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Einstellungsvoraussetzung für Referendariat und Berufseinstieg

Wir stellen euch hier verschiedene Möglichkeiten vor, wie auch ohne Prädikatsexamen eine Karriere in den einzelnen juristischen Bereichen erreichbar ist.
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Öfter als man denkt kann man anstelle der Spitzennoten die nötigen Zusatzqualifikationen vorweisen

Keine Karriere ohne Prädikat?

Ein Prädikat – der Traum aller Jurastudenten und Absolventen beider Examina. Doch nur die Wenigsten können ein solches tatsächlich erreichen. Genauer gesagt nur etwa 18 % der Absolventen des 2. Staatsexamens erreichen die magischen 9 Punkte, noch seltener auch mehr. Gerade Arbeitgeber wie Großkanzleien ringen daher um die wenigen Spitzenabsolventen. Auch im Staatsdienst sind gute Noten eine Voraussetzung.

Als wäre das Staatsexamen nicht sowieso schon eine große Herausforderung, wird den Studenten zusätzlich noch mehr Druck gemacht. Überall fällt das magische Wort Prädikat – in der Universität, im Repetitorium, in den Stellenanzeigen der Arbeitgeber.

Was aber, wenn es mehr zu besetzende Stellen gibt, als entsprechende Bewerber mit herausragenden Ergebnissen? Wir stellen euch hier verschiedene Möglichkeiten vor, wie auch ohne Prädikatsexamen eine Karriere in den verschiedenen Bereichen erreichbar ist und ob ein solches tatsächlich eine unerlässliche Voraussetzung darstellt.

Die Chancen in einer Großkanzlei – Prädikat nur Scheinvoraussetzung?

Dass man sich in einer Großkanzlei ohne Prädikatsexamen gar nicht erst zu bewerben braucht, war bisher die verbreitete Ansicht unter den meisten Absolventen. Hat sich daran möglicherweise mittlerweile etwas geändert?

Fakt ist: Großkanzleien sind anspruchsvolle Arbeitgeber und suchen dementsprechend nach wie vor hochqualifizierte Mitarbeiter. In den Stellenausschreibungen ist meistens nach überdurchschnittlichen oder hervorragenden Ergebnissen gefragt. Dies zielt bekanntlich auf die Prädikatsnote ab.

In unserer Umfrage für den REF50 haben wir Kanzleien dazu befragt, wie wichtig ihnen ein Prädikatsexamen bei der Einstellung von Referendaren sowie Associates ist. Auf einer Skala von 1 (unwichtig) bis 10 (unerlässlich) konnten die Arbeitgeber dazu Auskunft erteilen. Es sei zwar gleich vorweg gesagt, dass von den 92 teilgenommen Kanzleien keine angegeben hat, ein Prädikatsexamen sei für die Einstellung eines Referendars oder Associates unwichtig. Jedoch gaben lediglich 5,4 % der Kanzleien an, 9 Punkte oder mehr seien eine unerlässliche Einstellungsvoraussetzung für Referendare. Für Associates stieg die Zahl an, hier waren es 21,7 % der Kanzleien, davon waren mehr als die Hälfte allerdings Großkanzleien.

Die meisten Kanzleien (etwa 22 %) gaben an, ein Prädikatsexamen sei für die Einstellung von Referendaren besonders wichtig (Stufe 9 auf der Skala), aber eben nicht „unerlässlich“. Für die Einstellung eines Associates stufen etwa 20 % der Kanzleien mindestens ein Vollbefriedigendes Examen als „besonders wichtig“ ein.

Hier haben wir die Arbeitgeber gefragt, inwiefern die Bewerber ein fehlendes Prädikat bei der Einstellung als Referendar ausgleichen können.

