BGH, Urteil vom 16.06.2015, AZ: XI ZR 243/13
Sachverhalt
Die Klägerin, eine Bank, forderte die Rückzahlung von € 5.000,- von der Beklagten. Die der Bank beigetretene Streithelferin war der Beklagten gegenüber zur Zahlung von € 11.900,- verpflichtet, was diese jedoch bestritt. Am 08.12.2011 erteilte die Streithelferin der Klägerin den Auftrag, € 5.000,- an die Beklagte zu überweisen. Das Fehlschlagen dieser Überweisung wurde der Streithelferin am 12.12.2011 durch die Klägerin mitgeteilt.
Dabei wurde vereinbart, dass dieser Auftrag nicht mehr von Seiten der Klägerin ausgeführt werden soll. Dennoch wurde der Betrag am 12.12.2011 durch die Klägerin überwiesen. Denselben Betrag erhielt die Beklagte durch eigenständige Überweisung der Streithelferin. Nachdem die Klägerin der Streithelferin die € 5.000,- zurückerstattet hat, nimmt sie nunmehr die Beklagte aus eigenem Recht, hilfsweise aus abgetretenem Recht in Anspruch.
Einführung
Die Examensrelevanz dieser Entscheidung ergibt sich aus der Kombination der §§ 675 ff. und §§ 812 ff. Hauptthematik der Entscheidung sind die übereinstimmende Vereinbarung zur Stornierung einer Überweisung sowie die Rückabwicklung im Dreieck.
Entscheidung
Der BGH sprach der Klägerin einen Anspruch gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB zu. Dabei sah der BGH in der Stornierung der Überweisung entgegen der Vorinstanzen keinen Widerruf, sondern eine übereinstimmende rechtsgeschäftliche Vereinbarung. Eine solche Vereinbarung sei sowohl im Hinblick auf das nationalen Zahlungsverkehrsrecht als auch der Zahlungsdiensterichtlinie möglich.
Der BGH führt weiter aus, dass grundsätzlich in Fällen der Leistung kraft Anweisung die Rückabwicklung innerhalb der jeweils entstandenen Leistungsverhältnisse zu vollziehen sei. Im vorliegenden Fall war hiervon jedoch eine Ausnahme zu machen: Bei einer fehlenden wirksamen Anweisung kann der Angewiesene (die Bank) vom Empfänger unmittelbar die Rückabwicklung verlangen. Zur Begründung führt der BGH aus, dass die Überweisung ohne wirksame Anweisung keine Leistung seitens der Bank sei, sondern der Empfänger etwas in sonstiger Weise erlangt habe.
Unerheblich sei dabei, ob die Bank den Fehler kannte. Diese Rechtsprechung hat der BGH bislang im Falle eines gefälschten Überweisungsscheins oder der Anweisung von Geschäftsunfähigen verfolgt. Anders sah der BGH bislang den Fall, in dem der Anweisende in irgendeiner Weise – sei es durch Widerruf oder durch Kündigung – tätig geworden war. Der vorliegende Fall ei- ner Stornierung ist diesen Fällen grundsätzlich gleich gestellt.
Diese bislang vollzogene Bewertung anhand Rechtsschein- und Veranlassungsgesichtspunkten gibt der BGH mit diesem Urteil auf. Zur Begründung stützt der BGH sich auf den § 675j, der die Autorisierung des Zahlungsvorgangs regelt. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund gerecht, dass der Empfänger seinen eventuellen Anspruch gegenüber dem vermeintlich Anweisenden weiterhin geltend machen kann.
Merke
Die Autorisierung der Zahlung ist nunmehr entscheidend für die Beurteilung der Leistungsverhältnisse. Es kommt nicht– wie bislang – auf die Kenntnis des Empfängers oder auf einen zurechenbaren Rechtsschein an, sondern vielmehr auf die tatsächlichen Gegebenheiten. Für die Lösung dieser Sachverhalte sind keine gesonderten Kenntnisse im Bereich der §§ 675 ff. BGB erforderlich, sondern ein Umgang mit den bereicherungsrechtlichen Wertungsgrundsätzen, weshalb dieser Entscheidung Examensrelevanz zukommt.