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Der Katzenkönig alias Slenderman schlägt zurück

Nach Jahrzehnten, die der Katzenkönig nun in Strafrechtsvorlesungen und Fallbüchern ein tristes Dasein fristete, scheint er nun seine Krone gerichtet und sein Körbchen verlassen zu haben und in neuer Gestalt wieder aufgetaucht zu sein, in Gestalt des Slenderman in den USA.
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Der Katzenkönig alias Slenderman schlägt zurück

Der Katzenkönig alias Slenderman schlägt zurück

Wir alle kennen den Katzenkönigfall aus unseren Anfängen im Strafrecht. Der leichtgläubige R tötete die O, beeinflusst von dem Glauben an den Katzenkönig für den er ein Opfer erbringen wollte. Dieser Irrglaube wurde ihm von H und P eingeredet, die das Opfer tot sehen wollten.

Bei der strafrechtlichen Beurteilung geht es neben dem vermeidbaren indirekten Verbotsirrtum, aber auch um die Verantwortlichkeit der beiden anderen, die Klärung der Frage, ob eine mittelbare Täterschaft bei einem volldeliktisch handelnden Werkzeug in Frage kommt. Ein Phänomen, das für viele von uns nach den fantasievollen Eskapaden eines Klausurstellers klingt, nicht nach deutschem Strafrecht, nicht nach 1986 in NRW.

Der Katzenkönig alias Slenderman hat seine Krone gerichtet und sein Körbchen verlassen und ist in den USA zurückgekehrt!

Doch nach Jahrzehnten, die der Katzenkönig nun in Strafrechtsvorlesungen und Fallbüchern ein tristes Dasein fristete, scheint er nun seine Krone gerichtet und sein Körbchen verlassen zu haben und in neuer Gestalt wieder aufgetaucht zu sein. In Gestalt des Slenderman in den USA.

Slenderman ist genau wie der Katzenkönig ein Produkt blühender Phantasie oder übermäßigen Drogenkonsums. Die Figur entstand bereits 2009 im Rahmen eines Photoshopwettbewerbes und sorgte seither im Internet für Wirbel.

So soll er eine Person zwischen Schutzengel und Kindermörder sein, in Fanfiction-Foren sorgen seine Geschichten für Angst und Schrecken. Auch optisch scheint der Katzenkönig aus den Kinderschuhen gewachsen zu sein. Statt weich und flauschig mit strahlender Krone kleidet er sich nun als schlanker großer Mann in Herrenanzügen, dessen Gesichtszüge sich durch Abwesenheit auszeichnen.

Im Jahr 2014 sollen zwei junge Mädchen aus Wisconsin aus Angst vor dem Slenderman 19 Mal auf eine Freundin eingestochen haben. Dieses Geschehen ist nun Teil einer Dokumentation von Regisseurin Irene Brodsky.

Die beiden zwölfjährigen wollten laut eigenen Angaben ein Opfer bringen, sie hofften, der Mord gefiele dem Slenderman und er ginge mit ihnen davon. Eine von ihnen gab an, die Tötung der Gleichaltrigen sei „notwendig“ gewesen. Der Slenderman habe ihre Familien töten wollen.

Im Gegensatz zum Katzenkönigfall brauchten die beiden keinen Dritten, der ihnen die Existenz des Slendermans einredete. Fanfiction, Lieder und Animationen im Internet machten ihn für die Kinder zu einer realen Bedrohung.

Blutopfer monatelang geplant

Monatelang hatten sie das Blutopfer an ihrer Mitschülerin geplant, um diese dann zu einer Überraschungsparty einzuladen. Diese war in der Tat überraschend war, leider nicht in der Art, wie das Mädchen es sich erhofft hatte. Glücklicherweise konnte es sich schwerverletzt retten.

Der Prozess in den USA

In den USA geht es nun in dem Prozess, welcher seit August 2015 läuft, nicht wie damals um die Strafbarkeit, die Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme sowie einen vermeidbaren Verbotsirrtum, sondern maßgeblich um die Frage, ob Erwachsenen- oder Jugendstrafrecht angewandt werden soll.

Das Gericht in Waukesha entschied hier tatsächlich, dass die beiden mittlerweile 14-jährigen wegen der Schwere der Tat wie Erwachsene behandelt werden sollen. Eine Entscheidung, welche in Deutschland nicht denkbar wäre.

Rechtliche Beurteilung in Deutschland

Das deutsche Jugenstrafrecht selbst ist erst mit Vollendung des 14. Lebensjahres (§ 1 Absatz 2 JGG) anwendbar und verfolgt dann den Grundsatz, dass Haftstrafen ultima ratio seien. Hier gilt es vor Allem, den jungen Tätern eine Weiche zurück in die Gesellschaft zu stellen und nicht, sie von der Gesellschaft zu isolieren, um diese umfassend zu schützen. Dies wird durch Täter-Opfer-Augleich, Maßregeln und andere disziplinäre Maßnahmen erreicht.

Es gibt in Deutschland unter Anwendung des Jugendstrafrechts nur vereinzelt mehrjährige Haftstrafen, da diese dem Zweck zuwiderlaufen.
Der neue Katzenkönigfall scheint indes andere Ausmaße anzunehmen als der uns bekannte. Obwohl beiden Mädchen psychische Störungen diagnostiziert wurden, drohen ihnen nunmehr bis zu 65 Jahre Haft.

Während man vom Katzenkönig nur noch ein zaghaftes Maunzen in Erst- und Zweitsemestervorlesungen hört, ist der Slenderman auch weiterhin eine Figur, die bei vielen für Angst und Schrecken zu sorgen scheint und die Grenzen zwischen Realität und Fiktion gerade für junge beeinflussbare Menschen verschwimmen lässt.

Auf den ersten Blick erscheint zwar eine starke Ähnlichkeit zum Katzenkönigfall (BGHSt. 35, 347), würde aber in Deutschland aufgrund des Alters der Täterinnen keine strafrechtlichen Konsequenzen mit sich bringen.

Es bleibt zu hoffen, dass derartige Vorfälle auch weiterhin als kuriose Ausnahmefälle auftreten und auch in vielen Jahren noch mit dem Katzenkönigfall die Problematiken von Täterschaft und Teilnahme nahegebracht werden – nicht etwa mit neueren spektakulären Fällen, die einen an dem Verstand der Menschheit zweifeln lassen.

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