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Rahmenbedingungen für das juristische Referendariat in Deutschland – aktuelle Entwicklungen (2024)

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Das Referendariat in Deutschland – aktuelle Entwicklungen

Sowohl die Vergütung als auch die Organisation und Struktur des juristischen Referendariats in Deutschland unterscheiden sich je nach Bundesland teilweise enorm. Angesichts technischer Entwicklungen, Sparmaßnahmen und demografischer Herausforderungen ließen sich in einzelnen Bundesländern unterschiedliche Veränderungen beobachten. Im Folgenden werden die wichtigsten Entwicklungen und Neuerungen dargestellt.

 

Einführung der E-Examen

 

Um die Chancengleichheit zu fördern, den Prüfungsablauf zu vereinfachen und den Anforderungen einer digitalen Berufswelt gerecht zu werden, hat die Einführung des E-Examens in fast allen Bundesländern hohe Priorität genossen. Dies stellt einen bedeutsamen Fortschritt in der Modernisierung des Referendariats dar.

 

Wo ist das E-Examen bereits möglich?

 

Sachsen-Anhalt war mit der Einführung 2019 der Vorreiter, gefolgt von Rheinland-Pfalz und Sachsen, wo das digitale zweite Staatsexamen seit 2021 möglich ist. In Thüringen können die schriftlichen Klausuren des zweiten Staatsexamens seit 2022 und in Berlin, Brandenburg und Saarland seit 2023 digital verfasst werden. Seit Januar 2024 ist dies auch in Nordrhein-Westfalen und seit April 2024 im GPA-Bereich (Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein) (https://www.schleswig-holstein.de/DE/landesregierung/ministerien-behoerden/II/Presse/PI/2024/Justiz/240409_examen; https://justiz.hamburg.de/resource/blob/636202/be00f94c62dc3045543c11954b42377c/einfuehrung-der-e-klausur-information-des-gpa-vom-5-oktober-2023-data.pdf) möglich. 

In Bayern können die Prüflinge ab November 2024 (https://www.justiz.bayern.de/landesjustizpruefungsamt/zweite-juristische-staatspruefung/e-examen/) und in Baden-Württemberg ab Dezember 2024 (https://www.justiz-bw.de/,Lde/Startseite/Pruefungsamt/E-Pruefung+in+der+Zweiten+juristischen+Staatspruefung) erstmals ein digitales Examen ablegen. Hessen plant die Umsetzung für Januar 2025 (https://justizpruefungsamt.hessen.de/juristenausbildung/zweite-staatspruefung). In Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen sind hingegen derzeit keine konkreten Pläne für die Umsetzung des E-Examens bekannt.

 

Wie ist das digitale Examen ausgestaltet? 

 

Die Examenskandidaten können aus Gründen der Chancengleichheit frei wählen, ob sie die digitale Möglichkeit in Anspruch nehmen oder vorzugsweise mit der Hand schreiben möchten (https://dserver.bundestag.de/btd/19/305/1930503.pdf S. 22).  Jedoch zeigt sich in allen Bundesländern, dass fast ausschließlich das E-Examen gewählt wird (unter anderem https://www.lto.de/karriere/jura-referendariat/stories/detail/e-examen-zweite-staatspruefung-nrw-beliebt). Den Sachverhalt erhalten die Kandidaten jedoch weiterhin in Papierform. Allen Referendaren steht zudem im Voraus eine Demo-Plattform des Landesjustizprüfungsamtes zur Verfügung, mithilfe derer sie das digitale Examen unter Prüfungsbedingungen testen können – denn im Textverarbeitungsprogramm des E-Examens stehen viele Funktionen von Word & Co, wie beispielsweise die automatische Rechtschreibprüfung, nicht zur Verfügung. (siehe die Informationsseiten der jeweiligen Landesjustizprüfungsämter; beispielsweise NRW: https://www.justiz.nrw/Gerichte_Behoerden/landesjustizpruefungsamt/ljpa_a_z/E-Klausur/index.php)

 

Weitere Zukunftspläne im Bereich der Digitalisierung?

 

Die Begründung zum § 5d Abs. 6 Satz 2 DRiG-E bezeichnet das E-Examen als einen „notwendigen ersten Schritt hin zu einer langfristig angestrebten vollständig elektronischen Prüfung“. Dies bedeutet, dass das aktuelle E-Examen lediglich der Anfang einer umfassenderen Digitalisierung ist – so kann man an schriftliche Sachverhalte oder die Nutzung von elektronischen juristischen Datenbanken anstatt der Kommentare in Papierform denken. Wann allerdings eine vollständig digitale Prüfung realisiert wird und was dies genau beinhalten würde, bleibt unklar. Das Justizministerium NRW erklärte gegenüber LTO im März 2024 auf Anfrage: „Derzeit ist nicht geplant, die Rahmenbedingungen der Anfertigung der Aufsichtsarbeiten (…) zu verändern. (…) Ab April 2024 wird in Nordrhein-Westfalen allerdings damit begonnen, die Aufsichtsarbeiten digital zu korrigieren.“ (https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/e-examen-staatspruefung-erstes-zweites-examen-laender-berlin-nrw)

 

Sparmaßnahmen in Nordrhein-Westfalen

 

Insbesondere Nordrhein-Westfalen ist in den vergangenen Monaten durch geplante signifikante Veränderungen des Referendariats aufgefallen. 

