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Eine Einführung ins Bürgerliche Recht für Studienanfänger

Es gibt viele Herangehensweisen an das Zivilrecht und letztlich muss auf Dauer jeder Student den individuell optimalen Weg für sich entdecken. Gleichwohl hilft generell die Berücksichtigung von ein paar Grundgedanken.
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A. Vorüberlegungen

Wenn Sie sich erstmals mit dem bürgerlichen Recht befassen, ist es von erheblicher Bedeutung, diese Materie vor dem richtigen Hintergrund zu verstehen und die richtigen Fragen zu stellen. Sie werden eine Vielzahl von Gesetzen und Judikaten kennenlernen, die nur bei richtiger Einordnung in ein schlüssiges System und bei sinnvoller Sortierung und Kategorisierung für Sie überschaubar sind und professionell gehandhabt werden können.

Machen Sie sich daher klar, dass Gegenstand des bürgerlichen Rechts die Regelung aller Rechtsfragen ist, die zwischen Privaten entstehen. Das betrifft Sie gleichermaßen, wenn Sie einkaufen und schlechte Ware erhalten, wenn Sie einen Handwerker bestellen, der ihre Heizung nicht ordnungsgemäß repariert, oder wenn Sie eine gute Geschäftsidee haben und hierfür mit anderen Personen oder allein eine Gesellschaft gründen wollen, die in den Wettbewerb treten soll.

Es soll in diesem Bereich dagegen nicht um Bestrafung wegen begangener Straftaten, Ahndung von Ordnungswidrigkeiten oder Aufgaben des Staats- oder Verwaltungswesens gehen. Wie Sie öffentliches von privatem Recht im Einzelfall trennen, soll hier nicht im Detail erörtert werden. Sie werden hierzu eine Reihe von Theorien und Ansätzen erlernen.*1

Konzentrieren wir uns auf die richtigen Fragestellungen. Wo Privatpersonen zusammenkommen und sich im Rahmen bestimmter äußerer Grenzen ohne Streitigkeiten einigen können, ist das Recht zwar im Hintergrund gegenwärtig, jedoch bedarf es keiner Durchsetzung mittels hoheitlicher Gewalt auf Basis einer gerichtlichen Auseinandersetzung.

Die Bemühungen des Gesetzgebers haben somit fortlaufend dahinzugehen, Konfliktfälle durch klare, den Bürgern einsichtige Vorgaben entweder zu vermeiden, oder nach Entstehen, die Grundlage zu einer möglichst friedlichen Beilegung zu schaffen, in deren Rahmen möglichst gerechte Ergebnisse erzielt werden können.*2 Es gibt viele Herangehensweisen an das Zivilrecht und letztlich muss auf Dauer jeder Student den individuell optimalen Weg für sich entdecken. Gleichwohl hilft generell die Berücksichtigung von ein paar Grundgedanken:

I. Waffengleichheit

Beim Verständnis von Normen und beim Lösen von Fällen sollte man sich klar machen, dass sich im Zivilrecht vom Grundgedanken her Bürger auf Augenhöhe begegnen. Es kann daher im täglichen Rechtsverkehr ohne Vorliegen besonderer Umstände nicht davon ausgegangen werden, dass ein Privater dem anderen in seiner rechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Situation überlegen wäre.*3 Daher sind alle gleichermaßen zu schützen. Im Prozessrecht wird daher auch von Waffengleichheit gesprochen.*4

II. Ausnahmen

Ausgenommen vom ersten Grundsatz sind solche Personen und Personengruppen, die aufgrund verschiedenster Umstände in besonderem Maße zu schützen sind, um die Idee der Waffengleichheit zu verfolgen (so etwa Verbraucher bei Geschäften mit Unternehmern, vgl. §§ 13, 14, 310 III, 312 ff., 355 ff., 474 ff., 491 ff. BGB etc.; Arbeitnehmer, da sie unselbstständige Arbeit leisten und wirtschaftlich sowie regelmäßig auch sozial von ihrem Arbeitsplatz abhängig sind, vgl. die unzähligen Arbeitnehmerschutzvorschriften im Kündigungsschutzgesetz, Teilzeit- und Befristungsgesetz, §§ 611 ff., insbesondere 613a BGB etc.; Minderjährige und Geschäftsunfähige, vgl. §§ 104 ff., 1626 ff., 1896 ff. BGB – Diese Liste ist freilich nicht abschließend).

III. Privatautonomie

*5 Die ersten beiden Erwägungen finden ihren Sinn aber nur unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Privatrechtssubjekte*6 befähigt sind, vor unserer Rechtsordnung anerkannte und durch verschiedene staatliche Institutionen wie Gerichte und Exekutivgewalt geschützte Verträge zu schließen (Abschlussfreiheit),*7 mit jedem gewünschten Inhalt (Inhaltsfreiheit),*8 der rechtlich nicht verboten ist.*9 Bewahren Sie sich diese Grunderwägungen für Ihr gesamtes Studium des Zivilrechts.

B. Denken in Struktur ist der Weg zum Erfolg

I. Herangehensweise an Sachverhalte

Als Zivilrechtler werden Sie künftig im Theoriestudium abgeschlossene Sachverhalte erhalten, um diese juristisch zu bewerten. Erst mit Abschluss des ersten Staatsexamens werden sie zusätzlich daran arbeiten müssen, den Sachverhalt präzise zu erfassen, bevor sie rechtlich würdigen können. Daher ist es zunächst entscheidend, die richtige Herangehensweise zur Lösung zivilrechtlicher Probleme zu verinnerlichen.

Diese basiert auf der Erkenntnis, dass die Bürger zunächst im Wesentlichen die Möglichkeit haben sollen, ihre rechtlichen Angelegenheiten durch Rechtsgeschäft zu regeln. Es gilt also ein grundsätzlicher Vorrang privatautonomer Regelungen. Nur wenn Privatpersonen dies nicht im Einzelnen tun, nicht können oder gegenüber anderen besonders schutzwürdig sind, greifen die verschiedenen gesetzlichen Regelungen.

