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Journal / Studium / Schwerpunktbereiche

Das Schwerpunktstudium: Kriminalwissenschaften und Strafrechtspflege

Die Vielfalt des Schwerpunktes: Im Rahmen von Interviews und Erfahrungsberichten geben wir euch Einblicke in die vielfältigen Bereiche des universitären Schwerpunkts im Jurastudium.
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Diskussion um den Schwerpunktbereich

Vor einiger Zeit gab es Aufregung unter Studierenden und Lehrenden. Die Diskussion um den Schwerpunktbereich an der Uni und dessen Sinnhaftigkeit wurde erneut aufgenommen. Es wurden Stimmen laut, die den universitären Schwerpunkt abschaffen wollten, es wird über eine Reduktion der Wertung gesprochen; von 30 auf 20 Prozent der Gesamtnote. Während einige Studierende den Schwerpunkt als verbesserungsbedürftig ansehen, steht ein großer Teil hinter ihm, fordert eine Angleichung zur besseren Vergleichbarkeit und sieht die Universitäten in der Pflicht, Mankos auszubügeln. So auch der Bundesverband rechtswissenschaftlicher Fachschaften, der offen in den Dialog geht und seine Meinung deutlich vertritt.

Das gesamte Studium über lernen wir das Gleiche, eine Möglichkeit, Alleinstellungsmerkmale zu erwerben, besteht meist nur außerhalb der universitären Veranstaltungen, die Prüfungsinhalt der ersten Pflichtfachprüfung sind. Der Schwerpunkt bietet die Möglichkeit, praxisnah neue Fertigkeiten zu erwerben und sich intensiv mit einem neuen (Rand-)Gebiet zu befassen. Aus diesem Grund werden wir euch in dieser Reihe exotische und interessante Schwerpunktbereiche an verschiedenen Universitäten vorstellen.

Der Schwerpunkt „Kriminalwissenschaften und Strafrechtspflege“ an der Universität Tübingen

Alex Becker studiert an der Eberhard Karls Universität Tübingen und stellt in diesem Interview seinen Schwerpunktbereich vor.

Iurratio: Welchen Schwerpunkt hast du gewählt und aus welchem Grund?

Alex: Ich habe im Jahr 2014 den Schwerpunktbereich Nr. 7 ,,Kriminalwissenschaften und Strafrechtspflege‘‘ an der Eberhard Karls Universität Tübingen gewählt. Alles rund um Straftaten, deren Aufklärung und juristische Aufarbeitung haben mich schon immer interessiert. Zwar habe ich damals noch andere Schwerpunktbereiche wie Steuerrecht und Rechtspflege in Zivilsachen in die engere Auswahl aufgenommen, der zuständige Dozent hat den strafrechtlichen Schwerpunkt aber auf einer Informationsveranstaltung so gut verkauft, dass danach die Wahl leichter fiel.

Iurratio: Welche Leistungen muss man an deiner Fakultät erbringen, um das Schwerpunktzeugnis zu erhalten? Wassind die Erfordernisse?

Alex: An der Universität Tübingen musste man zu meiner Zeit noch eine Studienarbeit anfertigen, eine fünfstündige Klausur schreiben sowie eine mündliche Prüfung absolvieren. Mittlerweile hat man aber überall die Studienarbeit gestrichen und man kann den Schwerpunkt auch nach dem eigentlichen Staatsexamen absolvieren. Außerdem hat man den Schwerpunkt in ,,Kriminologie‘‘ einerseits und ,,Wirtschaftsstrafrecht mit internationalen und strafprozessualen Bezügen‘‘ andererseits geteilt. Ich denke, dass der Schwerpunkt mit der Zeit einfach zu umfassend wurde.

Die Fülle an Stoff war schon damals im Vergleich zu den meisten anderen Schwerpunkten höher, da man sich mit den Fächern Kriminologie, Strafprozessrecht, Strafvollzugsrecht, Wirtschaftsstrafrecht, Jugendstrafrecht, Rechtsfolgen der Straftat sowie internationales Strafrecht auseinandersetzen musste.

Diese wurden nahezu alle in der Klausur abgeprüft. In der mündlichen Prüfung jedoch hing dies vom jeweiligen Prüfer ab. Ich z. B. wurde im Wirtschaftstrafrecht anhand eines Falles geprüft, der ebenso in einer mündlichen Staatsexamensprüfung gestellt werden könnte, da er vertieft klassische Probleme der Betrugsstrafbarkeit zum Gegenstand hatte.

Bei der Studienarbeit hatte man die Gelegenheit, sich mit kriminologischen bzw. rechtlichen Themen abseits des klassischen Staatsexamensstoffs zu beschäftigen. Das hat den ,,juristischen Horizont‘‘ durch praktisch relevantes Wissen nochmals erweitert.

Iurratio: Wie beliebt ist dein Schwerpunkt?

