Osborne Clarke: Work-Life-Balance in der Personalentwicklung – ein gesunder Trend?
Die internationale Rechtsanwaltskanzlei Osborne Clarke hat die Personalentwicklung ihrer Associates neu strukturiert. So wurde neben der Einführung von neuen Karrierestufen ein Fokus auf Kommunikation zur steten Verbesserung gesetzt.
Besonders bemerkenswert ist auch der Fokus auf eine gesunde Work-Life-Balance der angestellten Rechtsanwälte.So soll es möglich sein, ein sogenanntes „Sabbatical“ einzulegen, unbezahlten Urlaub.
Für Rechtsanwälte bei Osborne Clarke, aber auch für jeden anderen, der in der juristischen Arbeitswelt Fuß fassen will, kann diese Veränderung von großer Bedeutung sein und das Bild wie auch die Tätigkeit eines angestellten Rechtsanwaltes in einer Großkanzlei nachhaltig aufwerten. Wir beobachten diese neuen Entwicklungen mit großem Interesse und haben hierzu Carsten Schneider, Managing Partner bei Osborne Clarke, befragt.
Interview mit Managing Partner Carsten Schneider
iurratio: Sie haben die Strukturen Ihrer Personalentwicklung in Deutschland stark überarbeitet. Was waren die Auslöser und Beweggründe hierfür?
Carsten Schneider: In den vergangenen Jahren hat sich sehr viel geändert: die Ansprüche und Ziele der Mitarbeiter, die Anforderungen an den Anwaltsberuf in einer großen Wirtschaftskanzlei, der Wettbewerb um neue Mitarbeiter. Darum mussten auch wir uns weiterentwickeln: Um unsere Mitarbeiter optimal auszubilden, ihnen einen attraktiven Arbeitsplatz, aber auch Entwicklungsperspektiven zu bieten, ihren Ansprüchen gerecht zu werden.
Dabei war uns sehr wichtig, dass unsere Werte weiter im Mittelpunkt stehen: offene Kommunikation, Transparenz, gegenseitiges Vertrauen und Teamwork mit so wenig Hierarchie wie möglich.
iurratio: Es geht vorliegend nur um Anpassungen im deutschen Raum. Wie sieht die Entwicklung im internationalen Vergleich aus? Sind hier ähnliche Tendenzen in der Personalentwicklung zu beobachten?
Carsten Schneider: Unsere Kollegen in England haben ihr Karrieresystem vor kurzem ebenfalls grundlegend überarbeitet, mit durchaus vergleichbaren Strukturen. Allerdings unterscheiden sich die Rahmenbedingungen von Land zu Land, und die jeweiligen Büros müssen individuelle Lösungen finden. Wir streben aber insgesamt möglichst ähnliche Karrierestufen in allen Ländern an, in denen wir tätig sind, um unserem „one firm“-Anspruch gerecht zu werden.
iurratio: Ihr neues Karrieremodell sieht vier Entwicklungsstufen vor, für welche Regelzeiten festgelegt sind, von denen allerdings abgewichen werden kann. Unter welchen Voraussetzungen sind derartige Abweichungen vorgesehen?
Carsten Schneider: Wir wollen mit Mitarbeitern nicht schematisch verfahren, sondern ihre individuelle berufliche und persönliche Entwicklung begleiten: Wer die Voraussetzungen für einen Karrieresprung erfüllt, kann diesen auch früher machen. Wer mehr Zeit benötigt, soll diese bekommen.
iurratio: Sie gewähren ab dem 2. Berufsjahr neben dem Festgehalt einen Bonus, der je nach Karrierestufe in der Spitze mehr als 25% betragen kann. Nach welchen Parametern bestimmt sich diese im Einzelfall?
Carsten Schneider: Der Bonus hängt von der Geschäftsentwicklung der Kanzlei in Deutschland ab, aktuell genauer gesagt von der Produktivität, dem Umsatz pro Berufsträger. Diesen können die Kollegen einerseits durch ihre eigene Arbeit mitbestimmen; andererseits fördert ein solcher Bonus die Zusammenarbeit in der Kanzlei, weil mehr als die persönliche Leistung der gemeinsame Erfolg zu Grunde gelegt wird.
iurratio: Besonders interessant erscheint Ihre Fokussierung auf Work-Life-Balance. Wie wichtig ist es Ihrer Auffassung nach, diese zu einem festen Bestandteil des Arbeitsverhältnisses zu machen? Was sind die Bedürfnisse eines Anwalts, denen hier entsprochen werden muss?