Beispiele: Soweit also der Besteller und der Werkunternehmer sich über einen bestimmten Preis für die Reparatur einer defekten Heizung in der Wohnung des Bestellers einigen, gilt diese Einigung.

Nur wenn eine solche Einigung nicht existiert und die beiden später über die Höhe des Entgelts streiten, greifen etwa ergänzend die Regelungen des Werkvertragrechts der §§ 631, 632 BGB. Wenn sich jedoch ein unternehmerisch handelnder Verkäufer im Sinne des § 14 BGB und ein privater Käufer im Sinne des § 13 BGB darauf einigen, dass auch bei auftretenden Defekten am gekauften Kühlschrank der Privatkäufer weder Reparatur noch Neulieferung oder Rücktritt verlangen können soll, so verbietet das Gesetz in § 475 Abs. 1 BGB, dass der Verkäufer sich darauf berufen können soll, bevor der Käufer den Mangel anzeigt und sich damit im Klaren darüber wird, was er an Rechten hingegeben hat. Hier wird also die Privatautonomie zum Schutz des Verbrauchers ausnahmsweise eingeschränkt.

II. Prüfungsreihenfolge von Ansprüchen

Zudem gibt es verschiedene Situationen, in denen vorab keine rechtsgeschäftliche Regelung möglich oder dieselbe der Situation nicht angemessen ist. Dann greifen ergänzend gesetzliche Schuldverhältnisse. Diese werden in der Lehre in quasivertragliche und sonstige gesetzliche Schuldverhältnisse aufgeteilt.

Darüber hinaus gibt es noch Vorschriften, die Rechtsbeziehungen zu Sachen regeln. Wie die einzelnen Vorschriften exakt zueinander stehen und wann welche Vorschrift angewendet werden kann, werden sie im Studium Stück für Stück erlernen. Nehmen sie vorab für die Bewertung von Sachverhalten, in denen privatrechtliche Ansprüche eines Rechtssubjekts gegen ein anderes zu erörtern sind, folgende Prüfreihenfolge mit: Vertragliche*10 Ansprüche – quasivertragliche*11 Ansprüche – dingliche*12 Ansprüche – deliktische*13 Ansprüche – bereicherungsrechtliche*14 Ansprüche.

Lernen Sie diese Reihenfolge auswendig und halten Sie dieselbe in einer rechtlichen Würdigung eines zivilrechtlichen Sachverhalts sklavisch ein. Diese Reihenfolge ist ein echtes Erfolgsrezept!

III. Aufbau des Gesetzes verinnerlichen

Als drittes hilft es für das Verständnis und insbesondere für das Auffinden der richtigen Vorschrift im Einzelfall besonders, wenn Sie sich den Aufbau des Gesetzes einmal durchsehen. Lesen Sie daher den nun folgenden Abschnitt mit offenem BGB neben sich. Verwenden Sie am besten zunächst das Inhaltsverzeichnis.

Der Kern des Zivilrechts findet sich im BGB. Dieses ist in fünf Bücher aufgeteilt: a) Allgemeiner Teil §§ 1 – 240; b) Schuldrecht §§ 241 – 853; c) Sachenrecht §§ 854 – 1296; d) Familienrecht §§ 1297 – 1921; e) Erbrecht §§ 1922 – 2385. Wenn Sie sich darüber im Klaren sind, welcher Teil für welche Aspekte Regelungen enthält und wie die Bücher in sich sortiert sind, so wird Ihnen die rechtliche Analyse in Klausur und Praxis bedeutend leichter fallen. Der Allgemeine Teil enthält Grundregeln, die im gesamten bürgerlichen Recht gelten.

Es wird auch von der „Klammermethode“ gesprochen.*15 Allgemeine Regeln werden wie in der Mathematik vor die Klammer gezogen und sollen generell Anwendung finden, solange im jeweils anwendbaren speziellen Bereich nichts geregelt ist.*16 Wenn also im Allgemeinen Teil in den §§ 125 ff. BGB normiert ist, dass es bestimmte Formen für Rechtsgeschäfte geben kann, jedoch keine Grundvorgaben für alle Verträge gemacht werden, so bedeutet dies, dass jeder Vertrag formfrei geschlossen werden kann, wenn nicht in den speziellen Regeln zu besagtem Vertrag ein anderes normiert ist, vgl. etwa § 492 BGB (Verbraucherdarlehensvertrag) oder 311 b Abs. 1 S. 1 BGB (Grundstückskaufvertrag) etc..

Allgemeiner Teil

Im Allgemeinen Teil finden sich im Übrigen wie auf einer Zeitleiste die Anfänge des privaten Rechtssubjekts. Wann ist der Mensch vor der Privatrechtsordnung geboren? – § 1 BGB.*17 Wann ist er volljährig? – § 2 BGB. Wie schließt er erstmalig Rechtsgeschäfte und was benötigt er hierfür? – §§ 104 – 181 BGB.

Schuldrecht

Das Schuldrecht setzt diese Chronologie gewissermaßen fort und erörtert im Allgemeinen Teil (§§ 241 – 432 BGB – wieder die Klammermethode, hier aber nur in Bezug auf das Besondere Schuldrecht in den §§ 433 – 853 BGB) die grundsätzlich bei den meisten Schuldverhältnissen möglichen Inhalte (Ort, Zeit, Art und Weise der Schuld) und Folgen von Störungen (Schadensersatz, Rücktritt, Kündigung, Widerruf).

Besonderes Schuldrecht
Im Besonderen Schuldrecht kommen Regeln für die einzelnen Verträge und Regeln für bestimmtes faktisches Tun oder Unterlassen hinzu, insbesondere das Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag §§ 677 ff. BGB, das Recht der unerlaubten Handlungen in den §§ 823 ff. BGB und das Recht der ungerechtfertigten Bereicherung in den §§ 812 ff. BGB. Der Mensch muss in der Chronologie seines Lebens hier also für seine Verträge und sein sonstiges Verhalten unter bestimmten Voraussetzungen einstehen.

