Diskussion um den Schwerpunktbereich
Vor einiger Zeit gab es Aufregung unter Studierenden und Lehrenden. Die Diskussion um den Schwerpunktbereich an der Uni und dessen Sinnhaftigkeit wurde erneut aufgenommen. Es wurden Stimmen laut, die den universitären Schwerpunkt abschaffen wollten, es wird über eine Reduktion der Wertung gesprochen; von 30 auf 20 Prozent der Gesamtnote. Während einige Studierende den Schwerpunkt als verbesserungsbedürftig ansehen, steht ein großer Teil hinter ihm, fordert eine Angleichung zur besseren Vergleichbarkeit und sieht die Universitäten in der Pflicht, Mankos auszubügeln. So auch der Bundesverband rechtswissenschaftlicher Fachschaften, der offen in den Dialog geht und seine Meinung deutlich vertritt.
Das gesamte Studium über lernen wir das Gleiche, eine Möglichkeit, Alleinstellungsmerkmale zu erwerben, besteht meist nur außerhalb der universitären Veranstaltungen, die Prüfungsinhalt der ersten Pflichtfachprüfung sind. Der Schwerpunkt bietet die Möglichkeit, praxisnah neue Fertigkeiten zu erwerben und sich intensiv mit einem neuen (Rand-)Gebiet zu befassen. Aus diesem Grund werden wir euch in dieser Reihe exotische und interessante Schwerpunktbereiche an verschiedenen Universitäten vorstellen.
Der Schwerpunkt „Law & Finance“ an der Universität Frankfurt (Main)
Lara-Letizia Milione hat den Schwerpunkt „Law & Finance“ an der Goethe-Universität Frankfurt absolviert und stellt ihn uns im Folgenden vor.
iurratio: Welchen Schwerpunkt hast du gewählt und aus welchem Grund?
Lara-Letizia: Ich habe den Schwerpunkt „Law & Finance“ an der Goethe-Universität in Frankfurt gewählt. Entschieden habe ich mich für den Schwerpunkt aus mehreren Gründen: Zunächst ist Frankfurt als Banken- und Börsenstadt prädestiniert für diesen Schwerpunkt. Und weil sich hier allerlei kluge Köpfe aus der Branche tummeln, hat der Schwerpunkt gerade in den letzten Jahren enorm an Substanz gewonnen; viele gute Dozenten, die viele gute Veranstaltungen anbieten, sind an die Goethe-Uni und das dazugehörige House of Finance gekommen. Ausschlaggebend für mich war aber, dass mein Berufswunsch in die Richtung geht und ich mich für den Rechtsbereich interessiere.
iurratio: Welche Leistungen muss man an deiner Fakultät erbringen, um das Schwerpunktzeugnis zu erhalten? Was sind die Erfordernisse?
Lara-Letizia: Um den Schwerpunkt erfolgreich abzuschließen, benötigt man in Frankfurt 7 Leistungen: Es müssen 2 Klausuren geschrieben werden, ferner 2 Seminararbeiten (die vergleichbar mit ausführlicheren Schein-Hausarbeiten sind), 2 Sitzscheine müssen erworben werden und den Abschluss bildet die Wissenschaftliche Hausarbeit. Die hat meist einen Umfang von etwa 50 Seiten, je nach betreuendem Professor, und vertieft eines der Fächer, das man in seinem Schwerpunkt belegt hat.
Von diesen Leistungen darf eine Klausur und eine Seminararbeit in einem anderen Schwerpunkt erbracht werden, muss aber nicht. Und natürlich besteht die Möglichkeit, einige der Leistungen im Ausland zu erbringen; ich habe zwei Klausuren für den Schwerpunkt im Erasmus-Jahr in Mailand geschrieben. Insgesamt zählt der Schwerpunkt in Hessen 30% der Examensgesamtnote.
iurratio: Wie beliebt ist dein Schwerpunkt?