„Eine Promotion oder einen im Ausland erworbenen LL.M. begrüßen wir, werden jedoch nicht vorausgesetzt. Eine Zusatzqualifikation (Promotion oder ausländischer LL.M.) wirkt sich positiv auf die Gehaltseinstufung aus”, erfahren wir von der Kanzlei DLA Piper. “Grundsätzlich bewerten wir Bewerbungen nicht nur anhand der Noten. Bedeutende Vorerfahrungen und besonderes Engagement auf anderen Gebieten kann ein fehlendes Prädikatsexamen ausgleichen.“

Mittlerweile gibt es auch in vielen Großkanzleien die Punkte-Regelung, bei der die Summe beider Examina mindestens 18 Punkte ergeben soll, manchmal reichen auch 16 Punkte aus. In unserer Umfrage gaben 17 % der Großkanzleien an, dass für die Einstellung von Associates eine Summe von mindestens 16 Punkte in den Staatsexamina unerlässlich sei.

Ohne solche Ausnahmen käme eine Großkanzlei auch gar nicht auf die gewünschte Zahl der Angestellten, da sich auch einige von den Top-Absolventen gegen eine Arbeit hier entscheiden. Dass trotzdem oft ein Geheimnis um die Einstellungspraxis gemacht wird, liegt daran, dass die Mandanten großer Kanzleien die beste Rechtsberatung und damit die besten Kandidaten erwarten.

Mittelständische Kanzlei – Geringere Einstellungshürden

In mittelständischen Kanzleien sind die Voraussetzungen nicht so streng wie in den Großkanzleien. Dies lässt sich in Stellenausschreibungen oft schon an der Formulierung erkennen, man solle „möglichst“ ein überdurchschnittliches Examen mitbringen. Solche oder ähnliche Formulierungen lassen zwar durchblicken, dass manche Kanzleien auch hier große Erwartungen haben (Wer schlägt schon ein „Vollbefriedigend“ aus?), diese aber schneller lockern als die Großkanzleien. In unserer Umfrage war unter den 5,4 % der Kanzleien, die ein Prädikatsexamen als unerlässliche Voraussetzung für die Einstellung von Referendaren forderten, nur eine mittelständische Kanzlei vertreten.

„Mindestens ein Prädikatsexamen und sehr gute Englischkenntnisse sind Voraussetzung für einen Berufseinstieg bei Redeker Sellner Dahs, eine abgeschlossene Promotion oder ein LL.M. werden darüber hinaus gern gesehen”, erzählt uns Dr. Andreas Rosenfeld, Mitglied des Managementausschusses der Sozietät Redeker Sellner Dahs, der zuständig für Nachwuchs und Personal ist. “Bei einer Bewerbung für das Referendariat sind die genannten Punkte noch keine zwingende Voraussetzung. Sie können durch einen Lebenslauf, der Engagement im juristischen Bereich (praktisch wie wissenschaftlich) zeigt sowie durch sicheres Auftreten, Teamfähigkeit und gute rhetorische sowie schriftliche Fähigkeiten ausgeglichen werden”, so Dr. Rosenfeld.

Vor allem aber auf Softskills wird in den mittelständischen Kanzleien Wert gelegt. Die Tätigkeiten verlaufen hier nämlich näher am Mandanten als in einer Großkanzlei. Dieser wird über den gesamten Verlauf vom gleichen Anwalt betreut.

Ein weiterer Vorteil der mittelständischen Kanzleien ist die weniger strenge Hierarchie, wodurch es Mitarbeitern leichter ermöglicht wird, aufzusteigen. Dafür ist im Gegenzug das Gehalt auch niedriger als in den Großkanzleien, wobei dies wahrscheinlich ein Faktor ist, der gerne in Kauf genommen wird, wenn das Arbeitsklima persönlich und kollegial ist und die Arbeitszeiten sich außerdem näher an einer gesunden Work-Life-Balance bewegen.