Sachenrecht

Das Sachenrecht erklärt die Stellung der Person zu beweglichen und unbeweglichen Sachen.*18 Hier finden sich insbesondere Regeln zu den Möglichkeiten, eingegangene Schulden aus Verschaffungsverträgen wie dem Kaufvertrag zu erfüllen. Zugleich zeigt sich eines der wichtigsten Prinzipien des BGB. Es wird unterschieden zwischen Verpflichtungsgeschäft, also dem rechtsgeschäftlichen Versprechen einem anderen Rechtssubjekt etwas zu schulden, und dem Verfügungsgeschäft, also der rechtsgeschäftlichen Umsetzung des Schuldversprechens. Diese Rechtsgeschäfte müssen bei der rechtlichen Beurteilung streng getrennt voneinander gesehen werden (Trennungsprinzip) und sind in ihrer Wirksamkeit grundsätzlich vom jeweils anderen unabhängig (Abstraktionsprinzip).

Beispiel: Wenn Herr Schmitz sich mit Herrn Albert darauf einigt, dass das Auto von Herrn Albert zu 10.000 € an Herrn Schmitz verkauft werden soll, so haben die beiden einen Kaufvertrag nach § 433 BGB geschlossen. Zwischen ihnen bestehen bislang ausschließlich schuldrechtliche Verpflichtungen. Schmitz schuldet die Verschaffung des Entgelts in Höhe von 10.000 € an Albert sowie Abnahme dess Kaufgegenstands und Albert schuldet Eigentums- und Besitzverschaffung des betreffenden KfZ in sach- und rechtsmangelfreiem Zustand an Schmitz.

Die Erfüllung, das heißt die entsprechenden Verfügungen geschehen jedoch nach den Übertragungsregeln des Sachenrechts. Den Besitz kann Albert durch faktische Hingabe an Schmitz erreichen, § 854 BGB. Das Eigentum kann er nach § 929 S. 1 BGB dadurch übertragen, dass er die Eigentumsübertragung an Schmitz erklärt, Schmitz dies annimmt, das Fahrzeug übergeben wird und Albert auch tatsächlich der Berechtigte, das heißt typischerweise der Eigentümer des KfZ ist.*19

Für die Übertragung von Geldscheinen und Münzen gilt jeweils dasselbe Muster. Eine Banküberweisung würde demgegenüber eine Forderungsabtretung bedeuten und somit in der Verfügung nach den §§ 398 ff. BGB abgewickelt.*20 Sie müssen hierbei verstehen, dass im Falle des Scheiterns des Kaufvertrags zwischen Albert und Schmitz eine in der Zwischenzeit erfolgte Eigentumsübertragung rechtlich grundsätzlich nicht berührt wird.*21

Familienrecht

Das sodann angeschlossene Familienrecht folgt der Chronologie des menschlichen Lebens, wenn es zunächst das Verlöbnis, dann die Ehe, dann die Scheidung sowie die Scheidungsfolgen und schließlich das Verwandtschaftsrecht, unterteilt in das Kindschaftsrecht, das Adoptivrecht und das Vormundschaftsrecht und zu guter letzt das Betreuungsrecht und Pflegschaftsrecht regelt. Kenntnisse in diesen Bereichen eignen sie sich geschickterweise erst an, wenn sie in den ersten drei Büchern des BGB solide Grundlagen gelegt haben.

Sie werden feststellen, dass es insbesondere im Bereich des Allgemeinen Teils und des Schuldrechts interessante Querverbindungen zum Familienrecht gibt, die examensrelevant sein können. Wichtige Beispiele sind: Die Schlüsselgewalt nach § 1357 BGB, Anpassung des rechtlichen Sorgfaltsmaßstabs an die Eigenüblichkeiten der Partner § 1359 BGB, Unterhaltsverpflichtung und Sachaufspaltung §§ 1360 – 1361 a BGB, die Eigentumsvermutung zu Lasten von Ehegatten § 1362 BGB (vgl. a. § 8 LPartG für die Homosexuellenehe)*22, Verfügungen eines Ehegatten über sein gesamtes oder nahezu gesamtes Vermögen § 1365 BGB, Verfügungen über ehelichen Hausrat § 1369 BGB sowie das Grundverhältnis von Eltern zu ihren Kindern §§ 1626, 1629, 1643 i.V.m. 1821, 1822 und 1664 BGB.*23

Erbrecht

Zum Schluss in der Chronologie kommt der Tod des Menschen, der per definitionem mit dem irreversiblen Aussetzen der Hirnfunktion eintritt,*24 und die rechtlichen Konsequenzen seines Ablebens. Die §§ 1922 ff. BGB regeln daher insbesondere den Umgang mit dem Erbe.

Hierfür hält das Gesetz eine bestimmte Erbfolge in den §§ 1924 ff. BGB bereit, die vom Erblasser durch eine Verfügung zu Lebzeiten, bekannt als Testament, abgeändert werden kann. Enterbt der Testierende dabei Personen, die zur Erbfolge von Gesetzes wegen berufen gewesen wären, so steht diesen allerdings ein Pflichtteilsanspruch nach den §§ 2303 ff. BGB zu.

Das Erbrecht ist in der zivilrechtlichen Ausbildung ebenso wie das Familienrecht als Sondermaterie einzuordnen, die examensrelevant sein kann, jedoch erst bearbeitet werden sollte, wenn in den ersten drei Büchern des BGB solide Grundlagen geschaffen wurden. Nehmen Sie die hier gezeigten Verständnisansätze, um beim Analysieren zivilrechtlicher Problemstellungen im richtigen Bereich die Suche zu starten. Dies spart Zeit und Nerven.

C. Belastbare Grundlagenkenntnisse

I. Insbesondere BGB AT

In den Anfängen ist es geboten, sich zunächst mit den Grundlagen des bürgerlichen Rechts, das heißt insbesondere mit dem Allgemeinen Teil des BGB auseinanderzusetzen. Schauen Sie sich zunächst anhand der Überschriften an, mit welchen Materien sich der AT auseinandersetzt. Das wesentliche Augenmerk liegt mit den §§ 104 – 181 BGB auf der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre.

