Das OLG Düsseldorf hat entschieden, ob ein Autofahrer, der unerlaubt und unter Drogen Auto fährt, neben seiner Strafbarkeit auch selbst für den Schaden aufkommen muss (Urteil vom 17.06.2016 – 1 W 15/16).
Sachverhalt:
Während des Besuches eines Autohauses hatte der Mann einen Autoschlüssel an sich genommen und ist davongefahren. Einen Tag später entdeckten die Polizeibeamten das Fahrzeug auf einem Pendlerparkplatz. Sie blockierten es, dennoch fuhr der Mann gegen ein Einsatzfahrzeug und flüchtete.
Er hatte keinen gültigen Führerschein und stand unter dem Einfluss von Morphinen, Heroin und Cannabis. Die klagende Kfz-Haftpflichtversicherung regulierte den Schaden 2012. Im August 2015 nahm sie den Mann in Regress bezüglich des Schadensersatzes in Höhe von rund 20.000 Euro.
Dieser wehrte sich: Er sei zum damaligen Zeitpunkt wegen des Drogenkonsums unzurechnungsfähig gewesen. Daher sei er verschuldensunfähig gewesen und müsse gemäß § 827 BGB nicht haften. Das LG Wuppertal hatte den Antrag auf Prozesskostenhilfe zurückgewiesen.
Entscheidung:
Das OLG Düsseldorf hat die sofortige Beschwerde gegen die landgerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts muss der Mann gleichwohl aus § 823 Abs. 1 BGB haften. Er habe nicht beweisen können, dass er wegen des Drogenkonsums schuldunfähig gewesen sei. Darauf weise schon allein der gezielte Diebstahl der Fahrzeugschlüssel hin.
Es sei an ihm, das Gegenteil zu beweisen. Dies könne er allerdings nicht. Die Blutprobe von damals stehe nicht mehr zur Verfügung, da nach dem toxikologischen Gutachten die Blutprobe lediglich zwei Jahre aufbewahrt worden sei. Auf die Lagerungsfrist habe auch die Staatsanwaltschaft hingewiesen.
Das damalige Gutachten sei auch lediglich wegen eines Drogenscreenings durchgeführt worden. Dabei seien die Substanzen zum Zeitpunkt der Tat im Blut des Beklagten nachgewiesen worden. Das Gutachten selber setze sich aber nicht mit der Frage nach einer bestehenden psychopathologischen Schädigung auseinander.
Auch im Untersuchungsprotokoll sei sein Verhalten als „geordnet“ und „normal“ beschrieben worden. Daher könne auch nicht von einem schuldausschließenden Zustand wegen anhaltenden Drogenkonsums gesprochen werden. Der Beklagte müsse also nicht nur die strafrechtlichen, sondern auch die zivilrechtlichen Konsequenzen seiner Tat tragen.
Merke:
1. § 823 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass der Schädiger im Zeitpunkt der Rechtsgutsverletzung verschuldensfähig war. Da sich ein Fehlen der Zurechnungsfähigkeit, wie etwa nach § 827 BGB, haftungsbefreiend auswirkt, ist dies ein Umstand, den die dadurch begünstigte Partei darzulegen und im Zweifelsfall zu beweisen hat. Konkret ergibt sich dies auch aus der negativen Formulierung des § 827 Satz 1 BGB.
2. Ein die freie Willensbestimmung ausschließender Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit im Sinne von § 827 Satz 1 Var. 2 BGB setzt voraus, dass der Betroffene nicht mehr in der Lage ist, seine Entscheidungen von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen. Dies ist unter anderem dann der Fall, wenn durch einen suchtbedingten Abbau der Persönlichkeit bereits psychopathologische Störungen entstanden sind.