Skip to main content

Journal / Referendariat / Allgemeines und Aktuelles

Verbote und Regelungen zur Zusatzvergütung und Nebentätigkeit – eine unnötige Herausforderung für Arbeitgeber und Referendare

Letztlich führen Nachwuchsjuristen während des Referendariats nach bis zu sieben Jahren Jurastudium ein finanziell fragwürdiges Dasein. Wenig Hoffnung auf Verbesserung - immer mehr Verbote für Zusatzvergütungen
  • Artikel teilen

Nachwuchsjuristen führen während des Referendariats ein finanziell fragwürdiges Dasein - wenig Hoffnung auf Verbesserung

Nach im Schnitt fünf Jahren Studium starten Nachwuchsjuristen in das Abenteuer „Referendariat“. Wie die Übersicht zu den Regelungen der Unterhaltsbeihilfe und Nebentätigkeiten im Referendariat zeigt, gilt dies insbesondere für die finanziellen Rahmenbedingungen. Unterhaltsbeihilfen von 1000 bis 1200 Euro brutto bedeuten in Städten wie Hamburg, Frankfurt oder München keine wirkliche Verbesserung der Lebensumstände. Nebentätigkeiten sind nur eingeschränkt zulässig und immer mehr Bundesländer verbieten etwaige Zusatzvergütungen im Rahmen der Anwalts- und Wahlstation.

Letztlich führen Nachwuchsjuristen während des Referendariats nach bis zu sieben Jahren Jurastudium ein finanziell fragwürdiges Dasein. Einerseits sind die Mieten für die eigenen Wohnungen unverändert oder steigen, anderseits fallen die Vorteile und Vergünstigungen des Studentendaseins wie Studententickets u.Ä. komplett weg. Diese werden auch nicht etwa durch die Aussicht auf die mittlerweile üblichen Top-Einstiegsgehälter für Volljuristen ausgeglichen, die inzwischen über der Marke eines Jahresgehaltes von 100.000 € Brutto liegen. Diese Vergütungen winken erst nach dem 2. Staatsexamen und kommen meist nur den Topabsolventen zugute.

Manch ein Referendar schreibt sich notgedrungen für ein zulassungsfreies Zweitstudium ein, um wenigsten so vergleichsweise günstig an ein Ticket für den öffentlichen Nahverkehr zu kommen. Dies hilft oftmals den Kostendruck ein wenig zu reduzieren, auch wenn das sicher nicht dem Sinn und Zweck eines Zweitstudiums entspricht. Wenig überraschend hört man in diesem Zusammenhang wohl zurecht immer wieder von dem schlechten Gewissen, das diese Referendare plagt.

WENIG HOFFNUNG AUF VERBESSERUNG – IMMER MEHR VERBOTE FÜR ZUSATZVERGÜTUNGEN

Auf eine Verbesserung der Situation können die Referendare derzeit nur bedingt hoffen. Zwar gibt es Lichtblicke wie die zukünftige Einstellung der Referendare als Richter auf Probe und damit einhergehende höhere Zuwendungen für Nachwuchsjuristen in Mecklenburg-Vorpommern. Nichts desto trotz bleiben die Unterhaltsbeihilfen weiterhin sehr niedrig. Aus Referendarsicht mag die oftmals bemühte Begründung, dass es sich schließlich nur um eine Beihilfe zur Bestreitung des Unterhalts während der Ausbildung handeln würde, wenig überzeugend. Insbesondere erscheint dies im Lichte der immer stärkeren Ein- schränkungen zu Nebenverdiensten im Rahmen einer Nebentätigkeit oder von Zusatzvergütungen im Rahmen der Anwalts- und Wahlstation wie blanker Hohn. War anfangs nur Hessen mit einem Verbot etwaiger Zusatzvergütungen für die Anwalts- und Wahlstation bei Referendaren negativ aufgefallen, haben weitere Bundesländer wie Berlin und Hamburg nachgezogen. Begründet werden diese Entscheidungen damit, dass den Bundesländern aufgrund einer Entscheidung des Bundessozialgerichtes keine Wahl bleiben würde. Nach diesem Urteil sind etwaige Zusatzvergütungen privater Ausbildungsstellen Teil des aus dem Referendarausbildungsverhältnis resultierenden Arbeitsentgelts. Diese müssen daher vom Träger der Referendarausbildung – dem Bundesland, in dem der Referendar seine Stammdienststelle hat – gezahlt werden. Einzige Ausnahme sind solche Vergütungen die für eine von der Ausbildung unabhängige, gesonderte Beschäftigung gewährt werden (Nebentätigkeiten).
Das es freilich auch ohne Verbote geht, zeigt das in Nordrhein-Westfalen eingeführte Modell.

DAS NRW-MODELL – ALS LÖSUNG?

Nordrhein-Westfalen hat sich Ende 2016 für einen alternativen Weg zu einem Verbot der Zusatzvergütung entschieden. NRW will nach eigenen Angaben Referendaren ermöglichen, in Anerkennung besonderer Leistungen „in der Station“, Zusatzvergütungen von ihren Ausbildungsstellen zu beziehen. Dazu sind vom jeweiligen Ausbilder in der Anwalts- oder Wahlstation gezahlte Zusatzvergütungen für besonders gute Leistungen, direkt an das Landesamt für Besoldung und Versorgung NRE (LBV) zu zahlen. Anschließend wird der Betrag abzüglich etwaiger Lohnsteuerabzüge sowie zu tragender Sozialversicherungsbeiträge an die Referendare ausgezahlt.
Gleichzeitig wird die vom Land gewährte Unterhaltsbeihilfe (Brutto) pauschal in Höhe von 25 % der Zusatzvergütung gekürzt. Dabei spielt es keine Rolle, wie hoch die tatsächliche Belastung für das Land sein wird, die durch die Gewährung der Zusatzvergütung aufgrund einer späteren Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung und der Übernahme der Arbeitgeberanteile für weitere Sozialversicherungen entsteht.