 

Kürzung der Dauer des Referendariats – Vorziehen der mündlichen Prüfung

 

Die Referendariatszeit soll hier um einen Monat gekürzt werden, sodass die mündlichen Prüfungen einen Monat früher – direkt im Anschluss an die praktische Wahlstation – stattfinden. Damit entfällt der bisherige Lernmonat vor der mündlichen Prüfung. Ebenso führt dies zu Schwierigkeiten bei der Umsetzung einer Auslandsstation oder Stationen mit höherer Arbeitsbelastung, denn bei den meisten Arbeitgebern wird in der Wahlstation nach wie vor Vollzeitarbeit erwartet. Nach erheblicher Kritik an diesen Maßnahmen wurden die Pläne von September 2024 um drei Monate verschoben, sodass diese Neuregelung nun ab Dezember 2024 gilt. Als Übergangslösung können die Durchgänge von September bis November 2024 frei wählen, ob sie ihre mündliche Prüfung einen Monat früher oder später wahrnehmen möchten. Das Vorziehen der mündlichen Abschlussprüfung um einen Monat ermöglicht es laut Begründung des Justizprüfungsamtes, trotz Kürzungen mehr Referendare einstellen zu können als ohne Einbeziehung dieser Maßnahme. (https://www.justiz.nrw.de/Gerichte_Behoerden/landesjustizpruefungsamt/2_jur_staatspr/Aktuelle-Hinweise-des-Landesjustizpruefungsamtes/index.php; https://www.justiz.nrw.de/Gerichte_Behoerden/landesjustizpruefungsamt/2_jur_staatspr/Aenderungen-im-Verfahrensablauf-der-zweiten-juristischen-Staatspruefung_-FAQs.pdf; https://www.lto.de/karriere/jura-referendariat/stories/detail/jurastudium-referendariat-nrw-justizministerium-kuerzung-referendariat-verschoben)

 

Zeitlich begrenzte Zahlung der Unterhaltsbeihilfe

 

Eine weitere Sparmaßnahme stellt die Kürzung des Zahlungszeitraums der Unterhaltsbeihilfe dar: Ab Ende des Jahres soll die Zahlung der Unterhaltsbeihilfe nur noch taggenau bis zum Bestehen der mündlichen Prüfung oder bis zum endgültigen Nichtbestehen der zweiten juristischen Staatsprüfung statt wie bisher bis zum Monatsende gezahlt werden. (https://www.justiz.nrw.de/Gerichte_Behoerden/landesjustizpruefungsamt/2_jur_staatspr/Aktuelle-Hinweise-des-Landesjustizpruefungsamtes/index.php)

 

Reduzierung der Einstellung von Referendaren

 

Des Weiteren soll bis 2025 die Zahl der Referendarstellen in NRW um 30 % – von circa 4.500 auf 3.000 Stellen – reduziert werden. Pro Monat sind circa 100 Einstellungen geplant. Diese Maßnahme wird ebenso mit Sparzwängen und der überproportionalen Anzahl an Referendaren im Verhältnis zu den eigenen Absolventen in NRW begründet. Diese Maßnahme führt mitunter zu sehr langen Wartezeiten. Sobald sich eine Besserung der Haushaltslage abzeichnet, sollen die Einstellungszahlen jedoch frühestens ab Mitte des Jahres 2025 wieder erhöht werden. 

(https://www.justiz.nrw.de/Gerichte_Behoerden/landesjustizpruefungsamt/2_jur_staatspr/Aktuelle-Hinweise-des-Landesjustizpruefungsamtes/index.php; https://www.lto.de/karriere/jura-referendariat/stories/detail/referendariat-stellenkuerzung-nrw-justizministerium-limbach)

 

Geplante Erleichterungen

 

Um die negativen Effekte der Sparmaßnahmen einzudämmen, hat das Landesjustizprüfungsamt NRW auch Erleichterungen geplant. So soll die Begrenzung auf 20 Urlaubstage in der Wahlstation aufgehoben werden, ein Hinweis auf Zeit zum Selbststudium für die Ausbilder in der Wahlstation verfasst werden sowie die Möglichkeit, bei mündlichen Prüfungen zuzuhören, erweitert werden. Des Weiteren wird aktuell die Erhöhung zur Ausübung einer Nebentätigkeit und der Hinzuverdienstgrenze aus Nebentätigkeiten geprüft. (https://www.justiz.nrw.de/Gerichte_Behoerden/landesjustizpruefungsamt/2_jur_staatspr/Aktuelle-Hinweise-des-Landesjustizpruefungsamtes/index.php)

 

Verbesserungen in der Ausbildungsstruktur

 

