Ich möchte Jura studieren, aber wo?
Nach dem Abitur gilt es nicht nur, sich für ein Studienfach zu entscheiden, sondern auch die passende Universität auszuwählen. Der Wunsch, eine juristische Laufbahn einzuschlagen, ist nicht immer vorprogrammiert und das Wissen um Schwerpunktinteressen, Stärken und Schwächen in diesem Bereich oft mangels Erfahrung noch rar gesät. Deswegen ist es nicht immer leicht, unter den vielen juristischen Fakultäten, diejenige auszuwählen, die für einen richtig ist. Heimatsort, Wohn- und soziale Situation spielen oft eine wichtige Rolle, aber auch die Fragen:
- Wie ist die Betreuungssituation?
- Was bietet mir meine Universitätsstadt?
- Was hat meine Uni, was andere nicht haben?
Zum Semesterstart wollen wir euch einige Studierende vorstellen, die uns einen Einblick in ihr Studierendenleben an ihrer Universität geben wollten. Ganz bewusst distanzieren wir uns von Werbung auf Hochschul-Onlinepräsenzen oder in Katalogen und stellen euch subjektive Eindrücke der jeweiligen Personen dar. Weiter geht es mit Jannina Schäfer, die an der Universität Tübingen studiert.
Das Studium an Eberhard Karls Universität Tübingen
iurratio: In welchem Semester bist du und wo liegt dein Interessenschwerpunkt?
Jannina: Ich bin 24 Jahre alt und studiere seit dem Wintersemester 2011 an der Eberhard Karls Universität in Tübingen. Die Uni wurde 1477 gegründet und gehört damit zu den ältesten Universitäten in Europa. Momentan studieren ca. 30.000 Studenten im schwäbischen Städtchen Tübingen, das knapp 90.000 Einwohner hat. Damit ist Tübingen die jüngste Stadt Deutschlands. Gerade befinde ich mich im 10. Semester meines Studiums zwischen Examen und Schwerpunktbereich. Als Schwerpunkt habe ich mich für „Kriminalwissenschaften“ entschieden.
Grundsätzlich interessiere ich mich für alles, was mit Kriminologie und forensischer Psychatrie zu tun hat. Warum wird ein Mensch kriminell? Wie kann man es verhindern? Meine Schwerpunktarbeit habe ich zum Thema „Gewaltkriminalität bei Jugendlichen“ geschrieben. Nebenbei interessiere ich mich sehr für Politik (öffentliches Recht) und Medienrecht/Datenschutz. (Schwerpunktbereiche: https://www.jura.unituebingen.de/studium/schwerpunktbereiche )
iurratio: Warum studierst du an dieser Hochschule?
Jannina: Ich habe mich aus privaten Gründen für Tübingen entschieden. Da ich in einem kleinen Kaff hier ganz in der Nähe aufgewachsen bin, lag es nahe, täglich 30 Minuten nach Tübingen zu pendeln. Das spart zwar die in Tübingen wirklich schwierige (und teure!) Wohnungssuche, dafür bekommt man aber eben auch nur die Hälfte vom Studentenleben mit. Wer die Möglichkeit dazu hat, dem empfehle ich, auch an seinen Studienort zu ziehen.
iurratio: Wie zufrieden bist du mit der Ausstattung der Bibliothek?
Jannina: Für Jurastudenten sind in Tübingen gleich zwei Bibliotheken relevant. Einmal unser „juristisches Seminar“. Das ist die Präsenzbibliothek speziell für Jurastudierende. Hier gibt es alles, was das juristische Herz begehrt. In der Hausarbeiterzeit ist das Seminar zwar etwas überfüllt, in den letzten Jahren wurde das Seminar jedoch kontinuierlich verbessert und die Auswahl der Bücher ist wirklich groß. Einziges Manko: man darf kein Essen mit ins Seminar nehmen und die Bücher sind grundsätzlich nicht ausleihbar.
Außerdem gibt es noch nie „normale“ Universitätsbibliothek. Hier gibt es Literatur für alle Studiengänge. Die klassischen juristischen Lehrbücher und Kommentare kann man hier ausleihen und mit nach Hause nehmen. In der Hausarbeiterzeit muss man aber früh dran sein, sonst sind alle Bücher schon weg!
iurratio: …mit den Vorlesungen?
