LG München I (14.04.2016 – 23 O 23033/15): Anspruch auf Rückabwicklung
Zum ersten Mal nach Bekanntwerden des VW-Abgasskandals hat nun das LG München I der Klage eines Autokäufers stattgegeben, der sich vom Kaufvertrag seines Fahrzeugs lösen wollte.
Sachverhalt
Der Kläger hatte im Mai 2014 einen Seat gekauft, in dem ein VW-Dieselmotor (Typ EA 189) verbaut war, dessen Schadstoffausstoß deutlich über den Nennwerten lag. Am 29. Oktober 2015 forderte der Mann den Verkäufer, zur Nachbesserung bis zum 13. November 2015 auf; andernfalls trete er vom Kaufvertrag zurück.
Am 2. November teilte die Beklagte mit, dass an dem Problem gearbeitet werde. Als es am 2. März 2016 noch immer nicht behoben war, erklärte der Käufer die Anfechtung des Kaufvertrages. Dabei berief er sich auf arglistige Täuschung. Der Mangel wurde indes ebenfalls noch nicht behoben.
Das Landgericht (LG) München I sprach dem Kläger sowohl den Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages nach Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gemäß §§ 812 Abs. 1, 123 Abs. 1, 142 Abs. 1 BGB als auch den Ersatz seiner sonstigen Kosten (Zulassung, Garantieverlängerung, Zusatzausstattung sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten) nach §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2. 280 Abs. 1, 282 zu.
Entscheidungsgründe
Als Begründung führt das Gericht an, das beklagte Autohaus habe selbst eingeräumt, dass seine Angaben zum Schadstoffausstoß objektiv unrichtig waren. Arglist erfordere dabei wenigstens bedingten Vorsatz, keine Absicht oder Schädigungsvorsatz. Dem Autohaus sei das Wissen der VW-AG zuzurechnen, da es Mitglied des VW-Konzerns sei und letztlich jedenfalls über eine durchgehende Beteiligungskette zu diesem gehöre.
Aus Gründen des Rechtsscheins müsse sich das beklagte Autohaus als 100%-ige Konzerntochter behandeln und somit das Wissen der VW-AG zurechnen lassen. Insbesondere habe die beklagte GmbH durch ihr Auftreten spezielles Vertrauen als Konzerntochter bewusst in Anspruch genommen, zumal sie auch im Internet mit der Überschrift „Gemeinsame Wurzeln“ in dem Sinne für sich wirbt, dass sie sich als 100%-ige Tochter der VW-AG bezeichne.
Die Angaben der Schadstoffemissionen waren Gegenstand der Anpreisungen des Verkaufsmitarbeiters der Beklagten und somit auch mitursächlich für die Kaufentscheidung des Käufers. Nach objektivem Empfängerhorizont lag also keine bloße Bezugnahme auf Herstellerangaben vor.
Weiterhin komme es für die Anfechtung nicht auf das Ausmaß des Mangels, sondern nur auf die Täuschung und deren Ursächlichkeit zur Willensbildung an. Darüber hinaus sei der Mangel nicht, wie von der Beklagten geltend gemacht, unerheblich. Bei Arglist sei grundsätzlich eine unerhebliche Pflichtverletzung zu verneinen.
Im Übrigen wäre es treuwidrig von der Beklagten, zunächst die Schadstoffemissionen des Fahrzeuges als besonderes Verkaufsargument heranzuziehen, und dann der Anfechtung entgegenzuhalten, dass die ihr zurechenbare gezielte Manipulation der gemessenen Schadstoffwerte unerheblich wäre.
Einen nachrangigen Anspruch wegen Rücktritts, musste es das Gericht nicht mehr entscheiden, stellte dennoch klar, dass es diesen für zulässig hielt.
Grund dafür war, dass das Autohaus auch nicht sicher sagen konnte, ob die geplanten technischen Maßnahmen zur Nachbesserung tatsächlich erfolgreich und ohne Nebenwirkungen sein würden.
Es erfolgte lediglich eine Verweisung auf das entsprechende Ziel. Diese könne jedoch dahinstehen, da jedenfalls eine angemessene Frist zur Nachbesserung ohnehin ungenutzt verstrichen sei. Die vom Kläger ursprünglich festgesetzte Frist mochte zwar zu kurz gewesen sein, dies habe aber nur zur Ingangsetzung einer generell angemessenen Frist geführt.
Demnach sei „im Rahmen von § 308 BGB eine Nachbesserungsfrist von mehr als 6 Wochen oder mehr als 2 Monaten als Verstoß gegen die grundsätzliche gesetzgeberische Wertung unzulässig“ und die Beklagte habe diese Frist ungenutzt gelassen.
Daneben war der Mangel außerdem erheblich im Sinne des § 323 Abs. 5 BGB. Insbesondere an dieser Voraussetzung waren in der Vergangenheit wiederholt Klagen von Käufern gescheitert. Zu berücksichtigen seien dafür der für die Mangelbeseitigung erforderliche Aufwand sowie die Schwere des Verschuldens des Schuldners, wobei ein Verstoß gegen eine Beschaffenheitsvereinbarung die Erheblichkeit indiziere.
Zwar werde die Mangelbeseitigung nach Vortrag der Beklagten weniger als eine Stunde dauern und keine 100 Euro kosten. Dennoch handele es sich ganz offenbar um einen Eingriff von erheblicher Komplexität, da die eigentliche Durchführung nicht isoliert betrachtet werden könne. Für die technische Vorbereitung der Mangelbeseitigung sei nach Angaben des Autohauses ein Vorlauf von fast einem Jahr erforderlich.
Hinzu kam auch hier die bereits erwähnte Begründung der zwischen den Parteien getroffenen Beschaffenheitsvereinbarung und deren Verstoß seitens der Beklagten. Nach diesen Grundsätzen verneinte das Gericht einen unerheblichen Mangel.