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Journal / Referendariat / Zweites Staatsexamen

Mein Weg zum Zweiten Staatsexamen – Viele Wege führen nach Rom

Mit diesem Beitrag möchte ich zeigen, dass auch ein eher unkonventioneller Weg am Ende zu einem guten Examen führen kann.
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Ich möchte jeden ermutigen, sich den für sie oder ihn funktionierenden Weg zu suchen

„Wer nicht mindestens eine hohe zweistellige Anzahl an Probeklausuren
unter Examensbedingungen geschrieben hat, hat keine realistische
Chance das Examen zu bestehen.“

„Ich habe mit dem Repetitorium schon vor Beginn des Referendariats
angefangen, sonst wird das alles ja viel zu knapp.“

„Mindestens vier Monate Tauchphase sind nötig, um das Examen
zu packen.“

Nicht entmutigen lassen

Kaum hatte ich das erste Staatsexamen in der Tasche und wollte voller Tatendrang und Vorfreude auf die Praxis in mein Referendariat starten, da ging sie schon wieder los, die mir bereits wohl vertraute Panikmache. Und das, wo der gefürchtete Tag X der ersten Klausur doch noch mehr als 20 Monate entfernt war? Jetzt bin ich natürlich nicht zu überheblich, um gerne und dankend gute Ratschläge zur Examensvorbereitung anzunehmen, lasse mich aber auch nach meinen Erfahrungen im ersten Examen zum Glück nicht mehr völlig verrückt machen.

Mit diesem Beitrag möchte ich zeigen, dass auch ein eher unkonventioneller Weg am Ende zu einem guten Examen führen kann.
Keinesfalls möchte ich dabei behaupten, dass ich alles oder auch nur das meiste richtig gemacht habe, aber vielleicht muss man das ja auch gar nicht immer, um trotzdem an seinem Ziel anzukommen.

Mein Referendariat

In der Phase nach Abschluss meines Studiums und vor Beginn meines Referendariats habe ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei FPS in Frankfurt im Energierecht gearbeitet. Daran, bereits jetzt mich gezielt auf das zweite Examen vorzubereiten, dachte ich noch gar nicht, sodass ich auch kein Repetitorium gestartet habe. Als dann im Januar 2017 endlich das Referendariat startete, stellte ich beruhigt fest, dass die anderen aus meiner AG ebenfalls die Wochen und Monate zuvor nicht mehr getan hatten, als das materielle Recht zu wiederholen. Das neu dazukommende prozessuale Wissen habe ich generell erst in den jeweiligen Stationen innerhalb und außerhalb der AGs gelernt und vertieft.

Nicht alle AGs sind gleich gut. Das weiß ich, da ich teilweise erschreckende Berichte von anderen AG-Standorten gehört habe, die ich absolut nicht bestätigen konnte. Bei uns in Limburg hatten wir aber das Glück, wirklich gute und motivierte AG-Leiter erwischt zu haben. Hinzu kam, dass wir eine sehr kleine AG waren, wodurch wir viel intensiver betreut wurden, mehr Klausuren und mehr Aktenvorträge üben konnten und sich auch niemand in den Stunden „wegducken“ konnte. Darauf, wie groß die eigene AG ist, hat man als Referendar natürlich nur bedingt Einfluss, vielleicht ist es aber für den ein oder anderen eine Überlegung wert, sich auch außerhalb der gefragten Metropolen für das Referendariat zu bewerben.

Dementsprechend motiviert war ich auch während der gesamten Zeit, nicht nur körperlich in den AGs anwesend zu sein, sondern auch immer gut vorbereitet mitzuarbeiten. Für die AG-Klausuren habe ich gelernt wie auf „echte“ Klausuren und wir haben sie auch immer unter Examensbedingungen – teilweise sogar unter Aufsicht – geschrieben.

Vor dem ersten Staatsexamen hatte ich keine einzige Examensklausur geschrieben. Jeder, aber wirklich jeder, mit dem ich gesprochen habe, machte mir deutlich, dass ich für das zweite Examen auf jeden Fall Übungsklausuren schreiben müsste. Über die notwendige Anzahl waren sich alle uneinig, im Schnitt waren es aber bei den meisten deutlich weniger Klausuren als für das erste Examen. Das liegt natürlich auch daran, dass man das erste Examen quasi unbegrenzt vor sich herschieben kann, die Zeit vor dem zweiten Examen aber begrenzt ist.

