar hat diese Begeisterung nicht ausgereicht, um eine Naturwissenschaft zu studieren, aber mit meiner Tätigkeit im Patentrecht schließt sich dieser Kreis wieder.
Was hat Sie dazu bewogen, sich für eine Tätigkeit im Bereich Patentrecht zu entscheiden? In welchem Karrierestadium fiel die Entscheidung, anwaltlich in diesem Bereich tätig zu werden?
Dass ich einmal als Rechtsanwalt im Bereich Patentrecht tätig sein werde, stand während meiner juristischen Ausbildung noch nicht fest. Zwar hatte ich im Rahmen meines Schwerpunktstudiums bereits erste Berührungspunkte mit dem Urheberrecht. Das Patentrecht war mir zu diesem Zeitpunkt aber noch unbekannt. Nachdem ich mein zweites Staatsexamen erfolgreich bestanden hatte, wollte ich zum Berufseinstieg das Handwerkszeug des Rechtsanwalts in einer Großkanzlei lernen. Da ich an den klassischen Tätigkeitsbereichen des Großkanzleianwalts wie zum Beispiel M&A wenig Interesse hatte, informierte ich mich über die zahlreichen Nischenbereiche, vorzugsweise mit einer Verbindung zur Prozessführung. Dabei bin ich auf das Patentrecht gestoßen und startete letztendlich als Associate bei einer internationalen Großkanzlei.
Womit müssen Jurist:innen an einem typischen Arbeitstag im Bereich Patent Litigation rechnen?
Was mich am Patentrecht begeistert, ist die sehr abwechslungsreiche Arbeit. Aufgrund der Kombination von Jura und Technik gleicht kein Fall dem anderen. Als Prozessanwalt im Patentrecht wird man nicht nur mit anspruchsvollen Problemen auf dem Gebiet des Zivilprozessrechts und des Patentrechts konfrontiert, sondern man agiert auch als „Dolmetscher“, um die oft hochkomplexen technischen Sachverhalte für die Richter bei den Zivilgerichten verständlich aufzubereiten. Hierzu tauschen wir uns eng mit den Patentanwälten in unserem Team aus, die die Arbeit der Rechtsanwälte mit ihren technischen oder naturwissenschaftlichen Fähigkeiten unterstützen und ergänzen.
Die Tätigkeit als Patent Litigator umfasst das Aufklären und Analysieren des Sachverhalts, die Prüfung rechtlicher Fragen, das Entwickeln von überzeugenden Argumenten sowie das Ausarbeiten von Schriftsätzen und deren Abstimmung mit den Mandanten. Da Patentstreitigkeiten oft globale Rechtsstreitigkeiten sind, bei denen Gerichtsverfahren in mehreren europäischen Ländern, den USA und Asien parallel geführt werden, spielen auch die internationale Koordination sowie strategische Aspekte eine wichtige Rolle. Dabei muss man stets die Ziele, die der Mandant in der Auseinandersetzung verfolgt, im Blick behalten, um den bestmöglichen Erfolg für den Mandanten zu erzielen. Dass der Ablauf des Patentverletzungsprozesses vom Gericht durch Fristen und Termine frühzeitig vorgegeben wird, macht die anwaltliche Tätigkeit auch langfristig gut planbar.
Inwieweit sind Ihre Erwartungen an die praktische Arbeit im Bereich Patent Litigation erfüllt worden? Was waren Ihre größten Überraschungen?
Das Patentrecht bietet einem die Möglichkeit, abseits der juristischen Arbeit mit jedem Fall in ein neues Gebiet der Technik einzutauchen und interessante und lehrreiche Einblicke in unterschiedliche Technologien zu erhalten. Ich erinnere mich noch gut an einen meiner ersten Fälle, bei dem es um ein Verfahren zum Herstellen von Mikrochips ging. Ich fand es faszinierend, wie man durch das Auftragen und Wegätzen mikroskopisch dünner Materialschichten und durch die Verwendung unterschiedlicher Prozesstemperaturen freischwingende Mikrostrukturen erzeugen kann, die als Gyroskopsensoren beispielsweise in Smartphones verwendet werden, um feststellen zu können, ob das Smartphone gekippt wurde.
Positiv überrascht hat mich, dass die Kolleginnen und Kollegen aus unterschiedlichsten Kanzleien großen Wert auf einen kollegialen Umgang untereinander legen, obwohl man sich vor Gericht mit harten Bandagen streitet, um die Interessen der eigenen Mandanten durchzusetzen. Da auf dem Gebiet der hochkarätigen Großmandate für bekannte, global agierende Unternehmen die Patentrechts-Community sehr klein ist, sieht man sich in seinem Berufsleben oft mehr als nur einmal.
Erwarten Sie bei Finnegan von Anfang an eine starke Spezialisierung in diesem Bereich zusätzlich zu breiten Kompetenzen im Zivilrecht? Oder findet hier auch ein „training on the job“ im Sinne eines Heranführens von kleinen zu großen Aufgaben und an die Besonderheiten des Gebiets statt?
