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Schmerzensgeld wegen mangelhafter Tätowierung?

Das AG München hatte zu entscheiden, ob eine Tätowiererin einer Kundin den Preis für das Stechen eines Tattoos erstatten, sowie Schmerzensgeld und für sämtliche Folgeschäden aus der mangelhaften Tätowierung zahlen muss (Urteil vom 13.04.2017 – 132 C 17218/16).
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Zur Frae, ob wegen mangelhafter Tätowierung Schmerzensgeld zu leisten ist

Das AG München hatte zu entscheiden, ob eine Tätowiererin einer Kundin den Preis für das Stechen eines Tattoos erstatten, sowie Schmerzensgeld und für sämtliche Folgeschäden aus der mangelhaften Tätowierung zahlen muss (Urteil vom 13.04.2017 – 132 C 17218/16).

Sachverhalt:

Die Klägerin ließ sich bei der beklagten Tätowiererin am 04.03.2016 auf den linken Unterarm folgende Schriftzüge tätowieren: „Je t´aime mon amour, Tu es ma vie, Nous Ensemble Pour Toujours, Liubov ♥ Alexej“. Sie zahlte hierfür 80 Euro in bar. Am 26.03.2016 erfolgte durch die Beklagte auf Wunsch der Klägerin ein korrigierendes Nachstechen, wofür die Klägerin weitere 20 Euro an die Beklagte bezahlte.

Die Klägerin ist der Meinung, das Tattoo sei handwerklich in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft. Der gesamte Schriftzug sei verwaschen und unleserlich, die Wörter seien nicht in einer einheitlichen Größe gestochen, Abstände der verschiedenen Wörter und Zeilen würden teilweise deutlich abweichen, einzelne Wörter seien schief, die Linienführung mangelhaft, verwaschen, nicht durchgehend und an einzelnen Stellen ausfransend.

Sie fühlte sich außerdem getäuscht von der Beklagten, die ihr wahrheitswidrig gesagt habe, dass sie über mehrjährige Tätowiererfahrung verfüge. Auf ihrer Internetplattform habe die Beklagte fremde Tätowierungen als Referenzen eingestellt. Die Klägerin erhob Klage zum AG München.

Sie forderte Schmerzensgeld und wollte gerichtlich festgestellt bekommen, dass ihr die zukünftigen Schäden aus der mangelhaften Tätowierung von der Beklagten ersetzt werden müssen. Sie beabsichtige, die Tätowierung mittelfristig entfernen zu lassen, wodurch weitere Kosten und Schmerzen entstünden.

Entscheidung:

Das AG München hat die Beklagte auf Zahlung von 1.000 Euro Schmerzensgeld sowie zur Rückzahlung von 100 Euro gemäß §§ 346 Abs. 1, 323, 326 Abs. 5, 634 Nr 3, 633, 631 BGB verurteilt und festgestellt, dass der Klägerin von der Beklagten sämtliche Folgeschäden aus der mangelhaften Tätowierung zu ersetzen sind.

Nach Auffassung des Amtsgerichts bezieht sich die Einwilligung zum Stechen einer Tätowierung nur darauf, dass die Behandlung mangelfrei ist und nach den Regeln der Kunst erbracht wird. Die Beklagte habe die Klägerin in ihrer körperlichen Unversehrtheit verletzt, indem sie das Tattoo mangelhaft erstellt habe.

Das Gutachten des hinzugezogenen Sachverständigen werde im Urteil wie folgt wiedergegeben: „(…) bei dem streitgegenständlichen Tattoo seien handwerkliche und gestalterische Mängel aber unübersehbar, wie etwa unterschiedliche Strichbreiten und verwackelte Linien, uneinheitliche Abstände zwischen den Buchstaben, teilweise zu eng, so dass ein Wort unleserlich würde; die Namen seien völlig unscharf, was wohl an einer mehrfachen Nachbesserung der Konturlinie liegen würde.“

Aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen mache ein professioneller Tätowierer – worunter die Beklagte nach ihren eigenen Angaben falle – derartige Fehler nicht; das Tattoo entspreche damit gerade nicht der Qualität, die die Klägerin habe erwarten dürfen. Die entsprechenden Mängel seien angesichts der deutlichen Angaben des Sachverständigen auch nicht durch die mangelhafte Pflege der Klägerin begründet, sondern allein durch die Beklagte.

Hinsichtlich des Vorwurfes der Täuschung könnten selbst dann, wenn die Behauptungen der Klägerin richtig seien, diese Umstände keine Ansprüche begründen, da die Klägerin in die Prozedur eingewilligt habe. Bei den Fragen der Berufserfahrung und etwaiger Referenzbilder handele es sich nur um das unbeachtliche Motiv für die Einwilligung.

Merke:

1. Der Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensersatz im Fall eines mangelhaften Tattoos kann sich aus den folgenden Anspruchsgrundlagen ergeben:

• § 280 Abs. 1 i.V.m. 241 Abs. 2 i.V.m. 631 BGB (Schadensersatz neben der Leistung beim Werkvertrag)
• § 823 Abs. 1 BGB (Verletzung des Rechtsgut „Körper“)
• § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 229 StGB (Tatbestand der fahrlässigen Körperverletzung als Schutzgesetz)

2. Die genannten Ansprüche bestehen, da das Stechen der Tätowierung tatbestandlich als Körperverletzung einzuordnen sei. Die Körperverletzung sei im vorliegenden Fall auch nicht durch eine Einwilligung der Kundin gerechtfertigt. Die Kundin sei nämlich lediglich mit einem technisch und gestalterisch mangelfreien Tattoo einverstanden, welches der zuvor gebilligten Skizze entspricht.

3. Der Anspruch auf Schmerzensgeld nach § 253 Abs. 2 BGB besteht deshalb, weil die Kundin das mangelhafte Tattoo nur mittels einer schmerzhaften Laserbehandlung korrigieren bzw. entfernen lassen kann.

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