Außerhalb der AG-Klausuren habe ich ungefähr fünf Klausuren bei uns am Gericht geschrieben und ansonsten einige Klausursachverhalte skizziert, aber nicht ausformuliert. Auch wenn es am Ende auch so gut funktioniert hat bei mir, würde ich rückblickend vielleicht doch noch früher anfangen mit den Klausuren, damit ich mir in den Examensklausuren keine Gedanken über banale Dinge wie Formalia mehr machen müsste. Dabei würde ich mich auf den Gerichtsklausurenkurs beschränken, da ich dort unter einer ähnlichen Drucksituation wie in richtigen Klausuren gestanden habe.

Meine Lernmaterialien

Viele Buchliebhaber werden mich jetzt bestimmt als Monster abstempeln, aber bei meinen Büchern und Skripten habe ich regelmäßig intensiv von meinem Recht aus § 903 BGB Gebrauch gemacht. Während andere gerne Informationen aus Büchern rausschreiben, habe ich lieber in die Bücher reingeschrieben. Auf dem Sofa mit einer Tasse Tee, beim Essen oder auch in der Badewanne. Gruslige Vorstellung für den ein oder anderen, aber für mich funktioniert dieses System. Mit diesen Büchern und Skripten habe ich nicht erst kurz vor den Klausuren gelernt, sondern hatte die meisten schon in den jeweiligen Stationen wenigstens einmal durchgelesen.

Auch nach dem Ende meines Studiums habe ich an meinem JuS-Abo festgehalten und mich damit während des Referendariats jeden Monat auf dem aktuellen Stand gehalten. In Hessen haben mittlerweile alle Referendare Zugriff auf ein ordentlich bestücktes Beck-Online Modul, in dem es auch neben den klassischen Zeitschriften zwei der zahlreichen verfügbaren Ausbildungszeitschriften gibt.

Auch für das zweite Staatsexamen werden von verschiedenen Anbietern Karteikarten angeboten, was ich aber nicht genutzt habe und mir auch selbst keine solchen erstellt habe. Zusätzlich habe ich ungefähr acht Monate vor den Klausuren mit dem Onlinerepetitorium von Lecturio für das zweite Staatsexamen begonnen. Vor allem die zivilrechtlichen Videos waren aus meiner Sicht eine gute Wiederholungsmöglichkeit, die mir sicherlich viel geholfen hat.

Die ganz heiße Phase

In den letzten vier Wochen vor den Klausuren war ich tatsächlich dann auch nicht mehr wirklich in der Kanzlei. Vor allem, weil mein Chef (ihm sei von Herzen gedankt!) darauf bestanden hat, dass ich mir doch mal Zeit nehme, um intensiv zu lernen. In dieser Zeit habe ich alle Skripte noch einmal im Schnelldurchlauf durchgelesen und mir gleichzeitig alle möglichen aus meiner Sicht examensrelevanten Urteile durchgelesen.

In dieser Phase habe ich auch ganz besonders auf meine Gesundheit geachtet. Gelernt habe ich häufig im Stehen oder auf meinem Stepper, war ausreichend an der frischen (wenn auch leider im vergangenen August sehr heißen) Luft und habe meinen Meerschweinchen das Gemüse weggefuttert. Um für optimale Rahmenbedingungen zu sorgen, habe ich mir sogar das angeblich die Gedächtnisleistung steigernde Ginkgo zugelegt. Ob mir irgendetwas davon im Examen selbst geholfen hat, weiß ich natürlich nicht, aber manchmal hilft ja auch schon die Stärkung des Selbstbewusstseins weiter.

Die Klausuren

Wie wichtig ausreichend Schlaf vor den Klausuren ist, liest man überall. Nur leider musste ich, um an meinen Prüfungsort zu pendeln, jeden Tag um 5 Uhr aufstehen und konnte davor – wie vermutlich jeder – auch nur bedingt gut schlafen. In der Situation bleibt dann nichts anderes übrig, als sich mit dem ohnehin ausreichend vorhandenen körpereigenen Adrenalin und in rauen Mengen zusätzlich zugeführtem Koffein durch die Klausuren zu kämpfen und sich ins Bewusstsein zu rufen, dass niemand wirklich gut geschlafen hat. Nicht die Mitprüflinge, die mit einem im Prüfungssaal sitzen und vermutlich auch die heutigen Korrektoren nicht, als sie damals in der Situation waren.

In den Klausuren selbst kam ich mit der vorhandenen Zeit in den meisten Fällen gut zurecht, konnte teilweise sogar deutlich früher abgeben. Wie schon im ersten Examen lag mir Arbeitsrecht aus unerklärlichen Gründen dabei am wenigsten (das Arbeitsrecht erwidert meine Liebe nicht…) und das sonstige Zivilrecht am meisten. Insgesamt kann ich nach Erhalt meiner Ergebnisse aber das bestätigen, was jeder Jurist sicher schon oft gehört hat – man schätzt sich falsch ein. Meine vermeintlich stärkste Klausur war nur Mittelfeld, andere dafür deutlich besser als erwartet.

