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IT-Recht: Interview mit Rechtsanwalt Rolf Tichy (ARQIS)

In diesem Interview berichtet Rechtsanwalt Rolf Tichy über die Anforderungen und Perspektiven im Bereich IT-Recht.

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Die Herausforderung der IT-Rechtler*innen ist es, diese Brücke zwischen aktueller Rechtsmaterie und technologisch geprägten Sachverhalten zu schlagen.

Können Sie sich zunächst kurz vorstellen?

Mein Name ist Rolf Tichy und ich bin seit etwas mehr als 2 Jahren Rechtsanwalt im Bereich IP/IT am Münchener Standort der Kanzlei ARQIS.

Während meiner Studienzeit in Hamburg habe ich verschiedene Gelegenheiten genutzt, um Auslandserfahrungen zu sammeln, etwa bei einem Erasmussemester in Istanbul, der National Model United Nations Conference in New York oder einem Cyber Security Seminar in Neu-Delhi. Die Erfahrungen mit den Studierenden aus den verschiedenen Kulturkreisen und Jurisdiktionen möchte ich nicht missen!

Nach meinem Referendariat in München und den Klausuren des zweiten Staatsexamens habe ich die Zeit genutzt, um etwas über den juristischen Tellerrand hinauszuschauen und unter anderem einen Online-Kurs an der Harvard Law School an der Schnittstelle von Informatik und Recht gemacht. Dieser technische Hintergrund hilft mir in meiner täglichen Arbeit ungemein weiter.

Rechtsanwalt Rolf Tichy

Womit müssen Juristinnen und Juristen an einem typischen Arbeitstag im IT-Recht rechnen?

Das IT-Recht ist eine sehr vielfältige und sich ständig weiterentwickelnde Querschnittsmaterie. Es trifft dabei allgemeines Zivilrecht auf Spezialmaterie, etwa aus dem geistigen Eigentum, dem Wettbewerbsrecht, dem „Internetrecht“ und dem Datenschutzrecht. Dabei ist ein gewisses Interesse an technischen Sachverhalten natürlich von Vorteil, es sollte sich aber meiner Meinung nach auch niemand von den technischen Aspekten abgeschreckt fühlen. Wir machen ja am Ende auch nur Jura… 

So vielschichtig die fachlichen Aspekte des IT-Rechts sind, so abwechslungsreich ist auch die Arbeitsweise. Einen großen Teil des IT-Rechts machen das Erstellen und Verhandeln von IT-Verträgen aus, etwa im Bereich Software-as-a-Service. Einen zweiten großen Aspekt macht die Beratung von Unternehmen aus. Hierbei beraten wir Unternehmen bei einer rechtskonformen Gestaltung ihres Geschäftsmodells, etwa im Bereich E-Commerce oder Softwareerstellung. Eine besondere Spezialisierung unseres IT-Teams ist die Beratung zu Open-Source-Software. Streitige Fälle gibt es im IT-Recht deutlich weniger als etwa im Markenrecht. Allerdings führen wir immer wieder Verfahren im Bereich des Schutzes von Geschäftsgeheimnissen, bei denen regelmäßig auch ein technisches Verständnis von Aspekten der IT-Sicherheit gefragt ist.

Da ARQIS zudem eine Kanzlei mit starkem Transaktionsfokus ist, macht die Due Diligence auch einen großen Teil unserer Arbeit aus.

Was hat Sie dazu bewogen, sich für eine Tätigkeit in diesem Rechtsgebiet zu entscheiden? In welchem Karrierestadium fiel die Entscheidung, anwaltlich in diesem Bereich tätig zu werden?

Sachverhalte mit Bezug zu Technik und Medien haben mich schon immer interessiert. Über den Schwerpunktbereich und verschiedenen Praxis-Stationen hat sich dieses Interesse, auch im Hinblick auf die rechtlichen Aspekte dieses Bereichs, immer weiter verfestigt. Am Ende meines Referendariats war dann klar, dass ich Anwalt an der Schnittstelle von IP, IT und Medienrecht werden möchte.

Inwieweit sind Ihre Erwartungen an die praktische Arbeit im IT-Recht erfüllt worden? Was waren Ihre größten Überraschungen?

