Ich möchte Jura studieren, aber wo?
Nach dem Abitur gilt es nicht nur, sich für ein Studienfach zu entscheiden, sondern auch die passende Universität auszuwählen. Der Wunsch, eine juristische Laufbahn einzuschlagen, ist nicht immer vorprogrammiert und das Wissen um Schwerpunktinteressen, Stärken und Schwächen in diesem Bereich oft mangels Erfahrung noch rar gesät. Deswegen ist es nicht immer leicht, unter den vielen juristischen Fakultäten, diejenige auszuwählen, die für einen richtig ist. Heimatsort, Wohn- und soziale Situation spielen oft eine wichtige Rolle, aber auch die Fragen:
- Wie ist die Betreuungssituation?
- Was bietet mir meine Universitätsstadt?
- Was hat meine Uni, was andere nicht haben?
Zum Semesterstart wollen wir euch einige Studierende vorstellen, die uns einen Einblick in ihr Studierendenleben an ihrer Universität geben wollten. Ganz bewusst distanzieren wir uns von Werbung auf Hochschul-Onlinepräsenzen oder in Katalogen und stellen euch subjektive Eindrücke der jeweiligen Personen dar. Hier ist ein Erfahrungsbericht zum Jurastudium in Göttingen.
Das Studium an der Georg-August-Universität Göttingen
Ich habe mein Studium im Sommersemester 2012 an der Georg-August-Universität Göttingen begonnen und mit dem 1. Staatsexamen im März 2017 abgeschlossen.
Die Studienortwahl
Ich habe die Universität Göttingen aus mehreren Gründen als Studienort gewählt. Zunächst war es dort möglich, das Studium zum Sommersemester zu beginnen. Dies war für mich wichtig, da ich nach dem Abitur ein halbes Jahr in Spanien war und dann nicht noch ein halbes Jahr auf den Studienbeginn warten wollte.
Ich hatte dann die Wahl zwischen mehreren Universitäten und habe mich für Göttingen entschieden; zum einen wegen des guten Rufs der Universität und insbesondere der juristischen Fakultät. Zum anderen hielt ich Göttingen für eine gute Stadt zum Studieren, da es eine überschaubare Studentenstadt ist und man überall unter Gleichgesinnten ist.
Auch die Nähe zur Heimat war für mich ein Grund, nach Göttingen zu gehen, im Nachhinein hat sich dies aber eher als Nachteil herausgestellt, denn ich bin – wie auch sehr viele andere in meinem Studiengang – an den Wochenenden oft nach Hause gefahren und so war es schwierig, einen festen Freundeskreis aufzubauen. Ich denke, um guten Anschluss zu finden ist es hilfreich, wenn man darauf angewiesen ist und nicht einfach jederzeit zu den Freunden in der Heimat zurück kann.
Die Universität Göttingen
Die Universität in Göttingen kann ich durchweg empfehlen. Das Hörsaalgebäude und der angrenzende große Campus sowie alle anderen wichtigen Gebäude sind – zumindest für die Juristen – sehr zentral und gut erreichbar. Auch die Mensa sowie mehrere Cafés bieten eine wirklich umfangreiche Auswahl an gutem Essen und die Räumlichkeiten sind sehr gemütlich.
Die juristische Fakultät
Über die juristische Fakultät in Göttingen kann ich ebenfalls nur positiv berichten. Ich denke, es gibt viele fachlich kompetente Professoren, die einem das erforderliche Wissen mal mit mehr, mal mit weniger rhetorischen und pädagogischen Fähigkeiten gut vermitteln können. Ich bin im Gegensatz zu vielen anderen Studierenden regelmäßig zu den Vorlesungen gegangen und konnte daraus meist viel mitnehmen. Ich denke, das muss aber auch jeder für sich selbst entscheiden, ob er durch Vorlesungen lernt oder sich lieber selbst den Stoff erarbeitet.
