Ich möchte Jura studieren, aber wo?
Nach dem Abitur gilt es nicht nur, sich für ein Studienfach zu entscheiden, sondern auch die passende Universität auszuwählen. Der Wunsch, eine juristische Laufbahn einzuschlagen, ist nicht immer vorprogrammiert und das Wissen um Schwerpunktinteressen, Stärken und Schwächen in diesem Bereich oft mangels Erfahrung noch rar gesät. Deswegen ist es nicht immer leicht, unter den vielen juristischen Fakultäten, diejenige auszuwählen, die für einen richtig ist. Heimatsort, Wohn- und soziale Situation spielen oft eine wichtige Rolle, aber auch die Fragen:
- Wie ist die Betreuungssituation?
- Was bietet mir meine Universitätsstadt?
- Was hat meine Uni, was andere nicht haben?
Zum Semesterstart wollen wir euch einige Studierende vorstellen, die uns einen Einblick in ihr Studierendenleben an ihrer Universität geben wollten. Ganz bewusst distanzieren wir uns von Werbung auf Hochschul-Onlinepräsenzen oder in Katalogen und stellen euch subjektive Eindrücke der jeweiligen Personen dar. Hier ist ein Erfahrungsbericht von Anne Carlson aus Heidelberg.
Das Studium an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
iurratio: In welchem Semester bist du und wo liegt dein Interessensschwerpunkt?
Anne: Ich studiere im 9. Fachsemester an der Universität Heidelberg. Ich habe Völkerrecht im Schwerpunkt.
iurratio: Warum studierst du an dieser Hochschule?
Anne: Ich habe angefangen hier zu studieren, weil es nicht zu weit weg ist von da, wo ich ursprünglich herkomme. Außerdem hat die Uni einen guten Ruf und eine lange Tradition. Der Hauptgrund ist aber, dass Heidelberg eine total schöne Stadt mit sehr aktivem Studentenleben ist.
iurratio: Wie zufrieden bist du mit der Ausstattung der Bibliothek?
Anne: Nicht zufrieden. Es gibt vor allem während der Semesterferien (Hausarbeitenzeit) zu wenig Arbeitsplätze. Das Gebäude ist sehr alt und baufällig. Es gibt zu wenig Bücher in aktuellen Auflagen. Sonntags ist sie geschlossen. Die Räume sind nicht klimatisiert, weshalb es im Sommer besonders in den Räumen mit Glasüberdachung viel zu heiß ist. Es gibt keinen schönen Pausenbereich.
iurratio: …mit den Vorlesungen?
Anne: Die Qualität der Vorlesungen hängt stark vom Professor/von der Professorin ab. Einige sind sehr gut und es wird sich sehr um das Zurverfügungstellen von gutem Material etc. bemüht, andere stellen aber kaum etwas zur Verfügung. Insgesamt sind die Vorlesungen vor allem in den ersten Semestern zu groß (sprich zu viele Personen pro Vorlesung), sodass quasi kein Austausch zwischen Studierenden und Professor_innen besteht.
iurratio: …mit den vorlesungsbegleitenden Angeboten wie Tutorien oder Uni-Rep?
Anne: Die Arbeitsgemeinschaften in den ersten Semestern sind hilfreich, müssten aber noch besser auf die Klausuren abgestimmt und v.a. was die Fälle, die besprochen werden, betrifft, vereinheitlicht werden. Lobend hervorheben muss man die Examenstutorien, die wirklich sehr gut sind, sowohl was die Tutoriumsleiter_innen betrifft, als auch die Qualität von Fällen und Lösungen.
iurratio: …mit der allgemeinen Betreuung durch die Hochschule?
Anne: Eher weniger zufrieden. Man hat die meiste Zeit das Gefühl auf sich allein gestellt zu sein. Rückblickend habe ich vor allem das Gefühl, dass das, was man bis heute gelernt hat auf einem sehr großen Teil Eigenarbeit beruht, wobei von der Uni wenig unterstützt wurde.
Das Uni-Examens-Angebot müsste außerdem noch einer größeren Gruppe Studierender nahe gebracht werden – es kann nicht sein, dass immer noch ein Großteil aller Studierender für de Vorbereitung aufs Examen ein kommerzielles Repetitorium besucht, weil der Eindruck entsteht, man könne sich auf das Uni-Angebot nicht verlassen.
Diese Mängel führe ich vor allem auch auf die extrem unübersichtliche Homepage zurück und darauf, dass Materialien auf bis zu 3 unterschiedlichen Plattformen zur Verfügung gestellt werden. Außerdem fehlen Informationsveranstaltungen oder Leitfäden.
iurratio: Würdest du den Abiturienten von heute…
a) …ein Jurastudium empfehlen?
Anne: Heute würde ich anderen Abiturient_innen, die Jura studieren wollen vor allem klar machen wollen, dass Jura vor allem das Erlernen des Systems ist, wie man Recht auf einen Lebenssachverhalt anwendet, aber es nicht darum geht Recht zu hinterfragen und außerdem wenig eigene Meinung gefragt ist – zumindest nicht im Studium.
Recht ist außerdem nicht (wie auch immer zu definierende) Gerechtigkeit und darum geht es im Studium ebenfalls nicht. Dennoch halte ich Recht als System für ein sehr effektives Instrument, das der Gesellschaft einen sehr großen Mehrwert bringt und finde es toll, zu verstehen, wie es funktioniert und welche Möglichkeiten man nutzen kann. Allerdings muss man sich vor Augen halten, dass man sicher während seines Studiums mehr Spaß und freie Zeit haben kann, wenn man nicht Jura studiert.
b) …das Jurastudium an deiner Hochschule empfehlen?
Anne: Ich würde zu Heidelberg raten, weil die Stadt einfach toll ist und die Angebote des Studierendenwerks extrem vielseitig sind. Allerdings kann ich wenig Aussagen darüber treffen, ob Heidelberg empfehlenswerter als andere Unis ist, da ich ja selbst keinen Vergleich habe. Trotzdem finde ich, dass im Jura-Studium an unserer Uni viel verbessert werden könnte (unter dem Vorbehalt, dass ich weiß, dass hierzu teilweise auch einfach finanzielle Mittel fehlen).