Meine Erwartungen an die Vielfältigkeit der Tätigkeit wurden vollkommen erfüllt oder eher noch übertroffen. Schon in meinen vorherigen Praxisstationen habe ich gemerkt, dass mir das Argumentieren in streitigen Verfahren besonders viel Spaß macht.

Womit ich aber ehrlich gesagt nicht damit gerechnet hatte war, dass mir auch die Due Diligence im Rahmen von Unternehmenstransaktionen und die Vertragsgestaltung große Freude bereiten würde. Die Arbeitsweise unterscheidet sich noch deutlicher von den im Studium und im Referendariat erlernten Techniken, als dies etwas bei Gerichtsprozessen der Fall ist.

Was sind Ihrer Meinung nach die spannendsten bzw. schwierigsten Herausforderungen im IT-Recht?

Die Tätigkeit im IT-Recht erfordert, dass man als Jurist*in in verschiedenen Rechtsgebieten immer up-to-date ist. Viele Bereiche entwickeln sich erst oder sind noch neu und wenig durch die Rechtsprechung geprägt. Gleichzeitig ist ein gewisses technisches Verständnis erforderlich. Die Herausforderung der IT-Rechtler*innen ist es, diese Brücke zwischen aktueller Rechtsmaterie und technologisch geprägten Sachverhalten zu schlagen.

Inwiefern beeinflusst die immer fortschreitende technische Entwicklung (KI, Metaverse/Web3 etc.) die Arbeit in diesem Rechtsgebiet?

Das IT-Recht entwickelt sich immer mit und begegnet der technischen Entwicklung, hinkt ihr manchmal hinterher und ist ihr manchmal sogar voraus. Dabei ist nicht jede technische Entwicklung Grund für neue gesetzliche Vorschriften. Oftmals kann das technologieneutral gestaltete Recht auch auf neue technische Sachverhalte angewendet werden. Natürlich gibt es aber auch regelmäßig Gesetzesänderungen, meistens durch EU-Richtlinien und -Verordnungen sowie Änderungen in der europäischen und nationalen Rechtsprechung.

Welche Soft Skills sind für eine anwaltliche Tätigkeit in diesem Rechtsgebiet vorteilhaft bzw. notwendig? Auf welche Anforderungen der Branche müssen sich Bewerber*innen hier einstellen?

Als Anwalt/Anwältin im IT-Recht ist es entscheidend, komplexe rechtliche und technische Themen möglichst verständlich aufzubereiten. Dies gilt insbesondere in der Mandantenkommunikation. Oftmals hat man hier mit Menschen zu tun, die ein sehr technisch geprägtes Logikverständnis haben, welches nicht immer mit der Logik des Rechts gleichläuft. Es ist ähnlich wie mit dem „wirtschaftlichen Denken“, welches man oft in Stellenanzeigen von Wirtschaftskanzleien liest. Hier kommt also noch ein „technisches Denken“ hinzu. Denn eine rechtliche Lösung, die am Ende nicht technisch umsetzbar ist, bringt den Mandanten/die Mandantin nicht weiter.

Welche Zukunftsaussichten sehen Sie für Berufseinsteiger*innen im IT-Recht?

Der digitale Wandel ist in vollem Gange und die Bedeutung von Software wird weiter zunehmen, auch in vermeintlich traditionellen Industriezweigen. An Beispielen wie dem Metaverse, Web3 oder KI wird deutlich, dass das Recht bei dieser Geschwindigkeit nicht immer Schritt halten kann. Es wird es also immer Menschen brauchen, die eine Brücke zwischen Recht und IT schlagen können und sich in beiden Welten zuhause fühlen. Durch die Dynamik dieses Rechtsgebiets ist es außerdem besonders einfach für Berufseinsteiger*innen, sich schnell eine interessante eigene Nische zu suchen.

Welchen Ratschlag würden Sie am IT-Recht interessierten Nachwuchsjuristinnen und -juristen mit auf den Weg geben?

Um einen ersten Einblick in das Rechtsgebiet zu bekommen, ist eine Station in einem IT-Unternehmen oder in einer auf IT-Recht spezialisierten Kanzlei sehr hilfreich. Wichtig ist, den eigenen Interessen, auch neben dem Juristischen, nachzugehen. Es sind am Ende gerade auch die nichtjuristischen Fähigkeiten und Interessen, die einen guten Juristen beziehungsweise eine gute Juristin ausmachen.

Vielen Dank für das Interview und die Zeit, Herr Tichy!


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