Neben den genannten Einschnitten gibt es jedoch auch positive Entwicklungen in der Ausbildungsstruktur des Referendariats. So bieten viele Bundesländer mittlerweile digitale Lernplattformen und spezielle Schwerpunkte an. In Baden-Württemberg und Bayern wurden beispielsweise im Juli 2023 Zusatzausbildungen in IT-Recht und Legal Tech eingeführt, um die Referendare auf die Anforderungen moderner Kanzleien und Unternehmen vorzubereiten​. (https://www.bayern.de/innovationstag-legal-tech-fuer-rechtsreferendarinnen-und-referendare-bayerns-justizminister-eisenreich-in-bayern-kann-man-wertvolle-zusatzkompetenzen-in-den-bereichen-legal-tech-und-informations/; https://www.lto.de/karriere/jura-referendariat/stories/detail/bewerbermangel-justiz-was-tun-laender-fuer-referendare-verguetung-verbeamtung)
In Rheinland-Pfalz, Hessen und Nordrhein-Westfalen wurden Koordinatorenstellen eingerichtet, um die Arbeitsgemeinschaften besser zu organisieren und eine einheitliche Qualität der Ausbildung zu gewährleisten​.

(https://www.lto.de/karriere/jura-referendariat/stories/detail/bewerbermangel-justiz-was-tun-laender-fuer-referendare-verguetung-verbeamtung)

Die Nutzung der E-Learning-Plattform ELAN-REF in elf Bundesländern bietet Referendaren eine zusätzliche Möglichkeit, sich ortsunabhängig auf das Examen vorzubereiten. Laufend werden hier neue Inhalte aufbereitet, um das schon seit wenigen Jahren bestehende Angebot stetig zu erweitern. (https://www.elan-ref.de/)

 

Erste bundesweite Referendariatsversammlung (RefV)

 

Ende April 2024 fand außerdem in Hamburg die erste bundesweite Referendariatsversammlung (RefV) statt, bei der Rechtsreferendare aus ganz Deutschland zusammenkamen, um Verbesserungen im juristischen Vorbereitungsdienst und der zweiten Staatsprüfung zu erarbeiten. Organisiert von der Referendariatskommission (RefKo) des Bundesverbands rechtswissenschaftlicher Fachschaften, standen Themen wie der psychische Druck im Referendariat, die Harmonisierung der Ausbildung und die Prüfungsbedingungen im Fokus. Eine Auswertung von Erfahrungsberichten zeigte, dass der psychische Druck von den Ausbildungsstellen bisher kaum beachtet wird. Zudem forderte die Versammlung eine bundesweit einheitlichere Struktur des Referendariats und eine Verbesserung der Prüfungsqualität, um private Repetitorien überflüssig zu machen. Die RefV soll künftig jährlich stattfinden, um einen kontinuierlichen Austausch und eine gezielte Interessenvertretung zu gewährleisten.

(https://www.lto.de/karriere/jura-referendariat/stories/detail/referendariat-reform-vorbereitungsdienst-refko-refv-brf-forderungen-missstaende)

 

Referendariat in Teilzeit

 

Seit Januar 2023 müssen zudem alle Bundesländer ein Referendariat in Teilzeit ermöglichen. Dies gilt für alle Referendare, die Kinder unter 18 Jahren betreuen oder Familienangehörige pflegen. Insgesamt kann die Ausbildungszeit damit auf zweieinhalb Jahre verlängert werden.

(https://www.lto.de/karriere/jura-referendariat/stories/detail/teilzeit-referendariat-familie-juristischer-vorbereitungsdienst-juristenausbildung-juristenausbildungsgesetz-drig)

 

„Tauchverbot” in Bayern?

 

Zuletzt erregte das „Tauchverbot” in Bayern besondere Aufmerksamkeit. Dort ist das „Tauchen“ für Rechtsreferendare offiziell verboten, wurde jedoch – wie in anderen Bundesländern auch – lange stillschweigend geduldet. Im Sommer 2024 versuchte das Justizministerium, striktere Regeln durchzusetzen, die einen bestätigten wöchentlichen Präsenztag in der Kanzlei vorsahen. Diese Verschärfung stieß auf große Ablehnung. Nun gibt es eine Kehrtwende: Der Passus zur wöchentlichen Anwesenheit wurde ersatzlos gestrichen. Obwohl das Tauchen weiterhin verboten bleibt, wird die Regelung de facto gelockert. Es gilt wieder: „Wo kein Kläger, da kein Richter.“ 

(https://jurios.de/2024/08/15/tauchverbot-in-bayern-wie-geht-es-weiter/)

 

Fazit

 

Die aktuellen Entwicklungen im juristischen Referendariat in Deutschland zeigen eine starke Divergenz zwischen den Bundesländern. Sie spiegeln einerseits den Druck wider, angesichts knapper Haushaltsmittel Einsparungen vorzunehmen, und andererseits das Bestreben, die Ausbildung zu modernisieren und auf die digitale Zukunft auszurichten. Während beispielsweise die Einführung von E-Klausuren als positiv bewertet wird, sorgen Maßnahmen wie die Reduzierung der Einstellungszahlen und die Verkürzung des Referendariats für berechtigte Kritik  – besonders Nordrhein-Westfalen steht dadurch aktuell im Fokus der Diskussionen.

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