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Kein NPD-Verbot: die Begründung des BVerfG

Heute hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe entschieden, dass die "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD) nicht verboten wird. Damit haben die Richter in Karlsruhe dem Antrag des Bundesrats aus dem Jahr 2013 nicht stattgegeben.
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Kein NPD-Verbot: die Begründung des BVerfG

Heute hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe entschieden, dass die „Nationaldemokratische Partei Deutschlands“ (NPD) nicht verboten wird. Damit haben die Richter in Karlsruhe dem Antrag des Bundesrats aus dem Jahr 2013 nicht stattgegeben.

Historisch betrachtete ist es schon das zweite Verbotsverfahren gegen die NPD. Bereits 2001 wurde von der Bundesregierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) ein Verbotsantrag beim BVerfG eingereicht. Bundestag und Bundesrat schlossen sich der Forderung damals an.

Die Verfahren wurden vom BVerfG am 18. März 2003 aus Verfahrensgründen eingestellt. In der Führungsebene der Partei waren auch V-Leute des Verfassungsschutzes tätig. Darin sah das BVerfG ein Verfahrenshindernis. Begründet wurde dies mit der Gefahr der „fehlenden Staatsferne“ der Partei. Die juristische Vertretung der NPD erfolgte damals unter anderem durch den Rechtsanwalt Horst Mahler (einstiger Mitgründer der Rote Armee Fraktion).

Anfang Dezember 2012 sprachen sich die Innenminister der Länder bei einem Treffen einstimmig für ein neues Verbotsverfahren aus. Grund dafür war unter anderem auch das Bekanntwerdens der rechtsextremen Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU).

Das Parteienprivileg des Art. 21 II GG

Gemäß Art. 21 II GG obliegt es allein dem BVerfG, über die Verfassungsmäßigkeit einer Partei zu entscheiden („Parteienprivileg“). Begründet wird dies damit, dass die Parteien besonderen Bedeutung für die parlamentarische Demokratie haben und deswegen mit einer erhöhten Schutz- und Bestandsgarantie ausgestattet sind.

In Absatz zwei heißt es: “Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig. Über die Frage der Verfassungswidrigkeit entscheidet das Bundesverfassungsgericht.„

Das zweite Verfahren von 2013-2017

Nachdem der Bundesrat mit großer Mehrheit im Dezember 2012 entschieden hatte, ein NPD-Verbotsverfahren in Gang zu setzen, kündigte die Bundesregierung unter Angela Merkel (CDU) im März 2013 an, sich dem Antrag nicht anzuschließen, da sie es für nicht erforderlich hielt.

Im Zuge der öffentlichen Debatte um ein Verbot erhob die NPD 2013 ein Organstreitverfahren vor dem BVerfG, in dem sie beantragte, „festzustellen, dass die Antragstellerin nicht verfassungswidrig im Sinne des Art. 21 Abs. 2 GG ist“. Das BVerfG lehnte den Organstreit ab. Es stellte fest, dass politische Parteien sich „entsprechend ihrer Aufgabe, bei der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken (Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG), der öffentlichen Auseinandersetzung“ zu stellen hätten und begründeten dies folgend: „Teil der öffentlichen Auseinandersetzung sind Äußerungen zur Einschätzung einer politischen Partei als verfassungsfeindlich, sofern sie sich im Rahmen von Recht und Gesetz halten. Solchen Äußerungen kann und muss die betroffene Partei mit den Mitteln des Meinungskampfes begegnen.“

Am 3. Dezember 2013 reichte der Bundesrat beim BVerfG einen Verbotsantrag nach Art. 21 II GG ein. Der Antrag stützt sich unter anderem auf ein Gutachten des Münchener Instituts für Zeitgeschichte (IfZ). Darin heißt es, dass das politische Programm der NPD weitestgehend identisch mit der Ideologie der NSDAP unter Adolf Hitler sei. Hierin sei eine akute Bedrohung der freiheitliche demokratische Grundordnung zu sehen.

Das Urteil des BVerfG vom 17. Januar 2017

Am 17.01.2017 sprachen sich die Richter in Karlsruhe gegen ein Verbot der NPD aus. Dies begründete das BVerfG damit, dass es keine Anhaltspunkte für eine erfolgreiche Durchsetzung der verfassungsfeindlichen Ziele der NPD gebe. Die wesentlichen Erwägungen des Senats sehen folgendermaßen aus:

1. Der Verbotsantrag ist zulässig

„Der Durchführung des Verfahrens steht weder ein Verstoß gegen das Gebot strikter Staatsfreiheit noch eine Verletzung des Grundsatzes des fairen Verfahrens entgegen. Der Antragsteller hat zur Überzeugung des Gerichts dargetan, dass alle V-Leute auf den Führungsebenen der NPD spätestens zum Zeitpunkt des Bekanntmachens der Absicht, einen Verbotsantrag zu stellen, abgeschaltet waren und eine informationsgewinnende Nachsorge unterblieben ist.“

2. Art. 21 II GG iVm. §§ 43 ff. BVerfGG

Der Antragsteller begehrt festzustellen, dass die NPD verfassungswidrig ist, weil sie geeignet ist, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen.

Unter der freiheitlichen demokratischen Grundordnung versteht man die zentralen Grundprinzipien, die für den freiheitlichen Verfassungsstaat schlechthin unentbehrlich sind. Hierzu zählt unter anderem die Würde des Menschen aus Art. 1 GG. „Auf rassistische Diskriminierung zielende Konzepte sind damit nicht vereinbar.“

Unter „Beseitigen“ isd § 21 II GG versteht man die Abschaffung zumindest eines der Wesenselemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Eine „Beeinträchtigung“ ist dabei eine „mit hinreichender Intensität spürbare Gefährdung“ der hiermit verbunden Werte. Dass eine Partei die Beeinträchtigung oder Beseitigung anstrebt, muss sich aus den Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger ergeben. AUßerdem muss die Partei sich dieses Verhalten ausdrücklich zu Eigen machen.

Voraussetzung ist, dass die Partei sich durch aktives und planvolles Handeln für ihre Ziele einsetzt und auf die Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung hinwirkt. Nicht erforderlich ist eine konkrete Gefahr für die Schutzgüter des Art. 21 II GG.

„Das politische Konzept der NPD ist auf die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtet. Der von der NPD vertretene Volksbegriff verletzt die Menschenwürde. “

Außerdem missachtet die NPD laut BVerfG auch das Demokratieprinzip. In einem Nationalstaat im Sinne der NPD sei für eine Beteiligung ethnischer Nichtdeutscher an der politischen Willensbildung grundsätzlich kein Platz.

Allerdings stehen folgende Überlegungen einem Verbot der NPD entgegen: Laut BVerfG sei das Tatbestandsmerkmal des „darauf Ausgehens“ isd. Art. 21 II GG nicht erfüllt ist.

„Es fehlt an konkreten Anhaltspunkten von Gewicht, die eine Durchsetzung der von ihr verfolgten verfassungsfeindlichen Ziele möglich erscheinen lassen.“

Ein Erreichen der verfassungswidrigen Ziele der NPD mit parlamentarischen oder außerparlamentarischen demokratischen Mitteln scheint momentan laut BVerfG ausgeschlossen zu sein. Die durch Art. 21 II GG markierte Schwelle sei nicht erreicht.

Die NPD wird somit nicht durch das BVerfG verboten.

Zur Pressemitteilung des BVerfG: www.bundesverfassungsgericht.de

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