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Der funktionale Mangelbegriff

Die Reichweite des funktionalen Mangelbegriffs ist noch immer nicht sämtlichen Aufragnehmern bewusst ist. Woraus sich überhaupt ein solches Mängelverständnis ableiten lässt und ob die Haftungserweiterung einem "gerechten" Rechtssystem entpricht behandelt dieser Beitrag.
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Bisher nicht näher erläutert wurde die Prüf- und Hinweispflicht des Unternehmers.

A. Einleitung
Schon seit längerem ist der sog. „funktionale Mangelbegriff“ immer wieder Gegenstand diverser Gerichtsentscheidungen. ( BGH, BauR 2000, 411; BGH, BauR 2003, 236; BGH, BauR 2007, 700; BGH, BauR 2008, 344.) Vor allem im privaten Baurecht mehren sich die Probleme.

Dies liegt daran, dass die Reichweite dieses Mangelbegriffs noch immer nicht sämtlichen Aufragnehmern bewusst ist. Aber woraus lässt sich überhaupt ein solches Mängelverständnis ableiten oder – anders gefragt – verstößt ein derartiger Mangelbegriff gegen die geltende gesetzliche Regelung des § 633 Abs. 2 BGB und entspricht die damit einhergehende Haftungserweiterung des Unternehmers überhaupt noch den Anforderungen an ein „gerechtes“ Rechtssystem? Immerhin soll nun für fremdes Verschulden gehaftet werden.

B. Der Mangelbegriff
Um einen sinnvollen Einstieg in die Thematik der Mängelhaftung zu schaffen, muss der Mangelbegriff kurz dargestellt werden. Erst mit Hilfe der Kenntnis der diesbezüglichen gesetzlichen Regelung lässt sich die Problematik des funktionalen Mangelbegriffs erklären und eine Lösung herausarbeiten.

Für das Werkvertragsrecht finden die Vorschriften des BGB gemäß §§ 631 f. BGB Anwendung. Da aber das Werkvertragsrecht die speziellen Gepflogenheiten des Baurechts unvollkommen und nicht interessengerecht abbildete, wurde die VOB/B „kodifziert“, ( Locher, Das private Baurecht, 8. Auflage, Rn. 137.) um die werkvertragsrechtlichen Regelungen zu ergänzen und teilweise zu modifizieren. Die VOB/B ist nach ganz herrschender Meinung eine AGB. ( A.A. Leupertz, Jahrbuch Baurecht 2004, 43 f.) Es bietet sich daher an, den Mangelbegriff der VOB/B und den des BGB jeweils separat voneinander zu beleuchten.

I. Mangelbegriff nach BGB
§ 633 Abs. 2 Satz 1 BGB regelt den Sachmangel in drei Varianten, wobei primäre Beurteilungsgrundlage die vereinbarte Beschaffenheit ist.4

Wurde hingegen keine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen, ist das Werk frei von Sachmängeln,

• wenn es sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte, sonst

• für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Werken der gleichen Art üblich ist und die der Besteller nach der Art des Werkes erwarten kann.

Der Gesetzgeber hat den Begriff der vereinbarten Beschaffenheit nicht definiert, obgleich § 633 Abs. 2 BGB auf einer Angleichung an die kaufvertragliche Regelung des § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB beruht.5

II. Mangelbegriff nach VOB/B
§ 13 Abs. 1 VOB/B verpflichtet den Aufragnehmer dem Aufraggeber seine Leistung zum Zeitpunkt der Abnahme frei von Sachmängeln zu verschaffen.

Die Bauleistung ist zur Zeit der Abnahme nach § 13 Abs. 1 VOB/B frei von Sachmängeln, wenn sie

• die vereinbarte Beschaffenheit hat,

• und den anerkannten Regeln der Technik entspricht.