Die Begleitkollegs zu den Vorlesungen
Für jedes Fach gab es neben den Vorlesungen sogenannte Begleitkollegs (BK’s). Diese werden meist von wissenschaftlichen Mitarbeitern der Professoren durchgeführt und dienen dazu, den Stoff der Vorlesungen zu wiederholen und anhand von Fällen zu erarbeiten. Da diese BK’s in kleineren Gruppen (ca. 20 Personen) stattfinden, ist der Inhalt dort für viele oft greifbarer als in den Vorlesungen und es kann eine aktivere Mitarbeit stattfinden. Ich persönlich fand aber gerade die Kombination von den Vorlesungen und den Begleitkollegs besonders gut und würde auf jeden Fall empfehlen, zu beiden Veranstaltungen zu gehen.
Die Bibliothek
Für das eigenständige Arbeiten ist die Bibliothek in Göttingen – das Juridicum – sehr gut ausgestattet. Die Arbeitsplätze bieten genügend Platz, sind hell und modern und es ist angenehm ruhig. Ich selbst habe meist nur für Hausarbeiten in der Bibliothek gesessen und für die Klausuren oder Nacharbeit eher zuhause gelernt.
Die Betreuung durch die Hochschule
Die Betreuung durch die Hochschule könnte besser sein, ich denke aber auch, dass dies auch dem Studiengang an sich geschuldet ist, da eben sehr viele Studierende in einem Semester sind und so kaum eine persönliche Atmosphäre aufkommen kann. Es gibt aber ein Studienbüro der juristischen Fakultät, welches sich um alles Organisatorische kümmert und für Fragen oder Beratungen zur Verfügung steht.
Mein Interessenschwerpunkt
Mein persönlicher Interessenschwerpunkt liegt im Medizinrecht und im Strafrecht. In diesen Bereichen habe ich auch meinen Schwerpunkt absolviert. Dieser besteht an der Universität Göttingen aus einer vorbereitenden Seminararbeit, einer weiteren Seminararbeit und einer Studienarbeit jeweils mit mündlicher Präsentation und Diskussion (so war es zumindest vor 2 Jahren).
Da nur die Seminararbeit und die Studienarbeit mit den jeweiligen mündlichen Verteidigungen die Note der Schwerpunktbereichsprüfung bilden, sind die Anforderungen hier im Vergleich zu denen anderer Universitäten eher gering. Ich habe zwei dieser Arbeiten zu medizinrechtlichen Themen verfasst und die dritte zu einem Thema aus der Kriminologie.
Auch habe ich ca. 1,5 Jahre am Lehrstuhl in der Abteilung für strafrechtliches Medizin- und Biorecht als studentische Hilfskraft gearbeitet. Die Universität Göttingen ist was diesen juristischen Bereich angeht, wirklich sehr gut aufgestellt. Mich persönlich reizt daran die Verknüpfung mit der Naturwissenschaft und die Vielfalt der medizinrechtlichen Fragestellungen, die in vielen Lebenssituationen sowohl in zivilrechtlicher, öffentlich-rechtlicher und strafrechtlicher Hinsicht eine Rolle spielen können.
Die Examensvorbereitung
Für die Vorbereitung auf das Examen bietet die Uni Göttingen ein Repetitorium sowie einen Klausurenkurs. Bei dem Klausurenkurs werden wöchentlich jeweils freitags und samstags Klausuren geschrieben. Dies ist ein wirklich gutes Angebot, welches man nutzen sollte. Das Repetitorium an sich habe ich nicht besucht, da es mir zu nah an den Vorlesungen aus den vorherigen Semestern war und mir persönlich die andere Herangehensweise eines privaten Repetitoriums in dem Stadium mehr gebracht hat.
Meine Empfehlung an zukünftige Jurastudenten
Das Jurastudium an sich würde ich Abiturienten empfehlen, wenn sie sich gut vorher darüber informiert haben und ungefähr wissen, was auf sie zukommt. Ich halte es für sinnvoll, sich vorab in ein paar Vorlesungen zu setzen und sich einfach mal anzuhören, was dort besprochen wird. Denn erst dort bekommt man in meinen Augen wirklich einen Eindruck davon, was genau der Inhalt des Studiums sein wird. Ich denke, dass man schnell merkt, ob einem das Fach an sich liegt bzw. überhaupt interessiert. Sollte man sich mit dem Interesse unsicher sein, würde ich eher davon abraten.
Wer nicht in einer Großstadt leben möchte, sondern eher in einer gemütlichen Studentenstadt, der ist in Göttingen auf jeden Fall gut aufgehoben.