Rechtsgeschäftliches Handeln basiert wiederum auf der Willenserklärung eines Rechtssubjekts und unterscheidet sich vom faktischen Verhalten ohne Erklärungswert eben dadurch, dass hier immer ein Rechtsbindungswille bestehen muss, also der Wille, eine Rechtsfolge herbeizuführen. Dies kann das Angebot oder die Annahme eines Vertrages, der Rücktritt von einem Vertrag, die Aufrechnung zweier gleichartiger, gegenseitiger und fälliger Forderungen oder die Errichtung eines Testaments sein. Faktisches Handeln wie etwa das schlichte Verletzen oder Beleidigen einer anderen Person hat keinen rechtsgeschäftlichen Erklärungswert.

Das Gesetz bindet nur in den gesetzlichen Schuldverhältnissen Konsequenzen an solches Verhalten. Daher wird im Folgenden die Rechtsgeschäftslehre näher beleuchtet. Bitte beachten Sie, dass eine bindende Willenserklärung regelmäßig nicht im öffentlichen Feilbieten von Sachen oder Leistungen liegt. In diesen Fällen spricht der Jurist von einer invitatio ad offerendum.*25 Das bedeutet, dass grundsätzlich jeder eingeladen werden soll, seinerseits ein vertragliches Angebot auf die dargestellte Leistung zu machen, welches vom Erstanbieter angenommen werden kann.

Beispiel: Wenn Sie in ein Computergeschäft gehen, da Sie sich dort für ein Notebook aus der Schaufensterauslage interessieren, so stellt sich die Frage, ob das Notebook, welches mit einem Preisschild versehen ist, auf dem 500 € steht, Ihnen bereits verbindlich durch die Schaufensterauslage angeboten wurde. Die allgemeine Meinung verneint dies mit verschiedenen Argumenten, insbesondere aber mit dem Hinweis, dass es andernfalls mehrere Personen geben könnte, die alle die Annahme gegenüber dem Ladeninhaber (L) erklären und dieser, sobald er keine entsprechenden Notebooks mehr hat, mangels Leistungsfähigkeit in die Gefahr eines Haftungsanspruchs gegenüber den übrigen Interessenten geraten könnte.

Wenn Sie also das Notebook nehmen und es auf die Kasse legen, der Inhaber es abrechnet, das Geld kassiert und Ihnen das Notebook übergibt, so ist juristisch ein Kaufvertragsschluss wie folgt zu überprüfen: Fraglich ist, ob L und Sie einen Kaufvertrag i.S.d. § 433 BGB geschlossen haben. Ein solcher Vertrag käme durch Angebot und Annahme nach den §§ 145 ff. BGB (lesen!) zustande. Ein Angebot ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die die Hauptpflichten des avisierten Vertrages bestimmt und durch ein schlichtes „Ja“ des Geschäftspartners angenommen werden könnte (lernen!). Fraglich ist vorliegend, ob L bereits durch die Auslage des Notebooks im Schaufenster ein Angebot gemacht hat.

Dem steht nicht zwingend entgegen, dass sich ein solches Angebot auch an einen noch nicht genau bestimmten Personenkreis richten würde (Offerte ad incertam personam).*26 Jedenfalls fehlt dieser Ausstellung jedoch der Rechtsbindungswille, da sich L mit einer Schaufensterauslage erkennbar nicht gegenüber jedem binden will, der diese Auslage wahrnimmt, sondern hiermit auch zur Vermeidung von untragbaren Haftungsrisiken nur zu einem Angebot durch einen Interessenten einladen will.

Sodann ist das Angebot in dem konkludenten (schlüssigen) Verhalten Ihrerseits durch Legen auf die Kasse zu sehen. Die Annahme, definiert als empfangsbedürftige Willenserklärung, die eine vollständige Akzeptanz des Angebots darstellt (lernen!), liegt sodann in der konkludenten Erklärung des L durch Abrechnen und Übergeben der Ware, die zugleich das dingliche Verfügungsgeschäft begründet.*27

II. Rechtsfähigkeit

Um rechtgeschäftlich zu handeln, muss der Handelnde ein Rechtssubjekt sein. Hierunter fallen alle Menschen (natürliche Personen i.S.d. § 1 BGB), juristische Personen, deren Grundform der eingetragene Verein im Sinne der §§ 21 ff. BGB ist (i.Ü. sind hier vor allem die Gesellschaft mit beschränkter Haftung und die Aktiengesellschaft zu nennen), die Gemeinschaften zur gesamten Hand (hierunter fallen insbesondere die Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach den §§ 705 ff. BGB, die offene Handelsgesellschaft nach den §§ 105 ff. HGB und die Kommanditgesellschaft nach den §§ 161 ff. HGB sowie die Partnerschaftsgesellschaft nach dem PartGG)*28.

Der Gegenbegriff zum Rechtssubjekt ist das Rechtsobjekt, welches nur Gegenstand von Rechten und Pflichten sein kann. Dabei handelt es sich um Sachen, Rechte und Tiere. Da Tiere zudem in § 90 a S. 3 BGB faktisch den Sachen gleichgestellt werden, muss bei der Analyse juristischer Problemstellungen im Zivilrecht zumeist hinsichtlich Rechtsobjekten nur zwischen Sachen und Rechten unterschieden werden.*29

Daraus folgt: Wenn ein von Ihnen beratener Großvater dereinst gedenkt, seine weltlichen Reichtümer lieber seinem Haustier zu vermachen, als diese seinen Erben zu überlassen, so sollte er ein Rechtssubjekt mit der Pflege des Tieres beauftragen und dieses Rechtssubjekt, etwa eine Stiftung oder eine Einzelperson seines Vertrauens testamentarisch an seine Wünsche binden. Das Tier selbst ist mangels Rechtssubjektsqualität nicht in der Lage, Erbe zu sein respektive im Wege rechtsgeschäftlichen Handelns über das Erbe zu verfügen.

III. Zustandekommen von Verträgen

Der typische Fall des Rechtsgeschäfts ist der Vertrag. Dieser kommt durch zwei Willenserklärungen zustande, Angebot und Annahme. Diese Willenserklärungen müssen inhaltlich einander vollständig entsprechen. Weicht eine Annahme vom Angebot ab, so handelt es sich nach § 150 Abs. 2 BGB um eine Ablehnung verbunden mit einem neuen Angebot.