Der Grund für das Fehlen einer solchen Regelung im BGB-Werkvertragsrecht liegt darin, dass eine Übernahme zu erheblichen Missverständnissen geführt hätte, wonach „der Werkunternehmer seine Leistungspflicht schon dann erfüllt hat, sobald nur diese Regeln eingehalten sind, auch wenn das Werk dadurch nicht die vertragsgemäße Beschaffenheit erlangt hat.“6 Wurde keine Beschaffenheit vereinbart, so greif die Regelung des § 13 Abs. 1 Satz 3 VOB/B, die der Regelung des § 633 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 BGB entspricht.

C. Der funktionale Mangelbegriff
Unter dieser Prämisse müsste sowohl im BGB als auch in der VOB/B zunächst und ausschließlich auf die Beschaffenheitsvereinbarung abgestellt werden. In der Praxis führt dennoch seit Jahrzehnten7 die Herstellung eines funktionsunfähigen Gewerks zu einem Mangel, selbst dann, wenn die Beschaffenheitsvereinbarung keine, unzulängliche oder falsche Angaben enthält.8

I. Kritik und Alternativlösung zum funktionalen Mängelverständnis
Ein größeres Problem ergibt sich jedoch, wenn die Einhaltung der Beschaffenheitsvereinbarung nicht zum funktionalen Erfolg führen kann. Dann scheint es nämlich so, als habe der Unternehmer lediglich die Wahl zwischen Skylla und Charybdis. Zur Veranschaulichung soll folgender Fall dienen: Der Unternehmer soll einen Industrieestrich in einer Werkhalle des Bestellers verlegen, die – zu seiner Kenntnis – hinterher als Lagerstätte für diverse aufeinandergestapelte Automobilteile dienen soll.

Im Leistungsverzeichnis sind Hersteller und Typ des Estrichmaterials sowie dessen Verarbeitung konkret vorgegeben. Obwohl der Unternehmer sich exakt an diese Vorgaben hält, zeigen sich im Estrich alsbald Risse, weil dieser den Belastungen durch die mit den Automobilteilen befüllten Lagerregale nicht standhält. Hier zeigt sich, in was für einem Dilemma der Unternehmer sich befindet. Denn hält er die vereinbarte Beschaffenheit ein, so hat er aufgrund der fehlenden Funktionalität ein mangelhaftes Werk erbracht.

Wählt er hingegen einen geeigneten Estrich, so hat er die vereinbarte Beschaffenheit nicht eingehalten, wodurch das Gewerk ebenfalls mangelhaft ist. Peters möchte deshalb im Ergebnis die werkvertragliche Erfolgsverpflichtung auf die Abarbeitung der vom Besteller stammenden Leistungsbeschreibung beschränkt wissen.9 Immerhin stellen sowohl § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB als auch § 13 Abs. 1 Satz 2 VOB/B primär auf den Parteiwillen ab.

Ferner entspricht es dem Grundgedanken des Werkvertragsrechts, wonach es dem Unternehmer obliegt, wie er den Werkerfolg herbeiführt.10 Wenn der Besteller nun vorgibt, wie die Baumaßnahme realisiert werden soll und für den Unternehmer im Werkvertragsrecht eine verschuldensunabhängige Erfolgshaftung besteht, erscheint eine Übernahme dieser Risiken, die sich aus der Unzulänglichkeit der vom Besteller erstellten Planung ergeben, nicht mehr interessengerecht.11 Schließlich erhält der Unternehmer auch nur für die detailliert ausgeschriebenen Leistungen die vertraglich vereinbarte Vergütung.

Es entspricht deshalb dem vertraglichen Äquivalenzgefüge, wenn nur diese Leistungen für die Herbeiführung des Werkerfolges i.S.d. § 631 Abs. 1 BGB erbracht werden müssen.12 Allerdings wird der Besteller allenfalls auf die Geltendmachung von Schadensersatz beschränkt, wenn der Werkerfolg beispielsweise wegen der Fehler seiner Leistungsvorgaben nicht erreicht wird und der Unternehmer es zumindest fahrlässig versäumt hat, ihn rechtzeitig auf die Fehler hinzuweisen.

