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Arbeitsrecht: Interview mit RiArbG Daniel Obst

Im Rahmen unseres Berufsspecials zum Arbeitsrecht führten wir ein Interview mit Daniel Obst, der seit 2010 Vorsitzender Richter der 7. Kammer beim Arbeitsgericht Mannheim ist. Er erzählte uns von seiner Tätigkeit als Richter und seinen Tipps für arbeitsrechtlich Interessierte.
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Das Schöne an der Tätigkeit als Richter ist das Element der Schlichtung und der neutralen Position.

Zu unserem Berufsspecial Arbeitsrecht

Daniel Obst ist seit 2010 Vorsitzender Richter der 7. Kammer beim Arbeitsgericht Mannheim. Daneben steht er der 2. Kammer des Kirchengerichts für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten (MVG) Stuttgart der Evangelischen Kirche in Württemberg vor.

Tätigkeit

Iurratio: Herr Obst, warum haben Sie sich gerade für die Seite des Richters und nicht die des Anwalts entschieden? In welchem Stadium der Ausbildung fiel diese Entscheidung?

Herr Obst: Naja, ganz so frei ist eine Entscheidung nicht, da die Übernahmequote als Richter und Staatsanwalt bekanntlich sehr gering ist. Ich hatte mich „auf Verdacht“ beworben, da meine Examensnote überraschend gut war. Außerdem war meine Mutter bereits als Richterin tätig. Nach zwei Vorstellungsgesprächen im Justizministerium kam dann überraschend eine Zusage. Eine solche Chance ergreift man dann natürlich! Das Schöne an der Tätigkeit als Richter ist das Element der Schlichtung und der neutralen Position.

Iurratio: Wie unterscheiden sich Verfahren und Streitgegenstände beim Kirchengericht von solchen, die vor den „weltlichen“ Arbeitsgerichten verhandelt werden?

Herr Obst:Das Kirchengericht ist nur für kollektives Kirchenarbeitsrecht zuständig. Hier gibt es starke Parallelen zum Betriebsverfassungsrecht und den Beschlussverfahren. Die Streitgegenstände sind sehr ähnlich, auch bei der Kirche bzw. der Diakonie stehen wirtschaftliche Entscheidungen des Arbeit- bzw. Dienstgebers im Hintergrund der Verfahren.

Mein Eindruck ist, dass in der Sache bei der Kirche momentan „härter“ gestritten wird, auch weil der sogenannte Dritte Weg der Kirche im Arbeitsrecht in Frage gestellt wird. Andererseits ist der „Drang“ zu einer Einigung und einem Einvernehmen auch wieder höher. Die Verfahren dauern also länger, enden aber oft „versöhnlicher“, wenn ich das mal so ausdrücken darf.

Iurratio: Wie sind Sie zu Ihrer Tätigkeit als Vorsitzender Richter am Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten gekommen?

Herr Obst: Es gab eine Anfrage über das Landesarbeitsgericht Ba- den-Württemberg des Stuttgarter Landesbischofs. In einem sehr komplizierten Auswahlverfahren fiel dann die Entscheidung auf mich. Man wird auf 5 Jahre von der Arbeitsrechtlichen Kommis- sion der Landeskirche gewählt. Dazu ist eine 75 % Mehrheit notwendig. Eine Wiederwahl ist möglich.

Iurratio: Wie wichtig sind für die Tätigkeit als Richter am Arbeitsgericht beispielsweise in einem Unternehmen gesammelte Erfahrungen?

Herr Obst: Sie sind sicherlich bereichernd aber aus meiner Sicht nicht zwingend notwendig. In Baden-Württemberg gibt es seit kurzem ein sehr erfolgreiches (freiwilliges) Hospitationsprogramm für bereits ernannte Arbeitsrechtlerinnen und Richter. Diese arbeiten dann einige Monate zumeist in großen baden-württembergischen Unternehmen. Die Kollegen berichten davon nur Gutes.

Iurratio: Wie sieht der Instanzenzug bei den Kirchengerichten aus?

Herr Obst: Es gibt in den Landeskirchen ein Kirchengericht erster Instanz. Zweite und letzte Instanz ist der Evangelische Kirchengerichtshof der EKD (Evangelische Kirche in Deutschland) in Hannover.

Iurratio: Aus wie vielen Richtern bestehen die Kammern beim Kirchengericht? Sind sie ausschließlich mit Juristen besetzt?

Herr Obst: Die Kammern sind mit einem Vorsitzenden Richter besetzt, der Volljurist ist. Die Beisitzer kommen, wie beim weltlichen Arbeitsgericht, aus den Reihen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Bei Kirche und Diakonie heißt das dann aber „Dienstnehmer“ und „Dienstgeber“. Es sind fast ausnahmslos Nichtjuristen. Die Arbeit der Beisitzer ist von unschätzbarem Wert, da sie Einblicke in die Lage vor Ort haben.

Iurratio: Was macht für Sie den Reiz an der arbeitsrichterlichen Tätigkeit aus?

Herr Obst: Arbeitsrichter ist, zumindest für mich, schon so etwas wie ein Traumberuf! Im arbeitsgerichtlichen Verfahren sind alle Beteiligten stark auf eine Einigung, also einen Vergleich fokussiert. Eine solche gütliche Beilegung eines Rechtsstreites ist immer ein Erfolgserlebnis für die Richter, aber natürlich auch ein gutes Ergebnis für die Parteien. Es wird sehr schnell Rechtsfrieden, ein Interessensausgleich und Rechtssicherheit hergestellt.

Ein solches Ergebnis erfordert aber Verhandlungsgeschick, Kompetenz und die Aussendung von Vertrauen, außerdem ein Stück weit Menschenkenntnis. Das macht die Tätigkeit herausfordernd spannend. Außerdem stehen oft wirtschaftliche Zusammenhänge im Hinter- oder Vordergrund, diese Materie empfinde ich als hoch interessant. Dazu kommt noch die Schnelligkeit der Verfahren. Es gilt ja der arbeitsgerichtliche Beschleunigungsgrundsatz. Diesen nehmen baden-württembergische Gerichte besonders ernst. Dadurch ist man ständig in kurzen Abständen mit neuen interessanten Fällen konfrontiert, das macht Spaß!

Ihr Rat für Interessierte

Iurratio: Welche Tipps können Sie Studentinnen und Studenten mitgeben, die sich für eine Karriere in der Arbeitsgerichtsbarkeit interessieren? Welche Schwerpunkte sollten Sie in ihrer Ausbildung setzen?

Herr Obst: Arbeitsrecht vorwärts, seitwärts, rückwärts natürlich! Spannend sind Ausbildungsabschnitte bei (Fach-)Kanzleien für Arbeitsrecht, Personalabteilungen von Unternehmen, aber auch und gerade bei Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden.

Iurratio: Vielen Dank für Ihre Zeit und das Interview, Herr Obst!

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