Die Parteien sollen durch einen Vertrag logischerweise nur dann rechtlich mit allen Konsequenzen gebunden sein, wenn auch das gilt, was sie erklärt haben. Können sich also Verkäufer und Käufer beim besten Willen nicht auf einen Kaufpreis einigen und beharren beide auf ihrem Standpunkt, so kommt der Kaufvertrag i.S.d. § 433 BGB nicht zu Stande. Zugleich kann sich aber kein Privatrechtssubjekt auf widersprüchliches Verhalten berufen (protestatio facto contraria).

Wenn Sie also in einen Zug einsteigen und dem Schaffner am Eingang erklären, dass Sie zwar mitfahren, aber nicht zahlen möchten, so kommt gleichwohl ein Beförderungsvertrag mit der Deutschen Bahn zustande, aus dem sich Ihre Zahlungsverpflichtung ergibt.*30 Ihr widersprüchliches Verhalten ist nach dem Grundsatz von Treu und Glauben, der sich in § 242 BGB findet, kein Privatrechtssubjekt auf widersprüchliches Verhalten berufen (protestatio facto contraria).

Wenn Sie also in einen Zug einsteigen und dem Schaffner am Eingang erklären, dass Sie zwar mitfahren, aber nicht zahlen möchten, so kommt gleichwohl ein Beförderungsvertrag mit der Deutschen Bahn zustande, aus dem sich Ihre Zahlungsverpflichtung ergibt.*30 Ihr widersprüchliches Verhalten ist nach dem Grundsatz von Treu und Glauben, der sich in § 242 BGB findet, darüber hinaus aber in der gesamten Rechtsordnung als anerkanntes Prinzip gilt, unbeachtlich.*31

IV. Geschäftsfähigkeit

Um eine Willenserklärung abgeben zu können und in der Folge einen Vertrag wirksam zu schließen, ist zudem zu beachten, dass der Erklärende geschäftsfähig sein muss. Dies ist mit Vollendung des 18. Lebenjahres, also mit dem 18. Geburtstag der Fall, vgl. §§ 2, 104 BGB. Danach ist eine Person nur unter den Restriktionen des § 104 Nr. 2 BGB nicht in der Lage, wirksam Willenserklärungen abzugeben, solange es sich nicht um geringfügige Geschäfte des täglichen Lebens handelt, bei denen die Leistungen auch sogleich bewirkt werden, vgl. § 105 a BGB. Fehlende Geschäftsfähigkeit bedeutet, dass eine Willenserklärung nach § 105 BGB nichtig ist. Handelt eine Person, die das 7. Lebensjahr vollendet hat, aber noch nicht 18 jahre alt ist, so gelten die §§ 106 – 113 BGB, sog. beschränkte Geschäftsfähigkeit (lesen sie §§ 104 – 113 BGB!).

V. Nichtigkeitsgründe

Verstößt eine Person mit einer Willenserklärung gegen ein gesetzliches Verbot oder handelt sie sittenwidrig, so ist ihre Erklärung nach den §§ 134, 138 BGB nichtig. § 134 BGB erfasst all jene Fälle, in denen eine Rechtsnorm eben jenes Rechtsgeschäft untersagt, welches die Person erklärt. Zugleich darf sich in dieser Spezialvorschrift keine abschließende Regelung zur Rechtsfolge für bürgerlichrechtliche Rechtsgeschäfte finden, da andernfalls diese Rechtsfolge die generelle Regelung des § 134 BGB verdrängt.

Typische Anwendungsfälle von § 134 BGB sind Verstöße gegen Strafgesetze, also etwa ein Rechtsgeschäft, durch welches ein Betrug i.S.d. § 263 Abs. 1 StGB begangen wird. § 138 BGB ist demgegenüber erfüllt, wenn ein Rechtsgeschäft sittlich nicht tragbar ist, also gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denken verstößt. Wann dies der Fall ist, erklärt die Rechtsprechung überwiegend durch eine Fallgruppensystematik, die Sie Stück für Stück erlernen sollten.*32

VI. Stellvertretung

Ein Rechtssubjekt hat auch die Möglichkeit, eine ihn betreffende Willenserklärung durch Dritte abgeben zu lassen. In einer arbeitsteiligen Welt, die wirtschaftlich von geschickter Organisation abhängig ist, kann hierauf nicht verzichtet werden. Daher sind die Regeln zur Stellvertretung nach den §§ 164 – 181 BGB von ganz besonderer Bedeutung (lesen!). Es ist also möglich, dass Sie einen Vertrag mit unserem vorab bereits erwähnten Computerhändler L machen wollen, dass Sie aber keine Zeit haben, dies persönlich zu erledigen.

Sie schicken ihren Freund (F) und bevollmächtigen ihn, ein Notebook in einer Preiskategorie von 400 – 600 € zu erwerben, das für die Arbeit taugen möge. Wenn jetzt F zu L sagt, dass er für Sie das Notebook zu 500 € kaufen will, so kommt ein Vertrag nach den §§ 145 ff., 433 BGB zwischen Ihnen und L zustande, da F nach § 164 Abs. 1 BGB eine eigene Willenerklärung („ich will kaufen“), im fremden Namen („für meinen Freund XY“, also Sie) im Rahmen seiner Vertretungsmacht (die Vollmacht, die Sie ihm erteilt haben § 167 BGB), abgibt. Die Annahme des L kann F dann nach § 164 Abs. 3 BGB allein auf Basis der erteilten Vollmacht entgegennehmen, ohne sich weiter dazu zu verhalten. Die Details bleiben einer Veranstaltung zum Allgemeinen Teil vorbehalten.

VII. Anfechtung

Zum Schluss sollten Sie noch die §§ 119 – 124 und 142, 143 BGB zur Kenntnis nehmen (lesen!). Es handelt sich hierbei um das Recht zur Anfechtung einer Willenserklärung. Wenn Sie also etwa ein Angebot für einen Kaufvertrag abgegeben haben, jedoch wollten Sie etwas anderes erklären und haben sich nur versprochen, so können Sie ihre Erklärung rückwirkend gemäß §§ 142 Abs. 1, 119 Abs. 1 2. Alt. BGB vernichten. Rechtlich wird die Situation dann so behandelt, als und Käufer beim besten Willen nicht auf einen Kaufpreis einigen und beharren beide auf ihrem Standpunkt, so kommt der Kaufvertrag i.S.d. § 433 BGB nicht zu Stande.