Er hat nämlich die Pflicht die Leistungsvorgaben des Bestellers zu prüfen und gegebenenfalls Bedenken anzumelden.13 Mittels dieser sog. „Prüf- und Hinweispflicht“14 lässt sich auch das eingangs erwähnte Dilemma lösen. Folgt man hingegen der von Peters vertretenen Auffassung, so muss sich der Besteller die Leistung für ein zweckentsprechendes Gewerk anderweitig beschaffen, weil der Unternehmer kein mangelhaftes Werk hergestellt hat und folglich nicht zur Nacherfüllung verpflichtet ist.

Dies ist unwirtschaftlich und versperrt dem Unternehmer das Recht zur zweiten Andienung. Gleichzeitig führt es dazu, dass die fachliche Kompetenz des Aufragnehmers nicht mehr ausreichend im Baugeschehen mit eingebunden wird, zumal der Anreiz dadurch deutlich gesenkt wird, die Leistungsvorgaben des Bestellers sorgfältig zu überprüfen. Zwar lässt sich dem entgegenhalten, dass der Besteller geneigt sein könnte, aufgrund der Einstandspflicht des Unternehmers an ein funktionsfähiges Gewerk, nicht sorgfältig genug zu planen.

Dies muss aber aus Gründen der Praktikabilität hingenommen werden. Schließlich bietet seine Exkulpationsmöglichkeit durch einen rechtzeitigen Bedenkenhinweis gemäß §§ 4 Abs. 3, 13 Abs. 3 VOB/B bzw. gemäß § 242 BGB ein notwendiges Korrektiv für das doch sehr hohe Risiko.

II. Dogmatische Herleitung des funktionalen Mangelbegriffs
Es stellt sich nun die Frage, wie sich ein solches funktionales Mängelverständnis dogmatisch begründen lässt. Der BGH betrachtet die Funktionalität des Werkes als ein inhärentes Kriterium der Beschaffenheit (1. Stufe des Mangelbegriffs). Begründet wird dies damit, dass es nicht den Parteiwillen entsprechen könne, wenn allein auf die getroffene Vereinbarung und nicht gleichzeitig auf das wirtschaftliche Ziel des Vertrages abgestellt werde.15

Leupertz dagegen knüpft an die nach dem Vertrage vorausgesetzte Verwendungseignung gemäß § 633 Abs. 2 Satz 2 BGB (2. Stufe des Mangelbegriffs) an, also dort wo sich das Kriterium der Funktionalität verbirgt.16 Hierbei ist zu beachten, dass das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz die Schaffung eines neuen einheitlichen Sachmangelbegriffs für Kauf- und Werkvertrag beabsichtigte, bei der die EU-Verbrauchsgüterkaufrichtlinie17 umgesetzt werden sollte.

Nach deren Art. 2 Abs. 2 wird die Vertragsgemäßheit von Verbrauchsgütern vermutet, wenn diese

• mit der vom Verkäufer gegebenen Beschreibung übereinstimmen

• sich für einen bestimmten vom Verbraucher angestrebten Zweck eignen

• sich für Zwecke eignen, die für die Güter der gleichen Art gewöhnlich gebraucht werden

• eine Qualität und Leistung aufweisen, die bei Gütern der gleichen Art üblich sind und die der Verbraucher vernünftigerweise erwarten kann.

Hier zeigt sich zwar, dass die Voraussetzungen dieses Regelungsbereiches kumulativ gelten müssen, damit die Vertragsgemäßheit des Verbrauchsgutes konstatiert werden kann.18 Allerdings stellt Art. 2 Abs. 1 der EU-Verbrauchsgüterkaufrichtlinie zunächst ausdrücklich auf die rechtsgeschäftliche Vereinbarung ab, denn danach ist der Verkäufer verpflichtet, dem Verbraucher dem Kaufvertrag gemäße Güter zu liefern.

