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Verwaltungsrecht: Rechtsnachfolge bei einem VA

Dieser Beitrag thematisiert die Rechtsnachfolge hinsichtlich eines Verwaltungsakts am Beispiel einer glücksspielrechtlichen Untersagungsverfügung.
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Verwaltungsrecht: Rechtsnachfolge bei einem VA

Die Rechtsnachfolge hinsichtlich eines Verwaltungsakts am Beispiel einer glücksspielrechtlichen Untersagungsverfügung

Ausgangsfall: Die gem. § 15 Abs. 5 Landesglücksspielgesetz Rheinland-Pfalz (LGlüG) zuständige Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) erließ im Rahmen ihrer Befugnisse mit § 13 Abs. 3 Nr. 3 LGlüG als Ermächtigungsgrundlage eine inzwischen bestandskräftige Untersagungsverfügung gegenüber dem Betreiber eines Internetcasinos, da dieser mit besagtem Casino gegen die Bestimmung des § 5 a Abs. 1 Nr. 2 LGlüG verstieß. Inzwischen hat der Betreiber des Internetcasinos gewechselt. Beide Betreiber sind juristische Personen des Privatrechts. Muss gegen den neuen Betreiber eine neue Untersagungsverfügung ergehen oder hat dieser die bereits ergangene Verfügung gegen sich gelten zu lassen?

Frage: Kann also eine durch einen Verwaltungsakt statuierte Pflicht auf den Rechtsnachfolger übergehen?

Die Verfügung erging aufgrund gefahrenabwehrrechtlicher Bestimmungen des LGlüG. Zwar mag sich gerade beim Stichwort der Rechtsnachfolge eine Assoziation etwa mit den Regelungen zur Erbschaft und dort insbesondere § 1922 BGB regen, doch gleichlautende Bestimmungen fehlen hier. Fragen der Schuld oder der Haftung im zivilrechtlichen Sinne kommen nicht in Betracht, da wir uns auf dem Gebiet des Öffentlichen Rechts befinden und dem Gefahrenabwehrrecht Begriffe wie Vorsatz, Schuld usw. fremd sind.

In Ermangelung ausdrücklicher Bestimmungen zur Rechtsnachfolge auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts im Allgemeinen und im Glücksspielrecht im Speziellen kommt möglicherweise aber eine sinngemäße Anwendung oder zumindest das Anwenden vergleichbarer Grundsätze in Betracht.

In der Vergangenheit wurde eine Übergangsfähigkeit strikt abgelehnt, doch hat sich in den letzten wenigen Jahrzehnten eine differenziertere Sicht durchgesetzt. So finden sich mittlerweile unterschiedliche Sichtweisen und vor allem auch Unterscheidungen in diverse Fallgruppen. Zwingend ist zunächst, dass es sich dabei gerade um eine polizeiliche Verantwortlichkeit handelt – d.h. eine Verantwortlichkeit für Gefahren – die durch Bestimmungen der Gefahrenabwehr normiert ist (hier gegeben).

Unterschieden wird sodann zwischen abstrakter und konkretisierter Verantwortlichkeit, wobei der konkretisierende Faktor ein (gegen den abstrakt Verantwortlichen und damit nun konkreten Verantwortlichen) ergangener Verwaltungsakt ist. Vielfach wird dabei vertreten, dass eine nicht konkretisierte Pflichtigkeit nicht auf andere übergehen kann.

Argumentiert wird dabei zum Teil damit, dass über eine Pflichtigkeit keine Dispositionsbefugnis bestehe und man sich dieser Pflicht nicht durch Übertragungsakte entziehen könne. Zudem gehe die Zustandsverantwortlichkeit, solange sie noch nicht konkretisiert ist, kraft Gesetzes auf den neuen Rechteinhaber über, ohne dass es einer Nachfolgeregelung bedarf.1

1Stückemann, JA 2015, 569, 573.

Weiteres grundsätzliches Unterscheidungskriterium ist die Feststellung, ob eine Verhaltens- oder eine Zustandsverantwortlichkeit vorliegt. Auch dahingehend besteht überwiegend Streit darüber, welche Art der Verantwortlichkeit übertragbar sei.

So sei eine Verhaltensverantwortlichkeit in der Regel von höchstpersönlicher Natur und damit nicht übertragbar. Es muss also feingliedrig aufgearbeitet werden:

1. Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge

Zunächst müsste eine nach bürgerlichem Recht geregelte Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge vorliegen. Die Gesamtrechtsnachfolge bedeutet dabei die Nachfolge eines Rechtssubjekts in eine Masse an Vermögensgegenständen und Rechtspositionen, Rechten und Pflichten, ohne einzelne Übertragungsakte. Klassischer Fall der Gesamtrechtsnachfolge ist die Erbschaft. Im Gegensatz dazu bildet die Einzelrechtsnachfolge die Regel bei rechtsgeschäftlicher Rechtsübertragung; dabei werden lediglich einzelne Rechte übertragen.