Zugleich kann sich aber hätten Sie nie eine solche Erklärung abgegeben.*33 Da der Empfänger einer Willenserklärung aber auf deren Bestand grundsätzlich vertrauen können muss, ist eine solche Anfechtung nach § 121 BGB nur unverzüglich, das heißt, ohne schuldhaftes Zögern möglich. Im Übrigen gilt der Grundsatz pacta sunt servanda (geschlossene Verträge sind zu bewahren).

Andere Gründe, die zur Anfechtung berechtigen, sind der Irrtum über den Inhalt der eigenen Erklärung § 119 Abs. 1 1. Alt. BGB, der Irrtum über die verkehrswesentliche Eigenschaft einer Person oder einer Sache § 119 Abs. 2 BGB, die fehlerhafte Übermittlung einer Willenserklärung § 120 BGB (Botenfehler) und schließlich nach § 123 BGB die arglistige Täuschung oder widerrechtliche Bedrohung durch den Erklärungsempfänger oder ihm zurechenbare Dritte in seiner Kenntnis.*34

Die beiden Letzteren berechtigen allerdings nach § 124 BGB über längere Dauer zur Anfechtung, was unmittelbar einleuchtet, da in diesem Fall der Anfechtende besonders schutzwürdig ist. Der Fehler liegt, anders als in den ersten vier Fällen, nicht beim Erklärenden, sondern beim Anfechtungsgegner. Bitte beachten sie, dass eine Anfechtung immer erklärt werden muss und dass diese Erklärung dem Anfechtungsgegner auch zuzugehen hat, § 143 BGB.

Die Anfechtung ist ein sog. Gestaltungsrecht und erlaubt dem Anfechtenden, die Rechtlage der existierenden Willenserklärung einseitig umzugestalten, nämlich durch Vernichtung nach § 142 Abs. 1 BGB. Wenn das Gesetz dies in den genannten Fällen erlaubt, so muss der Betroffene davon freilich erfahren, da es ihm sonst unmöglich wäre, sich auf die geänderte Rechtslage einzustellen. Es sei noch angemerkt, dass im Fall der Irrtums- und Übermittlungsanfechtung nach den §§ 119 und 120 BGB der Anfechtungsgegner insoweit nach § 122 Abs. 1 BGB Schadensersatz vom Anfechtenden verlangen kann, als er im Vertrauen auf das erfolgte Rechtsgeschäft Schäden erlitten hat.

Er ist also rechtlich so zu stellen, wie er stünde, wenn er niemals von dem nunmehr angefochtenen Rechtsgeschäft erfahren hätte. D. Literaturempfehlungen Als Literatur zu Beginn des Privatrechtsstudiums stehen zahlreiche sehr unterschiedliche Werke bereit. Je nach Lernverhalten sind andere Werke empfehlenswert. Als zeitlos gut dürfte im Allgemeinen Teil Brox/Walker, Allgemeiner Teil des BGB zu werten sein, der mittlerweile in der 36. Auflage vorliegt. Skripten sind im bürgerlichen Recht nur teilweise empfehlenswert. Als Einstieg können diese aber mit ihrer zumeist plakativen Erscheinung und häufig eingängigen Fallgestaltungen hilfreich sein.

Ein zielführendes Werk ist auch Schack, BGB-Allgemeiner Teil. Sinnvoll ist in jedem Fall ein kleiner Studienkommentar wie Jauernig, BGB, der sowohl preislich erschwinglich wie auch unbestreitbar gut ist. Überfrachten Sie sich am Studienanfang nicht mit Literatur, sondern begreifen Sie diese als Ergänzung zu Vorlesungsinhalten. Gute Vorlesungen und Arbeitsgemeinschaften sind insbeosndere am Studienanfang deutlich effektiver als eigenständiges Erarbeiten ohne Erklärung. Kombinieren Sie! Schließlich ist am Studienanfang von Aufsatzlektüren abzuraten, sofern ihnen nicht ein Professor gezielt Aufsätze an die Hand gibt. Warten Sie mit dieser Art von Lektüre, bis Sie sich mit den Grundlagen des Rechts vertraut gemacht haben, da andernfalls mehr Verwirrung denn Klarheit droht.

Viel Erfolg im Studium!

Fußnoten

1 Vorherrschend ist derzeit die sog. modifizierte Subjektstheorie (auch Sonderrechtslehre genannt), nach welcher ein Rechtsstreit öffentlich rechtlicher Natur ist, wenn die streitentscheidende Norm dem Bereich des öffentlichen Rechts zuzuordnen ist. Andere Theorien sind die Subordinationstheorie und die Interessentheorie. Nach ersterer soll es darauf ankommen, ob zwischen den Streitbeteiligten ein Überunterordnungsverhältnis besteht, es sich also um die typische Situation des öffentlichen Rechts handelt, in der der Staat als übermächtiges Rechtssubjekt dem Privaten gegenübertritt. Letztere Theorie stellt darauf ab, ob der Streit im öffentlichen oder im privaten Interesse geführt wird. Kommt man im Einzelfall nach Überprüfung aller Ansätze zu keinem klaren Ergebnis, so wird regelmäßig mit Hilfe von Indizien und Verhaltensweisen der Beteiligten abgewogen, ob es sich um einen öffentlich- oder einen privatrechtlichen Streit handelt. Insbesondere die modifizierte Subjektstheorie müssen sie auswendig lernen und jederzeit vortragen können. Die Unterscheidung ist für viele Folgefragen von erheblicher Bedeutung.

2 Was letztlich als „gerecht“ zu bezeichnen ist, wird wohl kaum jemals eindeutig beantwortet werden. So obliegt es der durch Wahl legitimierten Legislative immer wieder auf ein Neues nach optimalen Lösungen für das gesamte Volk zu suchen, das heißt insb esondere Einzelfall- und Kollektivgerechtigkeit soweit als möglich zusammenzubringen.