Lara-Letizia: Unberechtigterweise wird der Schwerpunkt häufig verschmäht und ist einer der Unbeliebtesten an unserer Uni. Es wird ihm nachgesagt, dass die Dozenten etwas knauserig mit Punkten und die Klausuren schwerer als in anderen Schwerpunkten seien (teilweise mag das auch zutreffen). Die breite Masse ist deshalb eher opportunistisch veranlagt und entscheidet sich entweder für „Altbekanntes“ und besucht den Kriminologie-Schwerpunkt oder den für Arbeit, Familie und Soziales oder schlägt den „Weg des geringsten Widerstandes“ ein und sammelt Punkte im Grundlagen-Schwerpunkt ein. Im Schwerpunkt „Law & Finance“ sind also vornehmlich Leute anzutreffen, die ein spezielles Interesse am Thema oder einen entsprechenden Berufswunsch haben.
iurratio: Wie ist die Betreuungssituation? Sind Praktiker eingebunden?
Lara-Letizia: Definitiv. Viele der Veranstaltungen werden im Schwerpunkt von Dozenten gehalten, die hauptberuflich Anwälte, Insolvenzverwalter oder Berater sind. Außerdem bietet die Infrastruktur der Uni – das House of Finance, in dem die meisten Law & Finance Veranstaltungen stattfinden – viele Gelegenheiten an Lunch Lectures, Workshops, Summerschools und Vorträgen von meist namhaften Personen teilzunehmen.
Was die Professoren-Studenten Situation angeht, ist es hier wie in den meisten staatlichen Unis auch; viele Professoren sind überlastet und haben deshalb wenig Zeit für individuellen Betreuung. Aber ich habe noch nie erlebt, dass jemand, der einen persönlichen Termin wollte, keinen bekommen hat.
iurratio: Wie schätzt du den Praxisbezug ein/ wie die Examensrelevanz und wie die Relevanz für das Referendariat?
Lara-Letizia: Möchte man später in einer Großkanzlei, als Syndikus, bei großen Wirtschaftsprüfern oder inhouse in einer Bank arbeiten, dann ist die Praxisrelevanz des Schwerpunkts offensichtlich. Grade auch, weil man im Zweifel im Grundstudium wenig bis keine Berührung mit dem Thema hatte. So wichtig der Schwerpunkt aber in der juristischen Praxis ist, so irrelevant ist er für das Examen: Bis auf ein paar Bröckchen Gesellschaftsrecht und vielleicht ein bisschen Darlehensrecht ist da nichts an „Mehrwissen“ zu holen. Für das Referendariat hingegen gilt wieder: Will man eine Station in einer großen Kanzlei oder einer Bank machen, freuen sich die Personaler und Personalerinnen über diesen Schwerpunkt und es erleichtert den Start in diese Branchen.
iurratio: Was gefällt dir an deinem Schwerpunktbereich? Wo siehst du Verbesserungsbedarf?
Lara-Letizia: Mir gefällt besonders, dass der Schwerpunkt so viel Neues im Vergleich zum Grundstudium bietet und viel tiefer geht als man sich das jetzt vielleicht vorstellt. Ich mag auch den wirtschaftlich-ökonomischen Einschlag und ganz generell finde ich das Thema juristisch auch schlicht am ansprechendsten.
Wenn ich etwas kritisieren müsste, dann wäre es die teilweise willkürliche Notengebung im Schwerpunkt (noch willkürlicher als im Grundstudium) und die oft diametral verlaufenden Anforderungen an die Leistung der Studenten. Es gibt riesige Wertungsunterschiede zwischen den Bundesländern einerseits, den verschiedenen Schwerpunkten der Unis andererseits sowie zwischen den verschiedenen Veranstaltungen und Dozenten. Es gibt keinen wirklichen Standard zur Überprüfung von Leistung und Können wie es das mit dem schriftlichen Examen nach dem Grundstudium gibt. Überspitzt gesagt bekommt man für ein und dieselbe Leistung im Bundesland A im Schwerpunkt X von Dozent 1 knappe 7 Punkte, während man im Bundesland B im Schwerpunkt Y bei Dozent 2 eine wohlwollende 16 mit nach Hause genommen hätte. Gerade vor dem Hintergrund, dass der Schwerpunkt ins Examen zählt (und nicht gerade wenig – trotz neuerlicher Debatte über die Sinnhaftigkeit des Schwerpunkts) sollte hier nachjustiert werden.
iurratio: Vielen Dank für das Interview!
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