Eine besondere Spezialisierung ist für den Berufseinstieg bei Finnegan nicht erforderlich. Neben ausgezeichneten juristischen Fähigkeiten und Kenntnissen, insbesondere in der Zivilprozessordnung, sollte man auch eine Aufgeschlossenheit gegenüber technischen Sachverhalten mitbringen. Die vertieften Fachkenntnisse erlangt man – wie in den meisten hochspezialisierten Rechtsgebieten – durch „training on the job“. Wir legen dabei großen Wert auf die Ausbildung unserer neuen Kollegen und stellen jedem einen erfahrenen Mentor zur Seite. Zum Beginn des Jahres konnten wir zudem eine Partnerin für Marken- und Designrecht für unseren Münchner Standort gewinnen. Berufseinsteiger haben somit die Möglichkeit, nicht nur im Patentrecht, sondern auch im „Soft IP“ Erfahrungen zu sammeln und erst später zu entscheiden, auf welchen Bereich man sich spezialisieren möchte.
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Was sind Ihrer Meinung nach die aktuell spannendsten Fragen im Bereich Patent Litigation?
Das wohl spannendste Thema ist das Einheitliche Patentgericht (Unified Patent Court, kurz: UPC), das zum 1. Juni 2023 seine Tätigkeit aufgenommen hat und das ermöglicht, ein Patent in den aktuell 17 Mitgliedsstaaten in einem einzigen Verfahren durchzusetzen. Seit seines nun einjährigen Bestehens wurde das UPC von den Patentinhabern gut angenommen. Aber es bleibt weiterhin spannend mitzuverfolgen und mitzugestalten, wie sich dieses neue Gericht entwickelt und welche einheitliche Spruchpraxis sich etablieren wird.
Was sind Ihrer Meinung nach die schwierigsten Herausforderungen in diesem Bereich?
Durch den Start des UPC sind die Patentprozesse internationaler geworden. Kanzleien stehen sich nun nicht mehr nur auf dem deutschen Markt als Wettbewerber gegenüber, sondern grenzüberschreitend. Als Patent Litigator und Kanzlei muss man sich an diese neue Wettbewerbssituation anpassen und Mandanten durch die exzellente Qualität seiner eigenen Arbeit überzeugen.
Auch der technische Fortschritt stellt nicht nur für die Anwendung des Rechts eine Herausforderung dar, sondern auch für die tatsächliche Arbeit als Anwalt. Um für seine Mandanten einen Mehrwert zu schaffen, muss man nicht nur die rechtlichen Entwicklungen, sondern auch technischen Entwicklungen stets im Auge behalten.
Welche Soft Skills sind für eine anwaltliche Tätigkeit in diesem Rechtsgebiet vorteilhaft bzw. notwendig? Auf welche Anforderungen der Branche müssen sich Bewerber:innen hier einstellen?
Aufgrund des internationalen Arbeitsumfelds sind sichere Englischkenntnisse eine Grundvoraussetzung. Die patentspezifische Terminologie eignet man sich dann in der täglichen Arbeit an. Da in hochkomplexen Patentstreitigkeiten nur gemeinsam als Team das beste Ergebnis erzielt werden kann, sind Teamfähigkeit und Kommunikationsstärke wichtige Eigenschaften. Zudem ist es von Vorteil, wenn das Interesse an naturwissenschaftlichen oder technischen Sachverhalten oder sogar am Patentrecht bereits aus dem Lebenslauf sichtbar wird.
Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach eine Promotion oder die Erlangung eines Fachanwaltstitels für die Tätigkeit in diesem Bereich?
Einen allein auf das Patentrecht ausgelegten Fachanwaltstitel gibt es nicht, sondern nur den breiter aufgestellten Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz. Wenn man in einem internationalen Umfeld tätig sein möchte, spielt der Fachanwaltstitel nur eine untergeordnete Rolle. Auch eine Promotion ist keine Voraussetzung, um eine Karriere im Patentrecht zu starten. Wer eine Zusatzqualifikation erwerben möchte, sollte den Erwerb eines Masters im Bereich IP im englischsprachigen Ausland in Erwägung ziehen. Dieser bietet nicht nur die Möglichkeit, eine ausländische Rechtsordnung kennenzulernen und seine fachspezifischen Englischkenntnisse zu verbessern, sondern ist auch eine gute Gelegenheit, um internationale Kontakte zu knüpfen.
Welche Aus- und Weiterbildung in dem Rechtsgebiet würden Sie Junganwält:innen ans Herz legen?
Seminare und Konferenzen zum gewerblichen Rechtsschutz und zum Patentrecht im Besonderen sind eine gute Gelegenheit, um sich über aktuelle Entwicklungen in der Rechtsprechung und Praxis zu informieren und um Kontakte zu Kollegen und Richtern sowie potenziellen Mandanten zu knüpfen.
Welche Zukunftsaussichten sehen Sie für Berufseinsteiger:innen im Bereich Patent Litigation?
Patent Litigation ist ein spannender und abwechslungsreicher Tätigkeitsbereich. Gerade in einer kleinen Einheit wie bei Finnegan hat man auch als Berufseinsteigerin oder Berufseinsteiger die Gelegenheit, sich aktiv in die Entwicklung des Standorts einzubringen.
Welchen Ratschlag würden Sie an diesem Rechtsgebiet interessierten Nachwuchsjurist:innen mit auf den Weg geben? Welche Schwerpunkte sollten sie bei ihrer Ausbildung setzen?
Da das Patentrecht ein eher unbekannter Bereich ist und auch nicht alle Universitäten einen patentrechtlichen Schwerpunkt anbieten, kann ich angehenden Juristinnen und Juristen, die neugierig auf das Patentrecht sind, sehr empfehlen, diesen Bereich bereits frühzeitig in der Praxis kennenzulernen. Hierzu bieten sich ein Praktikum während des Studiums oder eine Nebentätigkeit oder Station während des Referendariats an.
Vielen Dank für die Zeit und das Interview, Herr Seitz!
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