Alles in allem können fehlende Prädikatsexamina oft durch Zusatzqualifikationen wie besonders gute Kenntnisse in den entsprechenden Rechtsgebieten der Kanzlei oder einem roten Faden im Lebenslauf ausgeglichen werden. Das bedeutet, dass man schon früh (etwa im Studium) für ein bestimmtes Rechtsgebiet Interesse gezeigt und sich dahingehend spezialisiert hat.

Unternehmen – Zusatzqualifikationen und Softskills zählen

Besonders für die Einstellung in einem Unternehmen sind Zusatzqualifikationen der Schlüssel. Dadurch heben sich Bewerber von der breiten Masse ab und bringen die erforderlichen Fähigkeiten schon mit und müssen sie nicht erst erlernen. Sehr gefragt sind in Unternehmen neben verhandlungssicherem Englisch natürlich Wirtschaftskenntnisse. Das bedeutet nicht, dass man unbedingt noch ein komplettes BWL- oder VWL-Studium anschließen muss. An einigen Universitäten gibt es spezielle Studiengänge, die beides verbinden.

Auch einzelne Kurse der Wirtschaftswissenschaften können besucht werden. So bietet die Universität Mainz das „SQ-Zertifikat-Wirtschaft“ für Juristen an, in dem Rechnungswesen genauso Thema ist wie Wirtschaftspolitik. Auch die Universität Münster bietet verschiedene „Zusatzausbildungen“ in mehreren Rechtsgebieten für Juristen an, die schon während des Studiums, aber auch danach oder im Referendariat absolviert werden können.

Weiterhin kann bei der Wahl des Schwerpunkts bereits auf besondere Interessen geachtet werden. Eine Weiterbildung in dem Bereich, mit dem man sich gern im Arbeitsleben beschäftigen möchte, ist sinnvoll. Ein Schwerpunkt im Banken- und Finanzrecht ist für Kreditinstitute vermutlich ansprechender als einer, der nur gewählt wurde, weil dort angeblich bessere Noten verteilt werden. Auch Kenntnisse im Arbeitsrecht sind innerhalb eines Unternehmens immer von Vorteil.

Grundsätzlich werden in Unternehmen Softskills wie Kommunikations- und Teamfähigkeit für die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Abteilungen stärker gewichtet als in vielen Kanzleien. Besonders die Personalabteilungen der Unternehmen beurteilen Bewerber neben den Noten nach anderen Kriterien.

Auch bei Bundesbehörden wie der Bundesnetzagentur oder dem Bundeskriminalamt haben Juristen ohne Prädikat eine gute Chance. Eine Alternative sind außerdem Entwicklungshilfeorganisationen, Rechtsanwaltskammern oder Lobby-Verbände sowie Wohnungsbaugesellschaften.

Berufseinsteiger im Richteramt dringend gesucht

Dass ein Doppelprädikat keine unbedingte Voraussetzung für das Richteramt ist, ist mittlerweile bekannt. Wie sehen die Chancen ohne „Vollbefriedigend“ aber tatsächlich aus? Da eine große Pensionierungswelle auf die Gerichte und Staatsanwaltschaften zukommt, könnte es demnächst leichter werden, dort eine Stelle zu bekommen. Für die Richterbank wird dringend Nachwuchs gesucht.

Hierbei konkurriert die Justiz allerdings stark mit den Großkanzleien und Wirtschaftsunternehmen, da diese im Vergleich ein viel attraktiveres Einkommen bieten. Wer als Richter oder Staatsanwalt in den Beruf einsteigt, erhält im bundesweiten Durchschnitt rund 48.000 Euro brutto im Jahr. Im Gegensatz dazu liegt das Einstiegsgehalt in einer Großkanzlei im Schnitt bei etwa 118.000 Euro, in einem Unternehmen bei etwa 87.000 Euro.

Um dementsprechend Bewerber anzulocken, werden in Berlin beispielsweise mittlerweile nicht mehr zwei Prädikatsexamina benötigt. Hier genügt es, wenn der Absolvent im ersten Examen sieben und im zweiten Examen acht Punkte erzielt hat.

