Diskussion um den Schwerpunktbereich
Vor einiger Zeit gab es Aufregung unter Studierenden und Lehrenden. Die Diskussion um den Schwerpunktbereich an der Uni und dessen Sinnhaftigkeit wurde erneut aufgenommen. Es wurden Stimmen laut, die den universitären Schwerpunkt abschaffen wollten, es wird über eine Reduktion der Wertung gesprochen; von 30 auf 20 Prozent der Gesamtnote. Während einige Studierende den Schwerpunkt als verbesserungsbedürftig ansehen, steht ein großer Teil hinter ihm, fordert eine Angleichung zur besseren Vergleichbarkeit und sieht die Universitäten in der Pflicht, Mankos auszubügeln. So auch der Bundesverband rechtswissenschaftlicher Fachschaften, der offen in den Dialog geht und seine Meinung deutlich vertritt.
Das gesamte Studium über lernen wir das Gleiche, eine Möglichkeit, Alleinstellungsmerkmale zu erwerben, besteht meist nur außerhalb der universitären Veranstaltungen, die Prüfungsinhalt der ersten Pflichtfachprüfung sind. Der Schwerpunkt bietet die Möglichkeit, praxisnah neue Fertigkeiten zu erwerben und sich intensiv mit einem neuen (Rand-)Gebiet zu befassen. Aus diesem Grund werden wir euch in dieser Reihe exotische und interessante Schwerpunktbereiche an verschiedenen Universitäten vorstellen.
Der Schwerpunkt „Nationales Strafrecht“ an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)
Florian Boes studiert an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) und stellt uns seinen Schwerpunktbereich „Nationales Strafrecht“ vor.
Iurratio: Welchen Schwerpunkt hast du gewählt und aus welchem Grund?
Florian: Mein Schwerpunkt ist das (nationale) Strafrecht. Grundsätzlich war ich schon vor Beginn des Studiums strafrechtlich interessiert, auch, wenn es da weniger um den juristischen als eher den kriminalistischen Hintergrund ging. Strafrecht ist ja auch für den Laien meist viel allgegenwärtiger als zivil- oder öffentlich-rechtliche Angelegenheiten, nicht zuletzt durch einschlägige Trash-TV-Sendungen. Ich würde nicht ausschließen, dass diese auch bei mir dazu beigetragen haben, dass ich zunächst ein Grundinteresse für dieses Rechtsgebiet entwickelte. Außerdem waren auch meine Prüfungsleistungen im Strafrecht immer am Besten.
Iurratio: Welche Leistungen muss man an deiner Fakultät erbringen, um das Schwerpunktzeugnis zu erhalten? Was sind die Erfordernisse?
Florian: An meiner Universität (Viadrina in FFO) findet gerade ein Wandel in der Schwerpunktsprüfung statt. Bis jetzt bestand der universitäre Schwerpunkt aus Examenshausarbeit, Schwerpunktsklausur sowie mündlicher Prüfung. Ab dem kommenden Semester fällt jedoch die Klausur weg. Inwieweit das sinnvoll ist, vermag ich nicht zu beurteilen.
Iurratio: Wie beliebt ist dein Schwerpunkt?
Florian: Da habe ich keine genauen Zahlen, ich denke jedoch, dass das Strafrecht grundsätzlich relativ beliebt ist. Einfach, weil es als Rechtsgebiet relativ fassbar und lebensnah ist. Obwohl auch viele erzählen, dass im Strafrecht die Noten durchschnittlich am schlechtesten ausfallen.
Iurratio: Wie ist die Betreuungssituation? Sind Praktiker eingebunden?
Florian: All unsere Strafrechtsprofessoren haben sowohl praktische als auch wissenschaftliche Hintergründe. Hervorheben möchte ich hierbei Prof. Dr. Dr. Scheffler, der in der Vergangenheit als Strafverteidiger tätig war. Seinen Unterricht lockert er immer wieder mit Geschichten aus seiner beruflichen Praxiserfahrung auf und macht somit das Theoretische viel anschaulicher.
Auch außerhalb der Vorlesungen sind die Professoren oder deren wissenschaftliche Mitarbeiter stets erreichbar und für Fragen interessierter Studenten offen. Diese „familiäre“ Atmosphäre schätze ich ohnehin sehr an der Juristischen Fakultät der Viadrina.
Iurratio: Wie schätzt du den Praxisbezug ein/ wie die Examensrelevanz und wie die Relevanz für das Referendariat?
Florian: Die Examensrelevanz ist natürlich enorm hoch, die strafrechtlichen Klausuren sind wichtiger Bestandteil der staatlichen Examensprüfungen. Auch schätze ich den Praxisbezug für mich persönlich als sehr hoch ein, da ich nach der universitären Ausbildung sehr gerne eine strafrechtliche Arbeitsstelle, ob nun als Strafverteidiger oder in anderer Rolle, bekleiden würde.
Grundsätzlich kann ich sagen, dass sich im Laufe des Schwerpunktsstudiums mein Berufswunsch enorm manifestiert hat, nicht zuletzt dank diverser praxisnaher Veranstaltungen, wie beispielsweise dem Mootcourt.
Iurratio: Was gefällt dir an deinem Schwerpunktbereich? Wo siehst du Verbesserungsbedarf?
Florian: Mir gefällt vor allem, dass der Schwerpunkt Strafrecht genau die Inhalte bietet, die mich auch persönlich interessieren. Im Gegensatz zu anderen Rechtsgebieten fällt es mir häufig leichter, mich zum Lernen oder Lesen von strafrechtlichen Thematiken zu motivieren. Besonders spannend finde ich auch, dass neben rein juristischen Aspekten der Schwerpunkt Strafrecht auch philosophische oder psychologische Themen bietet. Zu erwähnen sind hierbei beispielsweise die Diskussion über den Sinn und Zweck von Strafe im Rahmen der Sanktionenlehre oder diverse Thematiken aus dem Bereich der Kriminologie.
Verbesserungsbedarf sehe ich vor allem in der grundsätzlichen Wertschätzung der universitären Schwerpunktausbildung. Vorschläge, die Wertung von 30 auf 20 Prozent der Gesamtnote zu senken, betrachte ich äußerst kritisch. Meiner Meinung nach beraubt eine solche Reduktion dem gesamten Jura-Studium ein Stück Individualität, welche ohnehin schon recht kurz kommt.
Iurratio: Vielen Dank für diesen Einblick in deinen Schwerpunktbereich!
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