Skip to main content

Journal / Studium / Lernen / aktuelle Rechtsprechung

Widerrufsrecht beim Kauf einer Matratze?

Die Verpflichtung, ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB einzuräumen und darüber ordnungsgemäß zu belehren, besteht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen mit Verbrauchern. Es gibt jedoch auch Ausnahmen.
  • Artikel teilen

Zum Widerrufsrecht beim Kauf einer Matratze

Allgemeines zum Ausschluss des Widerrufsrechts nach § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB

Die Verpflichtung, ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB einzuräumen und darüber ordnungsgemäß zu belehren, besteht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen mit Verbrauchern. Es gibt jedoch auch Ausnahmen, bei denen sich der Verbraucher nicht auf das Widerrufsrecht berufen kann.

Im vorliegenden Fall geht es um die betroffene Norm des §312g Abs. 2 Nr. 3 BGB. Demnach besteht das Widerrufsrecht nicht bei Verträgen zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde.

Der Begriff der Entsiegelung bedarf näherer Auslegung. Entscheidend ist, dass eine solche Entsiegelung schon begrifflich voraussetzt, dass eine Verpackung, die der Verbraucher öffnet, auch als Versiegelung erkennbar ist. Diese Versiegelung soll dem Verbraucher deutlich machen, dass er die Ware behalten muss, wenn er diese spezielle Verpackung öffnet. Auch wenn ein ausdrückliches als solches bezeichnetes Siegel nicht erforderlich sein mag, genügt die übliche Verpackung solcher Ware mit Kunststofffolie, die auch andere Zwecke wie den Schutz vor Verschmutzung erfüllen kann, insoweit ohne jede Warnung nicht (OLG Hamm, Urt. v. 30.2.2010, 4 U 212/09, Tz. 35).

Aktuelles Urteil des LG Berlin zum Ausschluss des Widerrufsrechts nach § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB

Dem Urteil des LG Berlin lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Veranstalter von Kaffeefahrten verkaufte Matratzen und bot seinen Kunden einen besonderen Service an. Die Matratzen werden zu Hause angeliefert, ausgepackt und aufs Bett gelegt. Gleichzeitig schloss der Veranstalter in seiner Widerrufsbelehrung die Rückgabe von bereits geöffneten oder benutzten Waren aus.

Vorliegend hatte ein Verbraucher an einer Kaffeefahrt teilgenommen. Nachdem er auf dieser 2 Matratzen zum Preis von insgesamt etwa 2.600 Euro bestellt hatte, wollte er diese nach der Lieferung zurückgeben. Er berief sich dabei darauf, dass ihm ein Widerrufsrecht zustehe.

Dies sah der betroffene Verkäufer jedoch anders. Es berief sich auf den Ausschluss des Widerrufsrechts in seiner Belehrung. Der Käufer wendete sich daraufhin an die Verbraucherschutzzentrale in Brandenburg, welche die Widerrufsbelehrung für unzulässig hielt und vor dem LG Berlin klagte.

Entscheidungsgründe des LG Berlin:

Hierzu entschied das Landgericht Berlin, dass das Widerrufsrecht des Kunden in diesem Fall entgegen der Annahme des Verkäufers aufgrund der Belehrung nicht nach § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB ausgeschlossen sei. Eine Berufung auf diesen Ausschlussgrund setzt voraus, dass es sich bei der Matratze um eine versiegelte Ware handelt. Diese darf zudem aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sein.

Es gebe zwar Verträge über Waren, die laut Gesetz aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nach dem Entfernen der Versiegelung nicht mehr widerrufen werden können. Dazu können Kosmetika, Windeln und bestimmte medizinische Produkte gehören. Doch nach Ansicht der Richter zählten Matratzen nicht zu dieser Warengruppe, sondern hier sei es vielmehr üblich, sie vor dem Kauf auszuprobieren.

Außerdem habe keine Versiegelung in Sinne des § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB vorgelegen, weil eine bloße Verpackung keine Versiegelung darstelle. Denn eine solche müsse eindeutig als Versiegelung erkennbar sein.

Besondere Relevanz des Urteils auch für Onlinehändler

Die Entscheidung ist in der Praxis auch für Onlinehändler von Bedeutung. Denn der Ausschlussgrund für Gesundheits- und Hygieneprodukte gilt auch bei Fernabsatzverträgen. Typische Fälle sind etwa der Verkauf von Kosmetika, freiverkäuflichen Medikamenten sowie Windeln. Allerdings müssen Onlinehändler bei diesen Waren darauf achten, dass diese versiegelt worden sind. Wichtig ist darüber hinaus, dass Sie auf eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung achten. Es reicht gewöhnlich nicht der pauschale Hinweis, dass Hygieneartikel vom Widerrufsrecht gem. § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB ausgeschlossen sind.

Weitere Artikel

„11 Bilder von Badeenten?“

Neue Schadensersatzdimensionen im Urheberrecht – Ein kurioser Fall über Badeenten

Privater Grundstücksbesitzer darf Falschparker sofort abschleppen lassen

Nach einer Entscheidung des Amtsgerichts München ist ein privater Grundstücksbesitzer berechtigt, Falschparker sofort abschleppen zu lassen. Dabei muss er die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme nicht beachten, solange die Maßnahme erforderlich ist, um die Besitzstörung zu beenden.

„Fettes Schwein“-Facebook-Emoticons als grobe Beleidigung

Die Rede ist von Emoticons. Und so lange, wie diese schon zum Alltag unserer nonverbalen Kommunikation gehören, war es nur noch eine Frage der Zeit, bis sie Gegenstand einer gerichtlichen Verhandlung werden.