Auch in Bremen wurden die Anforderungen angepasst. Zwar werden weiterhin Bewerber mit „Vollbefriedigend“ bevorzugt eingestellt. Jedoch werden auch diejenigen berücksichtigt, die in der zweiten Staatsprüfung ein „befriedigend“ mit mindestens acht Punkten und in der ersten Staatsprüfung die Note „befriedigend“, also mindestens 6,5 Punkte, erreicht haben, sofern sie sich durch besondere Qualifikationen auszeichnen. Dazu gehören etwa Berufserfahrungen, zusätzliche berufliche Qualifikationen oder Auslandserfahrungen.

In Niedersachsen reichen zum Richteramt 6,5 Punkte im zweiten Examen aus, wenn die Bewerber ihre besondere Qualifikation anders belegen können, etwa durch nachgewiesene besondere Leistungen in der ersten Staatsprüfung, im Referendariat oder durch eine wissenschaftliche Tätigkeit. Auch in Rheinland-Pfalz und Bayern ist eine Bewerbung mit 8 Punkten in der Staatsprüfung möglich.

Bewerber in NRW benötigen für eine Einstellung mindestens 7,75 Punkte im zweiten Staatsexamen sowie den Nachweis, dass „besondere Eigenschaften“ den Notenunterschied ausgleichen. Darunter fallen beispielsweise hervorragende Leistungen im Abitur, dem Studium, im ersten Staatsexamen oder während des Vorbereitungsdienstes.

In manchen Bundesländern sind nicht die einzelnen Examensnoten relevant, sondern ähnlich wie bei den Großkanzleien die Summe. So reichen in Thüringen insgesamt 16 Punkte, in Hessen braucht man 17 Punkte, wobei der Wert von acht Punkten im zweiten Examen nicht unterschritten werden darf.

In Sachsen-Anhalt werden momentan grundsätzlich ein Examen mit mindestens 9 Punkten und ein weiteres Examen mit mindestens 7,5 Punkten, insgesamt also mindestens 16,5 Punkte gefordert. (Stand 2020)

Da die Justiz Nachwuchs dringend braucht und in Sachen Gehalt nicht unbedingt punkten kann, wirbt sie mit anderen Vorzügen. Vorteile des Staatsdienstes sind jedenfalls die langfristige Planungssicherheit, eine gute Alters- und Krankenversorgung sowie eine ausgeglichene Work-Life-Balance. Richter genießen außerdem persönliche Unabhängigkeit und müssen sich nicht von Mandanten leiten lassen.

Fazit:

In der Realität gibt es also viel mehr offene Stellen als Prädikatsabsolventen und die Arbeitgeber brauchen Unterstützung. Daher liegt es nahe, dass auch Berufseinsteiger ohne Doppelprädikat eingestellt werden müssen. Auch bei der Einstellung von Referendaren ist nicht immer ein Vollbefriedigend unerlässliche Voraussetzung.

Es ist nicht notwendig, dass sich Absolventen mit ausreichenden und befriedigenden Examina Sorgen um ihre Existenz machen oder Nachteile im Berufsleben befürchten müssen. Auch sie haben die Hürde Staatsexamen erfolgreich gemeistert. Daher gilt bei vielen Bewerbungen: Nicht sofort den Kopf hängen lassen und als unmöglich abtun! Öfter als man denkt kann man anstelle der Spitzennoten die nötigen Zusatzqualifikationen vorweisen oder punktet beim Vorstellungsgespräch mit einem ansprechenden „Gesamtpaket“.

Berufe für Juristen gibt es viele und glücklicherweise auch immer mehr Arbeitgeber, die alle verschiedenen Fähigkeiten der Bewerber zu schätzen wissen. Fakt ist: Auch Juristen ohne das magische Vollbefriedigend können erfolgreich und zufrieden werden.

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