Carsten Schneider: Bislang haben wir dem Wunsch unserer Mitarbeiter nach flexiblen Arbeitsmodellen mit pragmatischen Lösungen entsprochen. Das wollten wir nun auch explizit festschreiben. Ausgeglichenheit, Spaß an der Arbeit, ausreichend Zeit für ein erfülltes Privatleben sind die Basis für gute Arbeit.
Daher wollen wir unseren Mitarbeitern möglichst viel Flexibilität, aber auch Mobilität ermöglichen. Dazu gehört eine entsprechende IT-Ausstattung ebenso wie flexible Home-office-Regelungen.
iurratio: Festgeschrieben ist nun auch die Möglichkeit eines „Sabbatical“, ein unbezahlter Urlaub, zunächst begrenzt auf einen Monat. Wie soll die Umsetzung aussehen? Es gibt schließlich feste Mandanten, laufende Verfahren und auslaufende Fristen? Gibt es hierfür Lösungsansätze? Erwarten Sie Verständnis Ihrer Mandanten dafür, dass ihr Anwalt womöglich nicht erreichbar ist?
Carsten Schneider: Einen Anspruch auf ein Sabbatical haben Senior Associates ab ihrem fünften Berufsjahr. Wann diese Auszeit genommen wird, muss rechtzeitig mit dem jeweiligen Team abgesprochen werden. Dabei werden laufende Mandate natürlich berücksichtigt.
Unsere Mandanten kennen in der Regel Sabbaticals aus ihrem eigenen Berufsumfeld und werden sich freuen, wenn unsere Anwälte nach einem Sabbatical mit frischem Schwung ans Werk gehen. Selbstverständlich sorgen wir während der Abwesenheit einer Kollegin oder eines Kollegen für eine perfekte Vertretung.
iurratio: Weiterhin soll es möglich sein, sämtliche Karrierestufen auch in Teilzeit zu erreichen. Passen sich die Regelzeiten zum Übergang hier an?
Carsten Schneider: Wir handhaben die Regelzeiten auch deshalb ganz bewusst flexibel, um auf die berufliche Entwicklung von Kolleginnen und Kollegen in Teilzeit bestmöglich einzugehen. Die Anforderungen leiten sich von den Bedingungen ab, die für eine Vollzeittätigkeit auf der jeweiligen Karrierestufe gelten.
iurratio: Welchen Mehrwert sehen Sie in den Änderungen? Wird der neue Fokus auf Kommunikation und Austausch für eine effektivere Problembehebung und Qualitätskontrolle sorgen?
Carsten Schneider: Wir achten sehr darauf, unsere Kultur des Miteinanders zu bewahren, Werte wie Offenheit und gegenseitiger Respekt auch zu leben. Regelmäßiges Feedback in alle Richtungen stärkt das Vertrauen und die enge Zusammenarbeit zwischen Partnern und Associates. Dabei geht es uns nicht nur um das Feedback im Rahmen strukturierter, gut vorbereiteter Personalentwicklungsgespräche, sondern auch um das tägliche Feedback.
iurratio: Gibt es bereits Feedback der betroffenen angestellten Anwälte?
Carsten Schneider: Die Associates waren in die Entwicklung des Programms eingebunden; wir haben ihren Input so weit wie möglich berücksichtigt. Unser diesjähriges „Kick-Off Meeting“ aller deutschen Anwälte stand zudem ganz im Zeichen von „Feedback“ – dabei wurde noch einmal deutlich, dass die Weiterentwicklung unserer Strukturen gut angenommen wird. Und gerade erst haben wir den azur Award für Aus- und Fortbildung gewonnen – auch weil die Zufriedenheit unserer Associates sich deutlich gesteigert hat.
Festzuhalten ist bis hierhin, dass Osborne Clarke den Bedürfnissen ihrer Associates mehr und mehr Bedeutung einzuräumen scheint und dadurch nicht bloß die Lebensqualität dieser, sondern langfristig auch die Qualität des Serviceangebotes steigen soll und wird. Insgesamt lässt sich ein Trend zu einer ausgeglichenen Work-Life-Balance-Gewährleistung beobachten. Wir behalten die Entwicklung im Auge und werden euch über weitere Neuerungen unterrichten.