Leupertz führt dann aus, dass dieser Sachmangelbegriff weitestgehend mit dem vor der Schuldrechtsmodernisierung äquivalent ist. Damals musste nämlich das herzustellende Werk nicht nur dem Willen der Parteien entsprechen, sondern gleichzeitig auch für den gewöhnlichen oder nach dem Vertrage vorausgesetzten Gebrauch eignen.19 Mit diesem Regelungszusammenhang ist seiner Meinung nach die Umsetzung der EU-Verbrauchsgüterkaufrichtlinie völlig missglückt,20 weil nach dem Wortlaut des § 633 Abs. 2 BGB das vom Unternehmer hergestellte Werk allein durch die Einhaltung der Beschaffenheit frei von Mängeln wäre.

Auf die nach dem Vertrag vorausgesetzte oder auf die sonst gewöhnliche Verwendungseignung komme es stattdessen nur an, wenn keine Beschaffenheit von den Vertragsparteien vereinbart worden sei.21 Dies widerspreche dem „Grundsatz der Erfolgsbezogenheit der Werkleistungsverpflichtung“ des Unternehmers und spiegle auch die berechtigte Ergebniserwartung des Bestellers unvollkommen ab.22 Auch sei es nicht ersichtlich, weshalb der Gesetzgeber die vorgenannten Grundsätze mit dem § 633 Abs. 2 BGB n.F. hat in Zweifel ziehen wollen.

Durch den Wortlaut dieser Vorschrift bewirke der Gesetzgeber dennoch eine teilweise Außerkraftsetzung dieser Grundsätze, aufgrund der drei Stufen, die sich nun in der neuen Regelung fänden. Diese vom Gesetzgeber geschaffene Unzulänglichkeit müsse durch eine richtlinienkonforme Auslegung des § 633 Abs. 2 BGB dahingehend korrigiert werden, dass die dort tatbestandlich genannten Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein müssen, damit das Werk mangelfrei ist.23

Danach muss das Gewerk also

• die vereinbarte Beschaffenheit haben (Bausoll) und andererseits für die vertraglich vorausgesetzte, sonst für die übliche Verwendung geeignet sein (Erfolgssoll, funktionaler Mangelbegriff).

• Wenn es an der Beschaffenheitsvereinbarung fehlt, muss das Gewerk sich für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung, sonst für die übliche Verwendung eignen und die übliche Beschaffenheit haben.24

III. Die Unterschiede dieser beiden Ansichten
Stellt man die beiden Ansichten, also die vom BGH vertretene Auffassung und die von Leupertz, nebeneinander, so stellt sich die Frage, ob sie lediglich in ihrer dogmatischen Herleitung Unterschiede aufweisen oder ob tatsächlich auch weiterreichende Konsequenzen mit einhergehen. Hierbei bietet es sich an, zwischen dem BGB- und dem VOB/B-Werkvertragsrecht zu unterscheiden. 1. Im BGB-Werkvertrag Das BGB-Werkvertragsrecht verlangt für weiterreichende Mängelrechte lediglich, dass ein Mangel i.S.d. § 633 Abs. 2 BGB vorliegt.

Da beide Ansichten jeweils einen Mangel begründen, ergeben sich hierbei keine Unterschiede, es bleibt ein Streit um des Kaisers Bart. 2. Im VOB/B-Werkvertrag Ein Problem ergibt sich, wenn die VOB/B vereinbart wurde. Denn um weiterreichende Mängelrechte geltend zu machen, wird explizit in § 13 Abs. 7 Nr. 3 VOB/B unter lit. a) ein Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik oder in lit. b) das Fehlen einer vertraglich vereinbarten Beschaffenheit verlangt.

Folgt man der Ansicht des BGH, der die Funktionalität als ein der Beschaffenheitsvereinbarung immanentes Kriterium erachtet, so lässt sich dies ohne Schwierigkeiten unter die Voraussetzungen des § 13 Abs. 7 Nr. 3 lit. b) VOB/B fassen. Probleme ergeben sich jedoch, wenn man der von Leupertz vertretenen Auffassung folgt, die die Funktionalität als ein selbstständiges Kriterium ansieht, das neben der vereinbarten Beschaffenheit eingehalten werden muss.

