Können Sie sich zunächst kurz vorstellen?
Meine Freizeit verbringe ich mit der Familie, unserer Dackeldame und am liebsten in Griechenland. Wenn es in Hauptverhandlungen hitzig wurde, gehe ich zum Ausgleich gerne zum Boxen.
An welchem Gericht haben Sie Ihr Referendariat absolviert? Was war für Ihre Wahl entscheidend?
Mein Referendariat habe ich in Hamburg am Hanseatischen Oberlandesgericht absolviert. Als Hamburger war das für mich die erste Wahl. Da aufgrund der Pandemie ohnehin alles sehr eingeschränkt war, habe ich auch keinen Grund gesehen, woanders hinzugehen. Von Vorteil ist in Hamburg, dass alle Gerichte nah beieinander liegen; anders als in den Flächenbundesländern. Ich musste daher zum Glück nie pendeln.
Haben Sie sich auf das Referendariat vorbereitet? Wenn ja, wie?
Zur Vorbereitung habe ich über den Ablauf und die Möglichkeiten für die einzelnen Stationen informiert. Inhaltlich habe ich mich nicht vorbereitet und halte das auch rückblickend für nicht notwendig.
Wann haben Sie sich auf die Referendarstellen beworben?
Für die erste Station wurden wir damals zugeteilt. Auf die weiteren Stationen habe ich mich etwa 3-6 Monate vorher beworben. Für sehr begehrte Plätze, etwa beim Auswärtigen Amt oder in Bundesministerien, sollte man sich jedoch noch frühzeitiger bewerben.
Bei welchen Arbeitgebern haben Sie Ihre Stationen absolviert? Nach welchen Kriterien haben Sie die Ausbildungsstätten ausgewählt?
Die beiden ersten Stationen konnte ich mir nicht aussuchen. Dort war ich an einem Amtsgericht bei einem Strafrichter und im Anschluss in einer Zivilabteilung. In der Station beim Strafrichter habe ich beschlossen, Strafverteidiger zu werden. Die Verteidiger, die ich dort erlebt habe, haben mich beeindruckt. Von da an habe ich mein Referendariat – mit Ausnahme der Verwaltungsstation beim NDR – strafrechtlich ausgelegt. Ich war bei der Staatsanwaltschaft im Dezernat für Organisierte Kriminalität, in einer renommierten Kanzlei für Wirtschaftsstrafrecht in Köln und bei HT Defensio Strafverteidiger, wo ich dann später Wissenschaftlicher Mitarbeiter wurde und nun auch als Rechtsanwalt tätig bin.
Wie war die Begleitung durch die Ausbilder*innen in Ihren Stationen?
Ich hatte durchweg großes Glück mit meinen Ausbilder*innen. In allen Stationen konnte ich viel von den Persönlichkeiten und deren praktischen Herangehensweisen lernen, was für mich den Einstieg als Rechtsanwalt erleichtert hat.
Mir war besonders wichtig, für meine Ausarbeitungen ein Feedback zu bekommen, ein Endergebnis zu sehen und sowohl an Mandantengesprächen als auch an Hauptverhandlungen teilnehmen zu können. Das wird Referendar*innen auch bei uns in der Kanzlei geboten. Das Referendariat soll schließlich auf die Praxis vorbereiten.
Ich empfehle angehenden Referendar*innen, direkt im Bewerbungsgespräch offen zu fragen, ob die Möglichkeit besteht, die Ausbilder*innen auch zu Terminen und Meetings zu begleiten und wie die Einbindung von Referendar*innen von dem/der jeweiligen Ausbilder*in geplant ist. In der Regel kann man dann ganz gut einschätzen, ob echtes Interesse an einer praktischen Ausbildung besteht oder man nur als „günstige Arbeitskraft“ im Backoffice gesehen wird.
Wie waren Ihre Erfahrungen mit den stationsbegleitenden Arbeitsgemeinschaften?
In Hamburg fanden die meisten Arbeitsgemeinschaften direkt zu Beginn der jeweiligen Station als Blockveranstaltung statt. Das hat zwar den Vorteil, dass man direkt Handwerkszeug für die praktische Arbeit in der Station an die Hand bekommt. Ich halte das Modell stationsbegleitender Arbeitsgemeinschaften in anderen Bundesländern jedoch für sinnvoller, um sich dort auch über Probleme aus der Praxis austauschen zu können und von dem Stoff nicht „erschlagen“ zu werden.
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H/T – Defensio Strafverteidiger
Wie haben Sie sich die Zeit zum Arbeiten und Lernen eingeteilt?