Es wäre aus Referendar- und Ausbildungsgesichtspunkten wünschenswert, wenn andere Bundesländer dem NRW-Modell folgen würden und Verbote wieder der Vergangenheit angehören würden. Einerseits sollte den Ländern nicht entgangen sein, dass diese Entwicklungen vielerorts auf großen Unmut gestoßen sind. Anderseits fördert diese Entwicklung nur etwaige Nebentätigkeiten der Referendare, denn deren Finanzbedarf hat sich durch die Entscheidung des Bundessozialgerichts nicht in Luft aufgelöst. Referendare sind somit mehr oder weniger gezwungen neben der eigentlichen Ausbildung im Rahmen der Anwalts- und Wahlstation eine Nebentätigkeit aufzunehmen. Vielerorts wird auf das Verbot zur zusätzlichen Vergütung der Anwalts- oder Wahlstation durch eine zusätzliche Nebentätigkeit beim gleichen Arbeitgeber reagiert. Dabei kommt es teilweise zu exorbitant hohen Vergütungen der eigentlichen Nebentätigkeit. Im Sinne aller wäre es daher mehr als wünschenswert, wenn die Verbote durch das NRW-Modell ersetzt werden. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die Referendare sich während der Ausübung ihrer Nebentätigkeit nicht der eigentlich gewünschten Examensvorbereitung widmen können. Viele Referendare empfinden bereits eine normale zeitliche Einbindung im Rahmen der Anwaltsstation als viel zu hoch. Dies ist deshalb so bedauerlich, weil die Anwaltsstation gerade die praktische Arbeit schulen soll. Wie schädlich die derzeitige Entwicklung gerade für die praktische Ausbildung ist, wird noch klarer, wenn man bedenkt, dass sich seit Jahren eine Kultur des sog. Tauchens etabliert hat.

DAS SPANNUNGSFELD DER AUSBILDUNG, NEBENTÄTIGKEIT UND DES SOGENANNTEN TAUCHENS

Beim sog. Tauchen arbeiten Referendare für einen Teil ihrer Anwaltsstation an nahezu allen Wochentagen in der jeweiligen Kanzlei, um anschließend die letzten 3-5 Monate gar nicht mehr in der Kanzlei zu erscheinen. Diese Monate werden dann für eine intensive Vorbereitung auf die Klausuren im 2. Staatsexamen genutzt. Freilich ist auch diese Entwicklung nicht im Sinne der eigentlichen Ausbildung, vermag aber angesichts des Leistungsdrucks im 2. Staatsexamens aus Referendarsicht wenig überraschen. Die Arbeitgeber trifft insoweit auch nur bedingt ein Vorwurf, ist es nur allzu verständlich, dass sie im Kampf um die besten Nachwuchskräfte versuchen, diesen bestmöglich entgegen zu kommen. Letztlich führt das derzeitige System aber dazu, dass die Kluft zwischen den besseren Absolventen und den normalen Absolventen immer größer wird. Je schlechter die Abschlüsse im 1. Staatsexamen sind, desto weniger Anwälte finden sich, die bereit sind ihren Referendaren genügend Freiräume für die Vorbereitung auf die Klausuren im 2. Staatsexamen einzuräumen. Auch wenn es offenbar zaghafte Versuche zur Bekämpfung dieses Modells gibt – wie monatliche Berichte über die erbrachten Leistungen im Rahmen der Anwaltsstation – ist hier derzeit keine Änderung in Sicht.

FAZIT: NRW-MODELL UND EINE GESONDERTE STATION ZUR EXAMENSVORBEITUNG SIND WÜNSCHENSWERT

Die geschilderten Entwicklungen der letzten Jahre sind folglich weder im Sinne der Ausbildung noch im Sinne der Referendare. Das Beispiel NRW zeigt, dass pauschale Verbote nicht sein müssen! Zudem wäre es auch aus Gründen der Chancengleichheit und zur Verbesserung der eigentlichen Ausbildung im Referendariat wünschenswert, wenn alle Referendare im Vorfeld der Klausuren zum 2. Staatsexamen eine gewisse Zeit (3 – 5 Monate) für eine intensive Vorbereitung erhalten würden. Diese Entwicklungen würde sich vermutlich auch positiv auf die Examensergebnisse im 2. Staatsexamen auswirken. Ein höherer Anteil besonders qualifizierter Volljuristen könnte dabei nicht zuletzt den nach Nachwuchs lechzenden staatlichen Institutionen (Gerichte, Staatsanwaltschaften, Verwaltungen) zugutekommen.

Weitere Artikel

Der Rechtsstaat in der Strafrechtspraxis

Anhand einiger ausgewählter Beispiele, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, soll der Versuch unternommen werden, zu skizzieren, inwieweit die Strafrechtswirklichkeit den hohen Ansprüchen von Rechtsstaatlichkeit Genüge tut.

Referendargehalt steigt - (Zusatzvergütung)

Referendargehalt steigt – (Zusatzvergütung)

Nun wurde eine Liste mit Referendargehältern 2016 online gestellt. Sie enthält eine Aufschlüsselung nach Arbeitgeber und Monatsgehalt pro Wochenarbeitstag.

Juristin mit Kopftuch verklagt den Freistaat Bayern

Die junge Frau wird von Rechtsanwalt Frederik von Harbou beraten, welcher in dem Tragen eines Kopftuchs gerade einen Ausdruck von einem „offenen“ Verständnis des Begriffes Neutralität sieht.