Tipp: Wer in den Übungsklausuren nach viereinhalb Stunden einen Schlussstrich zieht, hat in den Klausuren dann genug Zeit. Noch ein Tipp: Auf jeden Fall sollte man sich die Zeit nehmen, die zugelassenen Kommentare aufzuschlagen, das hat sich bei mir sowohl in den Übungsklausuren als auch im Examen immer gelohnt.

Die Wahlstation

Nach den Klausuren habe ich mir zunächst zwei bewusst lernfreie Wochen gegönnt. Aus den zwei Wochen wurden dann ganz schnell weitere vier Wochen, da ich neben meiner doch sehr arbeitsintensiven Wahlstation nicht viel Zeit zum Lernen hatte. Aus Gesprächen mit meinen Kolleginnen und Kollegen weiß ich aber, dass es da den meisten so geht. So richtig intensiv habe ich mit dem Lernen erst am Ende der Wahlstation wieder begonnen, wobei das vor dem Erhalt der Ergebnisse der Klausuren nicht sonderlich organisiert verlief.

Zusätzlich zu meiner normalen Tageszeitung habe ich mir für die Phase vor der Mündlichen ein Abo der Onlinezeitung „Einspruch“ der FAZ gegönnt und mich damit und mit den sonst frei verfügbaren juristischen Inhalten auf dem neuesten Stand gehalten. Als Buchliebhaber musste ich natürlich auch alle für die mündliche Prüfung verfügbaren Skripte und Bücher anschaffen und durchlesen. Wer bis hierhin durchgehalten hat, kann aufatmen: Diese Werke sind deutlich angenehmer und unterhaltsamer (darf man das über juristisches Lernmaterial sagen?) geschrieben als das Material für die Klausuren.

So verging die bei uns in Hessen sowieso mit nur ungefähr zwei Wochen zwischen Notenbrief und Prüfung knapp bemessene Zeit wie im Fluge und das Ende meiner juristischen Ausbildung nahte.

Die mündliche Prüfung

Wie bereits erwähnt, waren wir in unserer kleinen AG deutlich häufiger mit Aktenvorträgen an der Reihe, sodass ich allein dadurch bereits eine ganz gute Routine hatte. Hinzu kamen einige Aktenvorträge, die ich in meiner Anwaltsstation im Rahmen der dort angebotenen AG halten konnte. Vor der mündlichem Prüfung galten meine Sorgen daher weniger meinem Zeitmanagement und dem grundsätzlichen Aufbau und Stil von Aktenvorträgen als der Tatsache, dass mich dort ein Aktenauszug erwartet, den ich innerhalb der bei uns in Hessen zur Vorbereitung gegebenen 60 Minuten nicht in den Griff bekomme.

Als ich dann als letzte in der Prüfungsgruppe den Vorbereitungssaal betrat und mir den Auszug aushändigen ließ, war das zum Glück nicht der Fall. Nachdem ich den anfänglichen Schock über das von mir weniger geliebte Mietrecht verdaut hatte, kam ich ganz gut in die Probleme rein, benötigte aber auch fast die kompletten 60 Minuten für meine Lösungsskizze. In den geübten Aktenvorträgen hatte ich am Ende oft noch Zeit, die Lösung nochmal kurz durchzugehen, hier musste ich mich mit Weglegen des Stiftes quasi schon auf den Weg machen. Mein Tipp wäre daher, sich bei den Übungsaktenvorträgen fünf bis zehn Minuten weniger Zeit zu genehmigen für die Lösung, sodass man im Ernstfall gut hinkommt.

Mein persönliches Fazit

Vor Beginn des Referendariats hätte ich bestimmt gesagt, dass ich weniger arbeiten und mehr Klausuren schreiben, weniger Bücher kaufen und noch mehr Rechtsprechung verfolgen, vor allem aber insgesamt organisierter an die Examensvorbereitung rangehen würde. Rückblickend hat es aber genau so, wie es schließlich gelaufen ist, für mich am besten funktioniert. Durch das Lernen auf die AG-Klausuren saß das Prozessuale schon weitgehend und dank der vielen Arbeit nebenher konnte ich mir auch die ganzen Bücher leisten, die ich dann durch meine aggressive Lernmethode ruiniert habe.

Die eingangs aufgeführten Originalzitate haben sicher ihre Berechtigung und waren sicher auch alle gut gemeint. Trotzdem gibt es auch andere Wege und ich möchte jeden ermutigen, sich den für sie oder ihn funktionierenden Weg zu suchen. Euch allen wünsche ich viel Spaß im Referendariat, Durchhaltevermögen in der Examensvorbereitung und natürlich auch das nötige Quäntchen Glück!

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