Alex: Sehr beliebt. Es sitzen dort sichtbar mehr Studenten als in anderen Schwerpunktbereichen. Ich denke, dass der Beliebtheitsgrad insgesamt aus der Natur des Rechtsgebietes und den damit verknüpften Vorstellungen resultiert.

Iurratio: Wie ist die Betreuungssituation? Sind Praktiker eingebunden?

Alex: Ich empfand die Betreuungssituation, v. a. im Hinblick auf die Studienarbeit, als sehr gut. Auch die Kontaktaufnahme zu den entsprechenden Dozenten hat immer gut geklappt. Fragen konnte man zu Genüge stellen und es gab Raum für Diskussionen sowie klausurtaktische Erwägungen. In Tübingen sind die meisten Dozenten auch Praktiker, die den Stoff u. a. anhand realer Fallkonstellationen dargestellt haben. Gerade in praxisorientierten Fächern wie dem Strafprozessrecht ist dies unerlässlich.

Iurratio: Wie schätzt du den Praxisbezug ein/ wie die Examensrelevanz und wie die Relevanz für das Referendariat?

Alex: In meinem Schwerpunktbereich ist der Praxisbezug in thematischer Hinsicht sehr hoch. Man muss sich dabei aber vor Augen halten, dass man dieses praxisrelevante Wissen trotz realer Fallkonstellationen lediglich auf theoretischer Basis erlernt. Es dient als Vorgeschmack auf die Strafstation im Referendariat und als sehr gute Grundlage für diese. Gerade im Hinblick auf die Einführungslehrgänge an den Landgerichten oder den strafrechtlichen Assessorklausuren ist dieses Grundwissen extrem hilfreich.

Man bringt hierfür schon einmal eine gute Portion Verständnis für das Strafprozessrecht mit. Gerade für den staatsanwaltschaftlichen Sitzungsdienst ist dies enorm hilfreich. Zudem muss man sich nicht erst neu einlesen, wenn man seine Wahlstation bspw. in einer Justizvollzugsanstalt absolvieren möchte.

Was die Examensrelevanz betrifft, habe ich die persönliche Erfahrung gemacht, dass diese deutlich höher ausgefallen ist, als ursprünglich erwartet. Mit dem im Schwerpunkt erlernten strafprozessualen Wissen kann man locker die prozessuale Zusatzfrage in der schriftlichen Staatsexamensklausur meistern. Gerade auch das Fach Wirtschaftsstrafrecht bietet examensrelevante Inhalte, in welchem man sich u. a. sehr vertieft mit den verschiedenen Betrugs- und Untreuekonstellationen sowie StGB-AT-Problemen auseinandersetzen muss.

Für die strafrechtliche Aufarbeitung von Delikten, die in Zusammenhang mit einem Unternehmen begangen werden, sind zudem solide handels- bzw. gesellschaftsrechtliche Grundkenntnisse gefordert. Diese werden auch immer wieder im Examen abgeprüft. Außerdem lebt das Strafvollzugsrecht vom Verwaltungsrecht, sodass man auch etwas für die verwaltungsrechtliche Staatsexamensklausur mitnehmen kann.

Schließlich ist im Strafprozessrecht sowie im Strafvollzugsrecht regelmäßig auch Verfassungsrecht von Bedeutung. Ein weiterer Vorteil ist allerdings, dass man im Vorfeld des schriftlichen Examens mehr Zeit zur Wiederholung und Auffrischung der drei Hauptfächer gewinnt, da man die oben genannten Rechtsgebiete nicht mehr vertieft wiederholen bzw. aufarbeiten muss.

Iurratio: Was gefällt dir an deinem Schwerpunktbereich? Wo siehst du Verbesserungsbedarf?

Alex: Mir gefallen die Thematik und deren direktes Umfeld. Ich merke dies aktuell in meiner Strafstation bei der Staatsanwaltschaft wieder: Strafrecht ist einfach ungemein spannend! Der Schwerpunktbereich Nr. 7 der Universität Tübingen ist extrem vielseitig und verhilft daher zu einem ordentlichen strafrechtlichen Spezialwissen. Man kann man eigentlich nicht mehr viel verbessern. Die Änderungen am Schwerpunkt in den letzten Semestern sind – bis auf den Wegfall der Studienarbeit – auch völlig in Ordnung. Insgesamt kann man sagen, dass man in diesem Schwerpunktbereich durch Fleiß gute Noten erreichen kann!

Da die meisten Schwerpunktbereiche eine Ausrichtung auf die Praxis haben, würde ich Termine bei Gericht als Pflichtprogramm zusätzlich zu den Vorlesungen empfehlen. Denn es macht einen Unterschied, ob man z. B. den Ablauf einer Hauptverhandlung als Zuschauer selbst miterlebt oder nur darüber gelesen hat.

Iurratio: Vielen Dank für das Interview!

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Die Wahl des Schwerpunkts

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