Unter dieser Prämisse fällt die Funktionalität nicht mehr unter die Beschaffenheitsvereinbarung und mithin würde die Haftungsbeschränkung des § 13 Abs. 7 Nr. 3 VOB/B eingreifen. Da die VOB/B nach ganz herrschender Meinung eine AGB ist,25 muss sie auch eindeutig und klar formuliert sein. Mehrdeutige Klauseln gehen nach § 305c BGB zu Lasten des Verwenders. Einen Rettungsanker bieten dann allenfalls die Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung, wonach der Richter befugt ist, eine Lücke nach § 157 BGB zu schließen, sofern die AGB wirksam einbezogen und auch nach §§ 307 f. BGB als wirksam erachtet wird.26

Demnach wäre nach diesem Mängelverständnis ein weitreichender Schadensersatzanspruch nur unter den strengen Voraussetzungen einer ergänzenden Vertragsauslegung möglich. Zwar ließe sich das Problem mit dem § 13 Abs. 7 Nr. 3 lit. b) VOB/B durch eine entsprechende Gesetzestextänderung beheben, allerdings sollte dies wohl eher als absolute Notlösung in Betracht gezogen werden. Zumal freilich kein Bedürfnis einer solchen Gesetzestextänderung besteht, wenn man der vorzugswürdigeren Lösung des BGH folgt.

D. Fallkonstellationen
Bisher nicht näher erläutert wurde die Prüf- und Hinweispflicht des Unternehmers. Sie ist für die weitere Rechtsfolge eines funktionalen Mängelverständnisses von essentieller Bedeutung.27 Hierbei sind verschiedene Fallgruppen voneinander zu unterscheiden.

I. Unternehmer meldet keine Bedenken an
Teilt der Unternehmer dem Besteller nicht die gebotenen Bedenken mit, so haftet er nach den Regeln des werkvertraglichen Sachmängelhaftungsrechts gemäß §§ 633 Abs. 2, 634 f. BGB, sofern er die fehlende Funktionalität hätte erkennen können. Den Besteller trifft aber eine Mithaftung gemäß § 254 BGB, wenn der Mangel auf eine fehlerhafte Umsetzung seiner Leistungsvorgaben beruht und er somit aus seiner Risikosphäre stammt.28

II. Unternehmer meldet keine Bedenken an und erbringt ohne vorherige Absprachen Zusatzleistungen, die zum funktionalen Erfolg führen
Die Frage, die sich hier ergibt, bezieht sich auf den Mehrvergütungsanspruch des Unternehmers und ist bis dato noch nicht abschließend geklärt. Auf den Beispielsfall Bezug nehmend verlegt der Unternehmer, ohne zuvor Bedenken angemeldet zu haben, einen geeigneten Estrich.

Dieser Estrich war, obwohl er nicht im Leistungsverzeichnis des Bestellers angegeben wurde, trotzdem notwendig, um die unerwünschten Risse am Boden zu verhindern. Zwar kann dem Besteller vorgehalten werden, dass die Verlegung des gewählten Estrichs objektiv erforderlich gewesen ist, um den funktionalen Erfolg herbeizuführen.

Allerdings wird dem Besteller dann das Recht zur Disposition entzogen, ob und inwieweit er den funktionalen Werkerfolg verwirklicht wissen möchte.29 Zudem stellen die Leistungsvorgaben verbindliche Beschaffenheitsvereinbarungen dar, zu deren Einhaltung der Unternehmer gemäß § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB verpflichtet ist.

