Auch ein Schwimmbad ist kein rechtsfreier Raum. Keine Sprünge vom Beckenrand, keine Pommes Rot-Weiß in der Nähe des Wassers, nicht ins Becken pinkeln und die eine Bahn freihalten, die für diejenigen reserviert ist, die schwimmen und nicht nur planschen wollen.
Das Bundesverfassungsgericht hat nun in einem Fall entschieden, der mit den Lappalien der Schwimmbadnutzungsordnung nichts zu tun hat, sondern vielmehr mit der Preisgestaltung (Beschluss vom 19. Juli 2016, 2 BvR 470/08).
Der Fall
Ein österreichischer Staatsangehöriger war zu Gast im Berchtesgardener Land und besuchte hier ein Freizeitbad. Hier musste er den regulären Eintrittspreis entrichten, während Einwohnern der umliegenden Gemeinden ein Nachlass von etwa einem Drittel des Eintrittspreises gewährt wurde. Deswegen erhob er Klage vor dem Amtsgericht, forderte die Rückzahlung der Differenz und eine Feststellung, dass in Zukunft der reduzierte Eintrittspreis zu entrichten sei.
Die Instanzen
Jedoch wies das Amtsgericht seine Klage ab, auch eine Berufung blieb erfolglos. Deswegen legte er nun Verfassungsbeschwerde ein. In dieser rügte er eine Verletzung des Allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG, die Verletzung seines Rechts auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG durch Unterlassung einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union.
Die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichtes entschied hierüber und bezog in ihre Entscheidung folgende Aspekte mit ein:
Es wurde eine Verletzung des Grundrechts aus Artikel 3 Abs. 1 GG festgestellt. Das Bundesverfassungsgericht stellt hier fest, dass die unmittelbare Bindung der Gerichte an die Grundrechte weder von der Handlungs- noch von der Organisationsform abhängt, selbst wenn der Träger öffentlicher Gewalt auf eine privatrechtliche Organisationsform Rückgriff nimmt.
Es konstatiert weiterhin, dass es unerheblich sei, ob die Verwaltung vorliegend erwerbswirtschaftlich oder zur reinen Bedarfsdeckung tätig wird. Das Bundesverfassungsgericht stellt demnach zunächst eine Grundrechtsbindung fest.
Sodann geht es auf die Ungleichbehandlung ein und untersucht, ob die Fachgerichte zutreffend zu dem Ergebnis gekommen sind, es läge eine Rechtfertigung für diese vor. Wenn mit den unterschiedlichen Preisgeldern das Ziel verfolgt werden würde, knappe Ressourcen auf den eigenen Aufgabenbereich zu beschränken oder etwa Gemeindeangehörigen einen Ausgleich für besondere Belastungen zu gewähren, beziehungsweise Auswärtige für einen erhöhten Aufwand in Anspruch zu nehmen, wäre eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt. Ebenso wenn es darum ginge, die kulturellen und sozialen Belange der örtlichen Gemeinschaft zu stärken.
Bei dem streitgegenständlichen Freizeitbad ist jedoch keiner dieser Anhaltspunkte ersichtlich, vielmehr ist es auf eine Überregionalität angelegt. Die Preisdifferenzierung gegenüber dem Österreicher erscheint deswegen willkürlich.
Beanstandet wird das Urteil des Oberlandesgerichtes auch dadurch, dass es Art. 49 EGV mit Blick auf das enthaltene Diskriminierungsverbot gerade nicht als Verbotsgesetz im Sonne des § 134 BGB ansieht. Auch hierin liegt eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG.
Das Bundesverfassungsgericht stellte weiterhin eine Verletzung aus dem Recht aus Art. 101 Abs. 1 S. 2 fest. Hierzu führte es aus, dass die nationalen Gerichte von Amts wegen gehalten werden, den Gerichtshof der Europäischen Union anzurufen, soweit die Voraussetzungen des Art. 267 Abs. 3 AEUV vorliegen.
Eine Verletzung des besagten Rechtes sei dann gegeben, wenn die Auslegung des Art. 267 Abs. 3 AEUV nicht verständlich und offensichtlich unhaltbar ist. Dazu muss eine Vorlagepflicht festgestellt werden.
Wie das Bundesverfassungsgericht ausführt hat das Oberlandesgericht sich hinsichtlich des materiellen Unionsrecht nicht hinreichend informiert. Eine unmittelbare Bindung der Beklagten an die Vorgaben des Unionsrecht liegt allein schon nahe aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, der sich hinsichtlich einer Bindungswirkung des Diskriminierungsverbotes und der Grundfreiheiten für vom Staat beherrschte Unternehmen positioniert hatte.
Der Gerichtshof hatte weiterhin festgestellt, dass wirtschaftliche Ziele die Beschränkungen der Grundfreiheiten nicht rechtfertigen können. Aus diesem Grund soll das Oberlandesgericht seine Vorlagepflicht unhaltbar gehandhabt haben.
Die Grundrechtsverletzung des Österreichers war also nicht verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Es ging um einen Preisunterschied von 2,50 €. Acht Jahre nachdem der zugrundeliegende Fall sich ereignet hat, wurde nun entschieden. Was der Österreicher mit diesem unerwarteten Geldsegen anfangen möchte, ist nicht bekannt.