Lieber Fabian, viele der Studierenden wollen in eine internationale Großkanzlei. Das Gehalt und auch das Renommee zieht ehrgeizigen juristischen Nachwuchs nach wie vor an. Wie war es denn bei Dir?
Mein Weg in die internationale Großkanzlei war weder angelegt noch geplant. Dieser erfolgte eher zufällig. Nach meinen ersten beruflichen Erfahrungen bei einem pharmazeutischen Unternehmen und einer kleineren Kanzlei wurde ich von Rödl & Partner bzw. von dem zuständigen Partner in OWL angesprochen, ob ich nicht Lust am Aufbau der Niederlassung in Bielefeld hätte. Mit meinem Beratungsschwerpunkt Compliance und Datenschutz passte es dann gut und ich startete 2018.
Welche Erwartungen hattest Du an das System einer internationalen Großkanzlei? Wie war es mit dem oft beschriebenen Druck?
Erwartungen hatte ich eigentlich keine. Ich war bei Rödl & Partner allerdings von der Dynamik und auch der Agilität begeistert. Ich konnte vieles frei gestalten und habe meine Talente einbringen können. Dies hatte ich mir auch erhofft.
Jeder, der in eine internationale Großkanzlei möchte, muss verstehen, dass es natürlich nur mit 100 % Einsatz tatsächlich erfolgreich funktioniert. So zumindest meine Einstellung dazu. Und jeder muss sich selbst fragen, ob es ihm das Wert ist. Die Lernkurve kann sehr steil sein. Aber auch die Überforderung kann schnell eintreten. Da braucht es ein gutes Umfeld im Büro. Sich den eigenen Kompass zu verdeutlichen, dürfte immer wieder eine zentrale Aufgabe für die Tätigkeit sein. Erfolg ist in der Tat ein Marathon und kein Sprint.
Was würdest Du jungen Associates für die Arbeit in einer internationalen Großkanzlei raten?
Junge Associates sollten die Zeit nutzen, um mit den Augen zu „klauen“. Was heißt das? Sie sollen versuchen, von den Besten zu lernen und sich aneignen, was die Grundsätze guter Beratung für die Mandantschaft sind.
Gute Beratung ist nicht das schnelle Geld in Projekten. Vielmehr geht es um Weitsicht und strategisches Verständnis. Die Perspektive der Ansprechpartner einnehmen. Keine unnötigen Vermerke aufsetzen, die in der Praxis ein Abladen von Wissen sind, allerdings die Mandanten im Prozess überhaupt nicht weiterbringen. Und ganz besonders: Im Mandat sein eigenes Ego zurückstellen.
Im Februar 2024 bist Du mit Deiner eigenen Kanzlei JEREMIAS LEGAL gegründet. Woher der Mut, diese Entscheidung zu treffen?
Alles hat seine Zeit. Mut und Ungeduld sind die Treiber für erfolgreiche Veränderungen. In den letzten Jahren habe ich sehr wertvolle Verbindungen zu meinen heutigen Mandanten aufgebaut. Für mich ein persönlicher Gewinn, nun meine gesammelten Erfahrungen in einer eigenen Kanzlei einzubringen. Als Unternehmer berate ich nun Unternehmen. Es ist das tiefe Vertrauen in meine Fähigkeiten, die mich mutig sein lassen, andere bzw. neue Wege zu gehen.
Wie waren Deine ersten Schritte in der Selbstständigkeit und wie planst Du JEREMIAS LEGAL auszurichten?
Der Start in die Selbstständigkeit macht deutlich, wie gut es einem in einer Großkanzlei geht! Vom Klopapier bis zur Inneneinrichtung: Ich bin Manager für alles.
JEREMIAS LEGAL hat als fokussierte Boutique Kanzlei den Schwerpunkt Compliance. Datenrecht, KI, Cyber-Attacken, interne Ermittlungen, ESG/CSR und auch die Funktionen als externer General Legal Counsel bzw. Datenschutzbeauftragter. Es geht um fachliche Expertise mit persönlicher Betreuung.
Für Mandanten ist Kontinuität bei den Beratern genauso wichtig wie bei den eigenen Beschäftigten. Da der Beratermarkt grundsätzlich eine hohe Fluktuation hat, wollen wir ganz besonders die agile und persönliche Betreuung. So entsteht Vertrauen und gegenseitiges Verständnis.
Denn es ist den Mandanten nicht ständig erklärbar, dass die Honorare in Großkanzleien steigen, obwohl die Qualität nicht im gleichen Verhältnis steigt. Der Markt verliert auch mit den steigenden Einstiegsgehältern für Berufsanfänger von weit über 100.000,00€ die Bodenhaftung. Hier wäre es gut, mal innezuhalten und zu bedenken, wo das hinführen soll. Im Vergleich dazu verdienen viele Geschäftsführer im Mittelstand mit weit mehr Verantwortung nicht gleichwertig.