3 Dementsprechend muss die Legislative auf Basis der Art. 1 Abs. 3 und 3 Abs. 1 GG bürgerlichrechtliche Vorschriften so gestalten, dass wesentliche Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich behandelt wird. 4 Vgl. die knappe und gute Übersicht bei Zöller/Vollkommer, ZPO, Einleitung Rn. 102 m.V.a. die wichtigsten Judiakte.

5 Im Kern geschützt durch Art. 2 Abs. 1 und 1 Abs. 1 GG, vgl. BVerfGE 70, 123; 72, 170.

6 Rechtssubjekt ist jeder, der Träger von Rechten und Pflichten sein kann (lernen!). Hierzu näher sogleich unter III.2.

7 Es existieren Einschränkungen in Form von sog. Kontrahierungszwängen. Vgl. die Übersicht bei Palandt/Ellenberger, BGB, Einf zu § 145 BGB Rn. 8 ff.

8 Ellenberger a.a.O., Rn. 13 ff.

9 Verbote finden sich überall in der Rechtsordnung verstreut. Dabei ergeben sich Verbote entweder direkt aus einer speziellen Vorschrift oder ein Gesetz verbietet ein bestimmtes Verhalten und es wird über § 134 BGB als Verbot rechtsgeschäftlicher Handlungen interpretiert.

10 Rechte direkt aus einem wirksam geschlossenen Vertrag, etwa einem Kaufvertrag nach den §§ 433 ff. BGB, einem Mietvertrag nach den §§ 535 ff. BGB oder einem Dienstvertrag nach den §§ 611 ff. BGB. Es existieren auch ungeschriebene Verträge. Das sind solche, die der Gesetzgeber nicht im Einzelnen ausgeformt hat und die entweder fast vollständig von privatautonomen Regelungen des Einzelfalls leben oder bei denen die Rechtsprechung verschiedene Regelungen aus naheliegenden geschriebenen Vertragsverhältnissen entlehnt. Diese werden dann als sonstige Verträge nach den §§ 311 Abs. 1, 241 BGB behandelt. Als Beispiele seien hier genannt der Fitnessstudiovertrag zum Zutritt und zur Nutzung von Geräten, der eine Mischung aus vielen Vertragsarten ist, vorrangig Mietrecht und Dienstvertragsrecht. Ein anderes Beispiel ist das Factoring, welches es in verschiedenen Arten gibt und bei welchem Vertragsgegenstand das Abkaufen fremder Forderungen zu einem niedrigeren Preis als ihrem Nennbetrag ist, um diese bei dem Schuldner einzutreiben.

11 Diesbezüglich werden Sie im Wesentlichen kennenlernen: a) § 122 BGB; b) § 179 BGB; c) §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 oder 3, 241 Abs. 2 BGB (culpa in contrahendo genannt); d) Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritten i.V.m. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB; e) §§ 677 – 687 BGB (Geschäftsführung ohne Auftrag). Die genannten müssen sie in den ersten vier Semestern des Studiums gesichert in ihr Wissen aufnehmen.

12 Hierunter sind insbesondere die Ansprüche aus dem sog. Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (EBV) zu verstehen. Es handelt sich um die Situation, dass derjenige, der die tatsächliche Gewalt über eine Sache hat, nicht auch zugleich der Eigentümer ist. Das EBV gibt dem Eigentümer dann bei Beschädigungen die Möglichkeit, Ersatz von Schäden zu verlangen und zudem einen Obulus dafür zu bekommen, dass der Besitzer die Sache nutzen konnte. Dem Besitzer stehen demgegenüber Ersatzrechte zu, sofern er auf die Sache etwas aufgewandt hat, dass zur Erhaltung nötig war oder dass den Wert der Sache steigerte. Außerhalb des EBV gibt es im dinglichen Bereich Ansprüche auf Herausgabe einer Sache, wobei der Grund variiert (§§ 861, 1007 Abs. 1, 2 BGB, wenn der Anspruchssteller vormalig Besitzer war, und § 985 BGB, wenn der Anspruchssteller Eigentümer ist). Und es existieren Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung von Störungen von Besitz und Eigentum (§ 862 BGB zur Verteidigung des eigenen Besitzes und § 1004 BGB zur Verteidigung der ungestörten Eigentumsausübung).

13 Hier geht es um das Recht der unerlaubten Handlungen, §§ 823 – 853 BGB, ergänzt durch zahlreiche Sondergesetze wie das Produkthaftungsgesetz, die §§ 84 ff. Arzneimittelgesetz, das Haftpflichtgesetz etc. Das Gesetz gewährt dem Geschädigten in bestimmten Fällen Schadensersatz, so etwa bei Verletzung von Körper, Gesundheit und Eigentum, sofern diese Verletzungen sich als unerlaubt darstellen und einen der geschriebenen Haftungstatbestände erfüllen. Sofern jedoch kein Haftungstatbestand erfüllt ist, gilt im bürgerlichen Recht der Grundsatz, dass der Schaden bei dem verbleibt, der geschädigt ist (casum sentit dominus).

14 Das Gesetz verfolgt in den §§ 812 – 822 BGB den Gedanken, dass Vermögensgüter manchmal von einer an eine andere Person übertragen werden, obwohl es dafür keinen Grund gibt, der Grund nicht anerkennenswert ist oder später wieder wegfällt. In diesen Fällen soll demjenigen, auf dessen Kosten dies geschah, in bestimmten Grenzen die Möglichkeit gewährt werden, den Überschuss bei der Zielperson abzuschöpfen und zurückzuholen. Gibt also Herr Mayer seinem Nachbarn Herrn Fritz einen 100 € – Schein, da er versehentlich davon ausgeht, dass er Herrn Fritz dieses Geld noch aus einem Vertrag schulde, der jedoch tatsächlich bereits eine Woche zuvor vollständig bedient wurde, so kann Herr Mayer wegen dieser rechtsgrundlosen Verfügung das Eigentum und den Besitz des übertragenen 100 € – Scheins nach § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB zurückfordern. Sie werden hierzu noch eine ganze Reihe von Varianten erlernen. Bitte beachten sie, dass es in diesem Normgefüge nur um Abschöpfung von Vermögensgütern geht, die an anderer Stelle überschüssig vorhanden sind, nicht dagegen um Ausgleich von Schäden der Personen, bei denen die Vermögensgüter abgeflossen sind.