III. Unternehmer meldet Bedenken an – Besteller besteht auf Bisherigem
Hat der Unternehmer seine Prüf- und Hinweispflichten eingehalten und die gebotene Mitteilung gemäß § 4 Abs. 3 VOB/B bzw. § 242 BGB erteilt, so liegt es nun am Besteller eine Entscheidung zu fällen. Während der Unternehmer im VOB-Vertrag die Anweisungen des Bestellers grundsätzlich gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 VOB/B zu befolgen hat, kennt das BGB kein einseitiges Anordnungsrecht.30

Der Unternehmer steht scheinbar erneut vor einem Dilemma, wenn durch die Umsetzung der Ausführungsvorgaben kein zweckentsprechendes Gewerk hergestellt werden kann. Denn sobald die Vorgaben fehlerhaft sind, resultiert durch deren Einhaltung ein mangelhaftes Bauergebnis. Wählt er hingegen Baumaßnahmen, die nicht im Leistungsverzeichnis angegeben worden sind und deshalb auch nicht vertraglich vereinbart wurden, so hält er bei der Herstellung des Werks die vereinbarte Beschaffenheit nicht ein, was ebenfalls zu einem Mangel führt und die Rechtsfolgen des § 634 BGB auslöst. Im Grunde dürfe für den BGB-Werkvertrag nichts anderes gelten als für den VOB/B-Vertrag.

Deshalb ist es für den BGB-Werkvertrag unabdingbar, dass der Unternehmer in solch einer Situation eine rechtsgeschäftliche Erklärung des Bestellers herbeiführen muss, die durch seine Bedenken veranlasst werden kann. Beharrt der Besteller jedoch weiterhin auf die Umsetzung seiner fehlerhaften Leistungsbeschreibung, so schließen die beiden Parteien einen neuen Vertrag, dessen Erfolg in der Herbeiführung eines mangelhaften Werks zu sehen ist. IV. Unternehmer meldet Bedenken an – Der Besteller bleibt untätig Ein Verstoß gegen die Kooperationspflicht liegt beim Schweigen oder Untätigbleiben des Bestellers vor.31

Dies liegt daran, dass der Unternehmer für die Erbringung seiner Werkleistung auf die verbindliche Entscheidung des Bestellers angewiesen ist. Entsteht ihm dabei ein Schaden, so kann er je nach Einzelfall seinen Schaden, sobald der Besteller in Verzug der Annahme kommt, gemäß § 642 BGB unter Heranziehung des § 280 Abs. 1 BGB ersetzt verlangen oder ihn gemäß § 6 Abs. 6 VOB/B beseitigen lassen. Auch eine Vertragsauflösung nach §§ 642, 643 BGB bzw. § 9 Abs. 1 lit. a) VOB/B ist gegebenenfalls zulässig.32 V.

Der Unternehmer meldet Bedenken an – der Besteller billigt die Bedenken Auf die Frage nach einem Mangel kommt es in diesen Fallkonstellationen nicht mehr an, wenn der Unternehmer die zusätzlich zu erbringenden Leistungen, die für die Verwirklichung eines mangelfreien Bauwerkes erforderlich sind, erfüllt. Allerdings hat er bei geänderten Ausführungsvorgaben erneut eine Prüfung vorzunehmen, ob diese nun zu einem funktionalen Gewerk führen.33 E.

Ergebnis Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die Rechtsprechung zur werkvertraglichen Sachmangelhaftung seit Jahrzehnten auf einem funktionalen Verständnis der Erfolgsverpflichtung des Unternehmers beruht. Seine Rechtfertigung erfährt der funktionale Mangelbegriff durch das verständliche Anliegen des Bestellers, der nämlich in aller Regel von einem funktionalen Gewerk als Werkerfolg ausgeht. Die Alternativlösung, die das Abarbeiten der Leistungsbeschreibung als Werkerfolg qualifizieren möchte, überzeugt indes nicht. Sie ist nur auf einen monetären Ausgleich gerichtet und wird den Bedürfnissen der Vertragsparteien nicht gerecht.

Dennoch erntete dieser Mangelbegriff Kritik, weil er gegen den Wortlaut des § 633 Abs. 2 BGB verstößt, der primär auf die vereinbarte Beschaffenheit abstellt. § 633 BGB soll anscheinend Zeugnis dafür abgeben, dass der Gesetzgeber die EU-Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ungünstig umgesetzt hat, die im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung korrigiert werden muss. Dem wurde jedoch entgegengehalten, dass die Erwägungen des BGH eine interessengerechte und dogmatisch nachvollziehbare Lösung bieten und es daher nicht zwingend notwendig ist, den Gesetzeswortlaut zu verändern.