In unserem Fall ist ein Betreiberwechsel des Internetcasinos geschehen, wobei es sich jeweils um eine juristische Person des Privatrechts handelt und der neue Betreiber gänzlich die Position des ursprünglichen einnehmen sollte. Auszugehen ist somit von einer (gesellschaftlichen) Gesamtrechtsnachfolge.

2. Abstrakte oder konkretisierte Verhaltens- oder Zustandsverantwortlichkeit

Im vorliegenden Fall ist bereits ein bestandskräftiger Verwaltungsakt ergangen, der an den vorherigen Betreiber des Internetcasinos adressiert war, sodass von einer konkretisierten Pflicht ausgegangen werden kann. Dadurch, dass die Kunden bzw. Internetseitenbesucher selbst die Spielhandlungen und alles weitere vornehmen können, ohne dass es einer eigenen Handlung des Betreibers respektive dessen Organen bedarf, scheidet eine Verhaltensverantwortlichkeit aus, sodass es sich mithin um eine Zustandsverantwortlichkeit handelt.

3. Übergangsfähigkeit

Die Pflicht müsste auch übergangsfähig sein. Das ist der Fall, wenn sie nicht ausschließlich der Person des Adressaten anhaftet, etwa weil der Anordnungsgrund in der Person liegt oder der Inhalt der Anordnung einen höchstpersönlichen Charakter hat.2

Stellt sich heraus, dass die Anordnung gerade deshalb erlassen wurde, dass Umstände in der Person des Adressaten diese notwendig machen, so spricht dies dafür, dass die sich aus der Anordnung ergebende Pflicht bzw. die zugrundeliegende Verantwortlichkeit nicht übertragbar ist. Gleiches gilt, wenn die Pflicht ausschließlich von dem ursprünglichen Adressaten erfüllt werden kann. Ausgangspunkt muss also der Zurechnungsgrund für die Inanspruchnahme des Zustandsverantwortlichen sein.

Dieser liegt in der Regel in der rechtlichen und tatsächlichen Sachherrschaft über die gefahrbegründende Sache und setzt sich im Rahmen der Zustandsverantwortlichkeit beim Rechtsnachfolger fort. Für die Übergangsfähigkeit einer konkretisierten Verantwortlichkeit und Pflicht können also herangezogen werden:

a) Personen- oder Sachbezogenheit der Verfügung

Fraglich ist also, ob die ursprüngliche Verfügung einen Personen- oder einen ausschließlichen Sachbezug aufweist. Der Verfügungsgrund wird hier in erster Linie in der Internetseite selbst liegen.3

2BeckOK VwGO/Schmidt-Kötters VwGO § 42 Rn. 124, beck-online.

3BeckOK VwGO/Schmidt-Kötters VwGO § 42 Rn. 126, beck-online.

Davon, dass die Verfügung ausschließlich erging, weil gerade der ursprüngliche Betreiber hinter dem Internetcasino gestanden hat, ist aufgrund mangelnder Anhaltspunkte nicht auszugehen. Es spricht also der Sachverhalt dafür, dass die Person des Betreibers für den Erlass der Verfügung so in den Hintergrund tritt und der Verfügungsgrund vielmehr in der Internetseite bzw. dem Internetcasino selbst liegt.

Allerdings wohnt einer Untersagungsverfügung auch inne, dass die Behörde dabei zwingend ein Auswahlermessen hinsichtlich des in die Verantwortung genommenen Adressaten anstellt. Damit wendet sie sich also nicht ausschließlich gegen die Sache, sondern auch gegen den Adressaten, sodass stets eine Personenbezogenheit zu bejahen ist.

Somit lässt sich die Ansicht, Verwaltungsakte in vergleichbaren Fällen stellen “dingliche Verwaltungsakte” dar, welche ihren Bezug ausschließlich in der Sache haben, nicht ohne weiteres vertreten. Eine dogmatisch passende Fragestellung zur Feststellung der Übertragbarkeit könnte hier besser lauten: Ist die Pflicht nach ihrem Wesensgehalt von der Person des Pflichtigen ablösbar bzw. ist sie derart an die Person des Pflichtigen gekoppelt, dass sich mit dem Wechsel des pflichtigen Zuordnungssubjekts der konkrete Gesetzeszweck nicht mehr erreichen lässt?4

Gesetzeszweck dürfte hier vornehmlich der Schutz der Bürger vor Übervorteilung im Glücksspiel und vor Glücksspielsucht sein. Diese Gefahr erwächst vorliegend aus dem Internetcasino und dem Umstand, dass dieses ohne weiteres Zutun Dritter von den Bürgern gebraucht werden kann. Dabei spielt die Person des Pflichtigen keine maßgebliche Rolle. Zudem kann der Gesetzeszweck hier auch dadurch erreicht werden, dass die Person des Pflichtigen (also des Zuordnungssubjekts) gewechselt wird.

b) Vertretbarkeit der angeordneten Handlung, Höchstpersönlichkeit

Hier handelt es sich um eine Untersagungsverfügung, also um einen Dauerverwaltungsakt, der auf die Herstellung eines anhaltenden Zustands gerichtet ist. Von einer Höchstpersönlichkeit der angeordneten Handlung ist hier nicht auszugehen; auch der Rechtsnachfolger kann diesen Zustand herstellen.

c) Zwischenergebnis

Die Pflicht ist somit übergangsfähig.