15 So etwa PWW/Prütting, BGB, Einleitung Rn. 17. Lesen sie sich ergänzend die gesamte Einleitung im PWW durch und verinnerlichen sie dabei insbesondere die Ausführungen zur Normauslegung (wichtig!).

16 Das speziellere Gesetz bricht immer das Allgemeinere (lex specialis derogat legi generali).

17 Die Vollendung der Geburt ist der vollständige Austritt aus dem Mutterleib, sei es auf natürlichem oder künstlichem Weg. Das Durchtrennen der Nabelschnur ist nciht erforderlich, vgl. PWW/Prütting, BGB, § 1 Rn. 10.

18 Als unbeweglich werden nur Grundstücke und mit diesen fest als wesentliche Bestandteile verbundene Gegenstände i.S.d. §§ 93, 94 BGB verstanden. Alle anderen körperlichen Gegenstände, die räumlich abgrenzbar, beherrschbar und unpersönlich sind, gelten als bewegliche Sachen.

19 Der KfZ-Brief, der das Eigentum ausweist, ist bei der Übertragung des KfZ irrelevant. Nach § 952 BGB analog geht das Eigentum am Brief durch Eigentumsübertragung des zugehörigen KfZ ipso iure auf den Erwerber über, vgl. BGH NJW 1978, 1854; 2007, 2844. Somit ist allein die Übertragung des KfZ nach § 929 S. 1 BGB bestimmend.

20 Die bankrechtlichen Details sind komplexer, jedoch sei hierfür auf eine Vorlesung zum Bankrecht verwiesen. 21 Ausnahmen gibt es im Fall der Anfechtung des Kaufvertrages bei sog. Fehleridentität im dinglichen Geschäft. Das sind primär die Fälle des § 123 BGB, also der Vertragsschluss, der durch arglistige Täuschung oder widerrechtliche Drohung herbeigeführt wurde. Eine weitere Ausnahme wird bereits seit reichsgerichtlichen Zeiten auch für den Fall des § 119 Abs. 2 BGB diskutiert, sofern Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft zeitgleich erfolgen. Hier dürften nach wie vor beide Lösungen vertretbar sein. § 139 BGB ist grundsätzlich nicht geeignet, das Abstraktionsprinzip zu durchbrechen. Ausnahmen werden diskutiert, vgl. BGHZ 31, 321 = WM 1960, 231 sowie BGH NJW 1967, 1128.

22 Diese Unterscheidung und die Verwehrung der bürgerlichen Ehe für Homosexuelle ist eine nach wie vor bestehende Diskriminierung. Es gibt jedoch deutliche Tendenzen, diesem Missstand in absehbarer Zeit ein Ende zu bereiten. Vgl. zu Details in dieser Sache Berger/Neascu/Prütting/ Sadat Shirazi, Die Ehe für jedes Paar – Eine interdisziplinäre Erörterung bezüglich der rechtlichen Diskriminierung Homosexueller in Deutschland, Iurratio 2011, 166-171 und 210-213.

23 Im Pflichtfachstoff zum ersten Staatsexamen sind die hier vorgeführten Normen diejenigen, die sie als absolutes Minimum aus dem Familienrecht beherrschen müssen. Markieren sie diese überdeutlich in ihren Unterlagen und lernen sie Sinn und Anwendung spätestens im vierten Semester.

24 PWW/Prütting, BGB, § 1 Rn. 11.

25 Palandt/Ellenberger, BGB, § 145 Rn. 2.

26 Vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, § 145 Rn. 7.

27 Das Verfügungsgeschäft über Ware und Geld funktioniert nach § 929 S. 1 BGB und bedarf ebenfalls eines Vertrages, nämlich eines dinglichen Vertrages, der genauso wie dargestellt über die §§ 145 ff. durch Angebot und Annahme entsteht und die aufgezeigten Definitionen verwendet.

28 Das Gesellschaftsrecht wird in dieser Grundeinführung nicht näher erörtert. Ebenso werden an dieser Stelle die Sonderfälle der Bruchteilsgemeinschaften, der Erbengemeinschaft und der Wohnungseigentümergemeinschaft außen vor gelassen.

29 Ausnahmen können sich bei Sondervorschriften ergeben, vgl. etwa die Diskussion zur Anwendbarkeit § 476 BGB, vgl. BGHZ 167, 40 sowie BGH NJW 2007, 2619.

30 Im Übrigen erklären sie auch ohne Anwesenheit eines Schaffners durch Inanspruchnahme der Bahnleistung rechtlich verbindlich, dass sie einen Vertrag mit der Deutschen Bahn wünschen. Dass dies den Vertretern der Deutschen Bahn nicht zugeht, ist für den Vertragsschluss aufgrund des § 151 S. 1 BGB irrelevant.

31 Vgl. BGHZ 85, 48 und BAG NJW 2005, 775.

32 Nehmen sie zu Studienzwecken einen kleinen Kommentar, wie den Jauernig und lesen sie die verschiedenen Ansätze in § 138 BGB, um sich ein Gefühl für diese Systematik anzueignen. Im späteren Studium werden sie sodann die wichtigsten Fälle immer wieder behandeln.

33 Man nennt diese Konsequenz eine gesetzliche Fiktion. Es ist nicht möglich, eine Fiktion zu widerlegen. Das ist der entscheidende Unterschied gegenüber widerleglichen gesetzlichen Vermutungen.

34 Lesen sie auch hier in einem kleinen Studienkommentar die Ausführungen zu den §§ 119, 120 und 123 BGB. Versuchen sie genau herauszuarbeiten, wann welche Variante einschlägig ist und gleichsam, in welchen Fällen das Gesetz eine Anfechtung nicht zulässt.

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