Ist es ratsam, vor einer Selbständigkeit/Kanzleigründung zunächst einige Jahre Berufserfahrung zu sammeln und warum?
Berufserfahrung und der Aufbau eines eigenen Business Cases sind aus meiner Sicht zentral. Denn es geht schon darum, seine Nische im Markt zu finden. Und dafür bedarf es hoher fachlicher Kompetenz und eines hohen Maßes an Verbundenheit zu den Mandanten, die ein Berufsanfänger kaum haben kann. Auch gilt es, durch die ersten Schritte im Berufsleben negativ abzugrenzen, was ich nicht möchte. Für mich war zum Beispiel die Struktur bei Rödl & Partner nicht mehr passend.
Welche besonderen Herausforderungen sind dir bei der Gründung deiner Kanzlei begegnet und wie bist du damit umgegangen?
Als Gründer musst Du Dein Mindset ändern. Es geht schließlich nicht allein darum, abzuarbeiten, sondern immer den Blick für die nächsten Bedarfe und Trends zu haben. Selbstständigkeit ist Ungewissheit. Dies muss ausgehalten werden. Ansonsten ist die Markenpositionierung sicherlich Neuland.
Wie bist du die Finanzierung der Kanzlei angegangen und welche Ressourcen standen dir dabei zur Verfügung? Welche Kostenpunkte muss man bei der Gründung einplanen?
Ich habe die glückliche Situation, dass ich zur Gründung von JEREMIAS LEGAL keine Finanzierung durch eine Bank etc. benötigte. Aber klar, dieser Punkt ist sehr wichtig, denn jede Gründung ist erstmal ein Investment; es müssen Miete, Personalkosten, Möbel, IT, Versorgungswerk, Berufshaftpflichtversicherung, private Krankenversicherung, Steuerberater, Webseite, Marketing, etc. alles beglichen werden.
Welche rechtlichen Aspekte musstest du bei der Gründung deiner Kanzlei beachten, auch in Bezug auf das Thema Versicherungen?
In der Vorbereitung der Gründung habe ich mich vor allem mit dem Berufsrecht auseinandergesetzt und mir eine Struktur für den Beratervertrag überlegt. Dazu gehört ganz besonders das Pricing. Berufshaftpflichtversicherung und auch die weiteren Versicherungen habe ich über einen bekannten Makler abgebildet.
Besonders in der Anfangszeit stellen sich viele Fragen und man ist auf Unterstützung und Beratung angewiesen. Wo kann man diese erhalten?
Das stimmt. Die Erfahrungen anderer sind sehr wichtig. Ich habe mich mit drei Menschen eng ausgetauscht. Zunächst habe ich mich mit einem Mandanten und Unternehmer zu meinem Produkt sowie meiner Marktpositionierung unterhalten. Dann war es meine Partnerin. Und zuletzt konnte ich mich auf die Erfahrung und volle Unterstützung einer bekannten Persönlichkeit aus der Politik verlassen. Das Setting war sehr gut und ist eine starke Basis.
Ist es schwierig, Mandanten zu gewinnen?
Am Ende entscheidet immer das persönliche Verhältnis. Akquise wird erfolgreich sein, wenn Vertrauen aufgebaut wurde. Dies gelingt in der Akquise mal schneller und mal langsamer. Wichtig ist, dass die Begegnungen wertschätzend erfolgen. Denn hinter „dem Mandat“ stecken menschliche Entscheider mit Sorgen, Nöten sowie Hoffnungen und Lebenserfahrungen. Es kommt auf den Menschen an.
Ich starte mit einem spannenden und mir bekannten Mandantenstamm. Die klassische Kaltakquise benötige ich nicht.
Wo steht JEREMIAS LEGAL in 2 Jahren?
Ich bin davon überzeugt, dass JEREMIAS LEGAL mit einer klaren Ausrichtung im Bereich Compliance und Datenrecht agil und fachlich mit einem Höchstmaß an Expertise im Markt ein Treiber sein wird. Das Team von JEREMIAS LEGAL hat die DNA als Innovationstreiber mit Unternehmergeist. In zwei Jahren sollten wir dann das nächste Interview führen, um zu sehen, ob die Positionierung geklappt hat.
Was würdest du Junganwält:innen raten, die gerne eine eigene Kanzlei gründen möchten? Würdest du rückblickend heute etwas anders machen?
Netzwerken! Sich seiner Fähigkeiten so früh wie möglich bewusst werden! Sich selbst vertrauen! Den Mut haben, anders zu sein! Sich nicht verstecken!
Vielen Dank für deine Zeit und das Interview, lieber Fabian!
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