Jannina: Die Vorlesungen unterscheiden sich stark je nach Rechtsgebiet und Professor. Ich habe den Fehler gemacht, wirklich jede einzelne Vorlesung immer brav zu besuchen. Davon rate ich Euch dringend ab! Besucht nur die Vorlesungen, die wirklich gut sind und lernt den Rest zu Hause mit einem guten Lehrbuch oder gemeinsam in einer Lerngruppe! Sehr schade finde ich es, dass viele Professoren keine oder nur völlig unzureichende Unterlagen zur ihrer Vorlesung bereitstellen.
iurratio: …mit den vorlesungsbegleitenden Angeboten wie Tutorien oder Uni-Rep?
Jannina: Mit den vorlesungsbegleitenden Angeboten war ich absolut überhaupt nicht zufrieden! In den ersten Semestern werden sogenannte „Fallbesprechungen“ angeboten. Dabei gibt es jedoch nur eine begrenzte Anzahl an Plätzen und man muss sich quasi darum prügeln, für jedes Fach auch eine Fallbesprechung besuchen zu dürfen. Hier besteht noch großer Nachholbedarf! Das Uni-Rep wurde in den letzten Jahren wohl verbessert und ausgebaut. Allerdings kommt es immer noch nicht einmal ansatzweise an das heran, was man für die Examensvorbereitung benötigt. Insbesondere gibt es auch hier keine guten Unterlagen zum wiederholen!
Der Klausurenkurs für die Examensvorbereitung ist mit zwei Klausuren in der Woche zwar okay, allerdings lässt die Klausurbesprechung sehr zu wünschen übrig. Die Uni musste sogar einen Leitfaden für die Korrektoren herausgeben, dass diese die Studenten in der Korrektur doch bitte nicht beleidigen sollen. No-Go!
iurratio: …mit der allgemeinen Betreuung durch die Hochschule?
Jannina: Grundsätzlich findet man in Tübingen schnell Anschluss. An der Uni gibt es gleich zwei Fachschaften für Jura, an die man sich wenden kann und die zu Beginn jeden Semesters auch eine Einführungsveranstaltung anbieten. Außerdem gibt es natürlich die ELSA Tübingen. Die Betreuung durch die Universität bzw. die Professoren im Allgemeinen fällt leider eher mau aus. Private Sprechstunden sind quasi nicht vorgesehen und die Studienfachberatung ist selbst nicht immer auf dem neusten Stand! Wer sein Studium nicht von Anfang an selbst organisiert und in die Hand nimmt, ist in Tübingen aufgeschmissen. Zum Glück gibt es nette Kommilitonen!
iurratio: Würdest du den Abiturienten von heute…
a) …ein Jurastudium empfehlen?
Jannina: Wer sich für Rechtsthemen interessiert, dem bleibt in Deutschland so gut wie nichts anderes übrig als ein Jurastudium. Auch wer sehr vielseitig interessiert ist, dem wird das Studienfach Rechtswissenschaften zusagen. Toll ist, dass man sich am Anfang nicht festlegen muss, was man später einmal machen will, sodass sich das Studium auch für Unentschlossene gut eignet. Mit einem guten Examen sehen auch die Jobchancen später gut aus.
Wer sich (so wie ich) gerne kritisch mit ethisch-moralischen Themen auseinandersetzt, wird allerdings teilweise enttäuscht, da es im Studium leider oft um die stumpfe Anwendung des Gesetzes geht und rechtsphilosophische Fragen nur in besonderen Vorlesungen behandelt werden.
b) …das Jurastudium an deiner Hochschule empfehlen?
Jannina: Grundsätzlich ist Tübingen ein sehr schönes Städtchen. Wer nicht gerne in die Großstadt möchte, ist hier genau richtig. Allerdings eignet sich die Universität leider eher für Studenten, die sowieso schon gelernt haben, selbstständig zu arbeiten. Die Betreuungsverhältnisse und Lehrangebote sind im Vergleich zu anderen Universitäten wirklich schlecht! Natürlich würde ich mich trotzdem freuen, Euch in Tübingen begrüßen zu dürfen.