Die mit dem funktionalen Mangelbegriff einhergehende Belastung des Unternehmers für die unzulänglichen Ausführungsvorgaben des Aufraggebers zu haften, ist „gerecht“, weil die Möglichkeit der Exkulpation besteht, wenn er seiner Prüf- und Hinweispflicht nachgekommen ist.

von Georgios Petanidis

Fußnoten:

1 BGH, BauR 2000, 411; BGH, BauR 2003, 236; BGH, BauR 2007, 700; BGH, BauR 2008, 344.
2 Locher, Das private Baurecht, 8. Auflage, Rn. 137.
3 A.A. Leupertz, Jahrbuch Baurecht 2004, 43 f.
4 Locher, Das private Baurecht, 8. Auflage, Rn. 33.
5 Mankowski, MDR 2003, 854 (858).
6 BT-Drucksache 14/6040, 261.
7 BGH, BauR 2000, 411; BGH, BauR 2003, 236; BGH, BauR 2007, 700; BGH, BauR 2008, 344.
8 OLG Stuttgart, BauR 2010, 98; Kapellmann/Langen, Einführung in die VOB/B, 22. Auflage, Rn. 221.
9 Peters, NZBau 2008, 609 (610); i.E. so auch Markus, NZBau 2010, 604 (607).
10 H.C. Schwenker, in: Erman, BGB, 13. Auflage, § 632, Rn. 4.
11 Peters/Jacoby, in: Staudinger, BGB, 15. Auflage, § 633, Rn. 18.
12 Markus, NZBau 2010, 604 (607).
13 BGH, BauR 1987, 79.
14 BGH, BauR 2008, 344.
15 BGHZ 174, 110 (117).
16 Leupertz, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 7. Auflage, § 633, Rn. 21.
17 Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.05.1999.
18 Tode, NZBau 2002, 297 (304).
19 Leupertz/Halfmeier, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 7. Auflage, § 633, Rn. 20.
20 Vygen, Bauvertragsrecht nach VOB, 6. Auflage, S. 81; Locher, Das Private Baurecht, 8. Auflage,
Rn. 36; Leupertz/Halfmeier, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 7. Auflage, § 633, Rn. 21 m.w.N.
21 Leupertz, in: FS-Kapellmann (2007), 253 (255).
22 Leupertz/Halfmeier, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 7. Auflage, § 633, Rn. 21.
23 Werner/Pastor, Der Bauprozess, 14. Auflage, Rn. 1457; Vorwerk, BauR 2003, 1 (4); Tode, NZBau
2002, 297 (301 f.), (304).
24 Vygen, Bauvertragsrecht nach VOB, 6. Auflage, S. 81; i.E. ebenfalls: Merl, in: FS-Motzke (2006),
261 f.; so auch Voit, in: Bamberger/Roth, BGB, 3. Auflage, § 633, Rn. 4.
25 Von Wietersheim, Bauvertragsrecht nach BGB und VOB/B, 2. Auflage, S. 284.
26 K. P. Berger, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 7. Auflage, § 305c, Rn. 20.
27 Locher, in: Beck’sches Rechtsanwalts-Handbuch, 10. Auflage, § 23, Rn. 37 f.
28 BGH, NJW-RR 1991, 276; BGH, BauR 2005, 1016.
29 Dazu ausführlich Leupertz, BauR 2005, 775 f.
30 Nicklisch, in: Nicklisch/Weick, VOB Verdingungsordnung für Bauleistungen Teil B,
3. Auflage, § 4, Rn. 30.
31 Merkens, in: Kapellmann/Messerschmidt, VOB/B, 4. Auflage, Teil B, § 4 Abs. 3, Rn. 106.
32 Leupertz, in: FS-Kapellmann (2007), 253 (264).
33 BGH, BauR 1974, 128.

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