Ich hatte wöchentlich feste Termine mit meiner Lerngruppe und für die Übungsklausuren. Ansonsten habe ich immer dann gelernt, wenn die Stationsarbeit das gerade hergegeben hat. In den letzten Monaten vor dem Examen habe ich dann einen konkreten Lernplan mit festen Zeiten erstellt, den ich mal mehr, mal weniger gut eingehalten habe. Im Referendariat muss bzw. wird man lernen, verschiedene Aufgaben unter einen Hut zu bekommen und Prioritäten zu setzen. In der Vorbereitung für das Erste Staatsexamen war das – jedenfalls bei mir – anders. Dort gab es nur diese Vorbereitung und einen kleinen Nebenjob.
Wie haben Sie sich auf das 2. Examen vorbereitet? Welche Materialien haben Sie zur Vorbereitung auf das 2. Examen genutzt?
In meinen Stationen habe ich eher wenig für die Examensklausuren mitgenommen. Meines Erachtens weicht die praktische Ausbildung – sicherlich auch bedingt durch die individuelle Stationswahl – von den Anforderungen der Klausuren erheblich ab.
Ich habe frühzeitig angefangen, an den Wochenenden Seminare zu den einzelnen Klausurtypen zu besuchen. Hierdurch gewinnt man einen Überblick über den Umfang der Anforderungen. Das habe ich dann mit Skripten und in einer sehr motivierten Lerngruppe vertieft und wiederholt. Inzwischen bin ich selbst Repetitor für materielles Strafrecht.
Für unumgänglich halte ich es jedoch, eine gewisse Anzahl an Übungsklausuren unter realen Klausurbedingungen zu schreiben. Das empfand ich – wie vermutlich alle Referendar*innen – als besonders qualvoll, aber hierdurch habe ich ein gutes Gefühl für die Zeiteinteilung, die Struktur der verschiedenen Klausurtypen und vor allem für die effektive Arbeit mit dem Kommentar bekommen. Gerade die Arbeit mit dem Kommentar war in meinen – häufig vom Erbrecht geprägten – Examensklausuren besonders wichtig. Für die mündliche Prüfung habe ich dann primär Grundlagen wiederholt und in meiner Lerngruppe Aktenvorträge geübt.
Haben Sie eine stationsbegleitende Nebentätigkeit ausgeübt?
Ich habe bis auf wenige Wochen vor den Klausuren immer eine Nebentätigkeit ausgeübt. In einer Großstadt wie Hamburg konnte man – jedenfalls zu meiner Zeit – von dem Gehalt als Referendar nicht leben. Ich war z.B. als wissenschaftlicher Mitarbeiter in einer Großkanzlei tätig und habe Übungsklausuren von Student*innen korrigiert, die sich auf das Erste Staatsexamen vorbereitet haben. Neben Arbeitsgemeinschaften, Stationsarbeit und Lerngruppe ist das zwar zeitlich gar nicht so einfach zu organisieren, dennoch kann ich es – unabhängig von der finanziellen Notwendigkeit – nur empfehlen. Dies bietet die unschätzbare Möglichkeit, genauer herauszufinden, in welchen Bereichen man tatsächlich Spaß an der praktischen Arbeit hat. Das war für viele Kolleg*innen die größte Frage im Referendariat. Für mich war direkt zu Beginn des Referendariats klar: Ich werde Strafverteidiger.
Warum haben Sie sich nach dem Referendariat für Ihren jetzigen Arbeitgeber entschieden?
Neben dem Wunsch, Strafverteidiger zu werden, waren für mich drei Aspekte entscheidend: Das Team, die Freiheit in der täglichen Arbeit und dass mein zukünftiger Arbeitgeber mich in der fachlichen Entwicklung unterstützt. Ich war bei uns in der Kanzlei bereits als Referendar und Wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig. Daher war ich bei meinem Einstieg als Rechtsanwalt bereits fester Teil des Teams und wusste, dass ich hier genau so arbeiten kann, wie ich es mir vorstelle.
Welche Tipps würden Sie angehenden Referendaren und Referendarinnen zur Vorbereitung auf das Referendariat mitgeben?
Wenn Ihr noch nicht wisst, wohin die Reise gehen soll: Probiert alles, was Euch interessiert – auch im Rahmen von Nebentätigkeiten – aus. Von der praktischen Arbeit bekommt man an der Uni nichts mit. Nicht selten weichen die Vorstellung und der Alltag erheblich voneinander ab. Das Referendariat bietet die Möglichkeit, herauszufinden, was einen wirklich begeistert und zu erkennen, wenn die Tätigkeit oder die Arbeitszeiten nichts für einen sind.
Wenn Ihr bereits wisst, was Ihr machen wollt: Nutzt das Referendariat zum Networking und um in dem jeweiligen Bereich den richtigen Arbeitgeber zu finden. Hier können ebenfalls große Unterschiede bestehen.
Vielen Dank für Ihre Zeit und das Interview, Herr Meese!
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