Die Zivilrechtsstation in Baden-Württemberg
Die Station beim Zivilgericht ist in Baden-Württemberg die erste Station, sodass alles noch sehr neu und unbekannt ist. Nach der allgemeinen Einführung in das Referendariat findet ein konkreter Einführungslehrgang zu der Station statt, wobei die Grundlagen des Zivilprozessrechts erarbeitet werden.
Zuteilung – kein Wunschkonzert
Die Zuteilung des Gerichts bzw. des zuständigen Richters erfolgt durch die Stammstelle. Dabei kann es durchaus vorkommen, dass das zugewiesene Gericht relativ weit von der Stammstelle entfernt liegt (was bei mir leider der Fall war). Die Fahrtkosten werden im Nachhinein auf Antrag zur Hälfte erstattet.
Das Amtsgericht Kenzingen
Das Amtsgericht Kenzingen ist ein sehr kleines Gericht, das mit zwei Richtern besetzt ist. Die Gerichtssäle werden nicht benutzt, sondern die Verhandlungen werden im Arbeitsraum des Richters/ der Richterin abgehalten, wobei weder Richter noch Anwalt Robe tragen. Zuschauer gibt es bei Verhandlungen, die dort geführt werden, eigentlich nie.
Sachverhalte am Amtsgericht
Die zu entscheidenden Sachverhalte sind meist kleinere Angelegenheiten der Bürger, sodass die Urteile nicht allzu ausführlich ausfallen müssen. Oftmals handelt es sich um unbezahlte Werklohnforderungen oder Probleme im Mietverhältnis.
Der für mich zuständige Richter hat meist die Form des frühen ersten Termins gewählt, sodass relativ viele Verhandlungen stattfanden, an denen ich teilnehmen konnte. Da die Anreise für mich jedoch etwas aufwendig war, musste ich nur ca. einmal pro Woche kommen, um seinen Verhandlungen beizuwohnen.
Leider hat der Richter mich hierbei nicht eingebunden, aber selbst durch das reine Zuschauen habe ich gelernt, wie ein Richter sich in verschiedenen Situationen verhält und welche prozessrechtlichen Hindernisse es geben kann. Interessant war auch das völlig verschieden Auftreten der Anwälte: Während einige sehr gewissenhaft waren, gab es leider doch sehr viele, die die Akte nicht einmal richtig kannten und im Hawaii-Hemd vor Gericht auftraten.
Übung macht den Meister
Zur Übung durfte ich mehrmals Urteile schreiben, die der Richter im Nachhinein mit mir besprochen und seine Einschätzung zu der Sache abgegeben hat. Dafür habe ich die entsprechende Akte mit nach Hause genommen und musste diese meist innerhalb von zwei bis drei Wochen bearbeiten, was durchaus machbar ist und daneben Zeit für die Examensvorbereitung lässt. Das Formulieren dieser Urteile war hauptsächlich wichtig, um den Aufbau und den Schreibstil in einem Urteil kennen zu lernen und zu verinnerlichen.
Materiell- rechtlich waren die Sachverhalte – wie gesagt – nicht sehr komplex, sodass es perfekt war, um in der ersten Station die neuen Herausforderungen kennen zu lernen. Daneben hatte ich ein paar Recherche- Arbeiten zu bestimmten Themen für den Richter zu erledigen.
Da der Richter selbst AG-Leiter für Vollstreckungsrecht war, führte er mit mir einige Übungen in diesem Bereich durch, was natürlich eine sehr gute Vorbereitung war, da das Vollstreckungsrecht sehr komplex und umfangreich ist.
Gerichtsvollziehung „live“
Der am Gericht angestellte Gerichtsvollzieher hat sich bereit erklärt, mich einen Vormittag mitzunehmen, was sehr interessant und empfehlenswert ist. Die Arbeit des Gerichtsvollziehers ist zwar in keiner Weise examensrelevant, aber es ist hilfreich, die gesamten Abläufe zu kennen, um die Tragweite der Entscheidungen des Richters begreifen zu können und die Strukturen zu verstehen.
Vorbereitung mit Lehrbüchern
Zur Vorbereitung und während der Station habe ich ein Lehrbuch im Zivilprozess durchgearbeitet und die AG besucht. Hier bietet der Beitrag „Das Relationsgutachten und die Urteilsklausur im Rahmen der zivilrechtlen Klausur im juristischen Vorbereitungsdienst“ von Richter am LG Dr. Schröder auch einen guten Einstieg. Da zu Beginn alles noch neu und unbekannt ist, ist es wichtig, sich einen Überblick zu verschaffen und nicht gleich mit den schwierigsten Themengebieten zu beginnen.
Das Lehrbuch „Der Zivilprozess“ von Knörringer empfiehlt sich hierfür. Zudem kann ich empfehlen, frühzeitig regelmäßiges Klausurtraining zu beginnen, um ein Gespür sowohl für die Aufgabenstellung als auch für die Zeiteinteilung zu bekommen.
Richterjob – Dein Traumjob?
Wer tatsächliches Interesse am Beruf des Richters hat, sollte dies dem Richter zu Beginn der Station vermitteln und versuchen, so weitgehend wie möglich eingebunden zu werden. Eine einfachere Möglichkeit, solche Einblicke und Erfahrungen zu sammeln, kommt vor dem Berufsstart in der Regel nicht mehr.
Viele der Richter haben selbst viel zu tun und sind nicht besonders motiviert, die Referendare zu betreuen. Lasst Euch hiervon aber nicht abschrecken und besteht darauf, an möglichst vielen (auch verschiedenen) Dingen mitwirken zu dürfen und stellt alle Fragen, die Ihr habt. Viele meiner Kollegen durften auch selbst Verhandlungen leiten, was sicherlich eine sehr gute Erfahrung ist, um zu testen, inwiefern der Beruf tatsächlich der Vorstellung entspricht.
Von Rechtsanwältin Carolin Dressel
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Einführung in die Zivilrechtliche Anwaltsklausur
Die Säumnis im erstinstanzlichen Zivilprozess
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