4. Übergangstatbestand

Streitig ist, ob für den Übergang einer übergangsfähigen Pflicht auch ein entsprechender Tatbestand vorliegen muss. Argumentiert wird nachvollziehbar mit dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes aus Art. 20 Abs. 3 GG. Demnach müsse jeder Eingriff in den Rechtskreis eines Bürgers eine formell-gesetzliche Grundlage haben. Dies müsse auch für eine abgeleitete Inpflichtnahme gelten.

Nach anderer Ansicht sei für den Übergang einer konkretisierten Pflicht kein formell-gesetzlicher Tatbestand notwendig, da es sich bei solchen Verfügungen um “dingliche Verwaltungsakte” handele, die der Sache anhaften und als Last an dieser ihr anhaften und dadurch auch auf den neuen Rechteinhaber an der Sache übergehen müssen. Gestützt wird dies vornehmlich mit der Sachbezogenheit des Verwaltungsaktes.

Häufig begründet mit beispielsweise der Grundstücksbezogenheit einer bauordnungsrechtlichen Verfügung, welche dem Grundstück sodann als sogenanntes Annex anhafte und auf den Rechtsnachfolger am Grundstück übergehe.5

4Stückemann, JA 2015, 569, 573 f.
5VGH Kassel, NVwZ 1998, 1315, beck-online.

Dies steht jedoch nicht ohne Kritik. Grundsätzlich handelt es sich bei polizeilichen Verwaltungsakten um Ermessensentscheidungen, die auch von der Auswahl des Störers bzw. Adressaten getragen sind, um so eine möglichst einzelfallgerechte Lösung herbeizuführen. Wie oben bereits festgestellt, ist die Untersagungsverfügung zwar zum überwiegenden Teil sachbezogen, doch ist auch ersichtlich, dass durch die Auswahl des Adressaten auch ein gewisses Maß an Personenbezogenheit gegeben und der Verwaltungsakt der Untersagungsverfügung so nicht ausschließlich “dinglicher” Natur ist.

Teilweise wird auch mit analoger Anwendung respektive mit Heranziehung des Rechtsgedankens aus anderen Gebieten argumentiert, etwa mit den Rechtsfolgen des § 1922 BGB oder Normen aus den Landesbauordnungen. Diese vermögen aber in der Regel nicht zu überzeugen. Eine Heranziehung von Normen aus dem Gebiet des Zivilrechts ist grundsätzlich für eine Anwendung im Öffentlichen Recht nicht ohne weiteres möglich.

Ähnlich verhält es sich mit Normen, die in bestimmten Fällen einen Übergang auf den Rechtsnachfolger anordnen. Zum einen ist immer wieder fraglich, ob eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage gegeben ist.6

Zum anderen muss dann auch der Frage begegnet werden, ob im Rahmen der Eingriffsverwaltung überhaupt auf eine Analogie zurückgegriffen werden darf.7

Für den vorliegenden Fall kann jedoch auf § 25 HGB zurückgegriffen werden, der einen Übergangstatbestand darstellt.8

Zwar handelt es sich dabei um eine Norm aus dem Privatrecht, die den Übergang von Verbindlichkeiten bei Firmenübernahme regelt. Allerdings bestimmt sie nicht nur handelsrechtliche, sondern auch öffentlich-rechtliche Beziehungen.9

Darunter fallen auch verwaltungsrechtliche Pflichten, wie beispielsweise polizei- und sicherheitsrechtliche Verantwortlichkeiten, es sei denn, sie sind höchst-persönlicher Art. Dass die Verantwortlichkeit hier nicht höchstpersönlicher Art ist, wurde bereits festgestellt.10

Es handelt sich dabei auch um eine im Betrieb begründete Verbindlichkeit (hier: Pflicht). Ein Übergangstatbestand ist für den vorliegenden Fall somit gegeben, sodass der Streit über das Bestehen eines Übergangstatbestandserfordernisses dahinstehen kann.

6Beispielhaft OVG Hamburg, NVwZ-RR 1997, 11, 12.
7Stückemann, JA 2015, 569, 570, 574 f.
8Schlabach und Simon, NVwZ 1992, 143, 145.
9Hessischer VGH, Urteil vom 9. September 1999, Az. 8 UE 656/95, openJur 2012, 22139.
10VGH München, Urteil vom 24.08.2010 – Az. 8 BV 06.1795, BeckRS 2011, 49595, beck-online.

5. Ergebnis

Die Verwantwortlichkeit und damit auch die mit der Untersagungsverfügung konkretisierte Pflicht ist auf den neuen Seitenbetreiber als Rechtsnachfolger übergegangen, nachdem dieser die Internetseite als solcher ohne Änderungen übernommen hat. Eine erneute Verfügung ihm gegenüber muss nicht ergehen, sondern es kann auf die bestandskräftige Verfügung zurückgegriffen werden.

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