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Zur Zulässigkeit eines Organstreitverfahrens bei fehlendem Rechtsschutzbedürfnis

Das BVerfG entschied, ob das Rechtschutzbedürfnis fehlt, wenn ein Abgeordneter eine parlamentarische Frage für unrichtig beantwortet hält und er die Bundesregierung nicht vor Einleitung des Organstreitverfahrens mit der Unrichtigkeit der Antwort konfrontiert (Urteil vom 10.10.2017 – 2 BvE 6/16).
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Zum Rechtsschutzbedürfnis beim Organsstreitverfahren

Das BVerfG hat entschieden, ob es am Rechtschutzbedürfnis fehlt, wenn ein Abgeordneter eine an die Bundesregierung gerichtete parlamentarische Frage für unrichtig beantwortet hält und er die Bundesregierung nicht vor Einleitung des Organstreitverfahrens mit der Unrichtigkeit der Antwort konfrontiert (Urteil vom 10.10.2017 – 2 BvE 6/16).

Sachverhalt:

Im Rahmen der Aufklärung der Vorfälle in der Silvesternacht 2015/2016 im Bereich des Kölner Domes und des Hauptbahnhofes richtete die Antragstellerin im März 2016 die schriftliche Frage an die Bundesregierung, ob beim Bundesministerium des Innern in den ersten Tagen des Jahres 2016 aus Nordrhein-Westfalen eine Meldung über elf auf einem Bahnhofsvorplatz begangene sexuelle Übergriffe zum Nachteil junger Frauen eingegangen sei.

Die Bundesregierung verneinte dies, wies in der Antwort allerdings darauf hin, dass die fehlenden Angaben in der Frage zum Zeitpunkt und zum Ereignisort die Recherchen erschwert hätten. Im Oktober 2016 befragte der Untersuchungsausschuss „Silvesternacht 2015“ des Landtages Nordrhein-Westfalen den Bundesminister des Innern unter anderem zur Rolle der Bundespolizei in der Kölner Silvesternacht 2015/2016 und zu den Meldungen aus dem Land Nordrhein-Westfalen.

Dabei ging der Bundesinnenminister auf die vom Land Nordrhein-Westfalen am 01.01.2016 auch an das Bundesinnenministerium versandten Meldungen über die Ereignisse ein. Vor diesem Hintergrund war die Antragstellerin der Auffassung, dass ihre schriftliche Frage unzureichend beantwortet worden sei. Sie begehrte im Organstreitverfahren die Feststellung, dass die Bundesregierung sie dadurch in ihren Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt habe.

Entscheidung:

Das BVerfG hat den Antrag der Abgeordneten des Deutschen Bundestages verworfen. Nach Auffassung des BVerfG ist im Organstreitverfahren das Rechtsschutzbedürfnis gegeben, wenn über die Rechtsverletzung zwischen den Beteiligten Streit besteht. Allerdings müsse der Konflikt, dessen Bereinigung der Antragsteller im kontradiktorischen Verfahren vor dem BVerfG begehrt, zuvor für den Antragsgegner erkennbar geworden sein.

Bei (vermeintlich oder tatsächlich) unrichtig beantworteten parlamentarischen Fragen treffe den Antragsteller daher eine Konfrontationsobliegenheit. Er müsse der Bundesregierung durch den Hinweis auf die (mutmaßliche) Unrichtigkeit der Antwort die Möglichkeit geben, die Sach- und Rechtslage zu prüfen und ihre Antwort zu berichtigen oder zu ergänzen. Im vorliegenden Fall fehle der Antragstellerin das Rechtschutzbedürfnis. Sie lege nicht näher dar, worin sich die Kontroverse um die Richtigkeit der Antwort manifestiere.

Sie habe vor Einleitung des Organstreitverfahrens nicht von der naheliegenden Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Bundesregierung zu einer Klarstellung aufzufordern. Dabei könnte sich klären, ob diese an der Antwort auf ihre schriftliche Frage festhalte oder der Darstellung des Bundesministers zustimme. Eine Nachfrage hätte auch deshalb nahegelegen, weil die Bundesregierung ihre Antwort inhaltlich mit einem Vorbehalt versehen habe.

Jedenfalls wäre es der Antragstellerin ohne Weiteres möglich gewesen, das hinter ihrer Frage stehende Informationsinteresse erneut zum Gegenstand einer klarstellenden Nachfrage zu machen. Damit könnte sie klären, ob eine Kontroverse zwischen ihr und der Bundesregierung angesichts der späteren Äußerungen des Bundesministers des Innern im Untersuchungsausschuss überhaupt bestehe.

Merke:

1. Das Rechtsschutzbedürfnis im Organstreitverfahren ist gegeben, wenn und solange über die Rechtsverletzung zwischen den Beteiligten Streit besteht. Allerdings muss der Konflikt, dessen Bereinigung der Antragsteller im kontradiktorischen Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht begehrt, zuvor für den Antragsgegner erkennbar geworden sein.

2. Bei (vermeintlich oder tatsächlich) unrichtig beantworteten parlamentarischen Fragen trifft den Antragsteller daher eine Konfrontationsobliegenheit. Er muss der Bundesregierung durch den Hinweis auf die (mutmaßliche) Unrichtigkeit der Antwort die Möglichkeit geben, die Sach- und Rechtslage ihrerseits zu prüfen. Dann könnte sie ihre Antwort gegebenenfalls berichtigen oder ergänzen.

3. Die damit verbundene Verpflichtung, sich bereits im politischen Prozess mit der Verfassungsrechtslage zu befassen und beanspruchte Rechte einzufordern, stellt keine unzumutbare Belastung dar. Denn sie ist lediglich Konsequenz dessen, dass der Organstreit als kontradiktorisches Verfahren ausgestaltet ist. In diesem ist über streitig gewordene Rechte und Pflichten zwischen den Beteiligten zu befinden.

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