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Journal / Referendariat / Strafrechtsstation / Erfahrungsberichte

Meine Strafstation am Amtsgericht

Da die Staatsanwaltschaft Stuttgart nicht genügend Ausbildungskapazitäten zur Verfügung hatte, musste ich die Strafstation an einem Amtsgericht verbringen. Wieso das letztendlich doch nicht so schlimm war und welche Vor- und Nachteile die Zuteilung in der Strafstation bringt, lest Ihr im Folgenden.
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Je nach Bundesland beginnt das Referendariat entweder mit der Zivilstation oder mit der Strafstation. Während man in der 4-5 monatigen Zivilstation zwingend einem Richter am Amtsgericht oder Landgericht zugeteilt wird, findet die Strafstation im Normalfall bei der Staatsanwaltschaft statt und dauert 3-4 Monate. Alternativ kann man sich auch einem Strafrichter zuteilen lassen.

Da die Staatsanwaltschaft Stuttgart nicht genügen Ausbildungskapazitäten zur Verfügung hatte, musste ich – genauso wie einer Handvoll anderer Referendare – entgegen meines ausdrücklichen Wunsches – die Strafstation an einem Amtsgericht verbringen. Wieso das letztendlich doch nicht so schlimm war wie befürchtet und welche Vor- und Nachteile die jeweilige Zuteilung in der Strafstation mit sich bringt, lest Ihr im Folgenden.

Mein Arbeitsalltag am Amtsgericht

Glücklicherweise war mein Arbeitsalltag am Amtsgericht von Anfang an klar gegliedert. Jeden Montag und Mittwoch hatte meine Richterin (meistens ganztägig) Verhandlungen und ich war immer mit dabei. Selbstverständlich neben ihr auf der Richterbank. Wenn ausnahmsweise das Schöffengericht verhandelte, musste ich aus Platzgründen im Publikum sitzen, durfte an der Urteilsberatung aber trotzdem teilnehmen. Spannend!

Mittwochs durfte ich mir dann eines der Strafverfahren der Woche aussuchen und über das Wochenende dazu das Urteil verfassen. Hierfür bekam ich die gesamte Akte mit nach Hause. Das Urteil wurde dann in der kommenden Woche ausführlich besprochen und in den meisten Fällen mit kleinen Änderungen übernommen.

An meinen beiden Gerichtstagen hatte ich außerdem die Möglichkeit mit „meiner“ Richterin, dem jeweiligen Vertreter der Staatsanwaltschaft und verschiedenen Strafverteidigern gemeinsam die Mittagspause zu verbringen. Zuvor ging es aber immer noch gemeinsam mit dem Hund der Richterin Gassi. „Gypsie“ war im gesamten Gerichtsbezirk bekannt und durfte sich regelmäßig über Leckerlis von Mitarbeitern und Verfahrensbeteiligten freuen. Ich bin mir inzwischen absolut sicher, dass Bürohunde insgesamt zu einem Abbau des Stresslevels im gesamten Büro führen!

An einigen Tagen durfte ich außerdem den Platz der Urkundsbeamtin einnehmen und die Verhandlungen selbst am Computer protokollieren. Dafür gibt es glücklicherweise ein Programm, das Vorlagen mit Formulierungen für alle wichtigen Teile der Verhandlung enthält. Die Herausforderung bestand dann darin, bei Zeugenaussagen alles vollständig und möglichst wortgetreu mitzuschreiben.

Die Vor- und Nachteile der Station(en)

Einer der größten Vorteile des Amtsgerichts bestand für mich darin, dass ich nicht lange nach Stuttgart pendeln musste, sondern direkt dem Gericht der Nachbarstadt zugewiesen wurde. Wer also nicht am Standort der StA wohnt, sondern außerhalb, hat durch eine Zuweisung zum Gericht bereits einen zeitlichen Vorteil. Sehr gut gefallen hat mir auch die Tatsache, dass man am Amtsgericht eher kleinere Fälle abhandelt und die gesamte Verhandlung inklusive Urteil mitbekommt. In anderen Stationen habe ich mich oft gefühlt, als hätte ich ein Buch nach der Hälfte beiseite gelegt und das Ende nie erfahren. Das kann einem in der Strafstation am Amtsgericht nicht passieren.

Viele der „kleineren“ Delikte wie Diebstahl, Betrug und Verkehrssachen sind zudem sehr examensrelevant. Außerdem befasst man sich am Gericht und beim Verfassen eines Strafurteils zwangsläufig auch mit den Grundzügen der Strafzumessung, die man im ersten Examen noch nicht gelernt hat. Für das zweite Examen sind sie jedoch ebenfalls relevant. Für den (eher unwahrscheinlichen) Fall, dass im Assessorexamen ein Strafurteil zu verfassen ist, ist man nach der Station am AG jedenfalls mehr als perfekt vorbereitet und wird sich deutlich von den anderen Kandidaten abheben können. Mir persönlich hat außerdem die kollegiale Atmosphäre am kleinen Amtsgericht gefallen. Man lernt auch die Geschäftsstelle kennen und kann in der Mittagspause mit Richtern, Staatsanwälten und Strafverteidigern essen gehen. Dies ist aber – wie oben bereits erwähnt – hauptsächlich der guten Betreuung durch meine Richterin geschuldet und kann an einem anderen Gericht schon wieder ganz anders aussehen. Klar ist aber auch, dass man am Gericht so gut wie nichts über die tägliche Arbeit bei der Staatsanwaltschaft erfährt. Man kann nur deren Abschlussverfügung (Anklage) in der Akte nachlesen. Mit der Polizei hat man nur Kontakt, wenn Beamte als Zeuge aussagen müssen. Leider kommen Anklageklausuren im Examen wesentlich häufiger vor als Urteilsklausuren, sodass man sich diesen wichtigen Teil der Ausbildung mit Hilfe der Arbeitsgemeinschaft und zu Hause selbst beibringen muss.

Wer denkt, er könne sich mit der Wahl des Amtsgerichts um den Sitzungsdienst für die StA drücken, den muss ich jedoch enttäuschen. Auch Gerichts-Referendare nehmen am normalen Einführungslehrgang für die Strafstation teil und werden zumindest einmal zum Sitzungsdienst für die StA gezwungen. Die Zuteilung zur Staatsanwaltschaft hat den Vorteil, dass man direkt an den Ermittlungen beteiligt ist. Je nach Ausbilder, darf man sogar bei einem Polizeieinsatz oder einer Hausdurchsuchung dabei sein. Die Hauptaufgabe in der Station bei der StA ist aber das Verfassen von Anklageschriften und der Sitzungsdienst. In Stuttgart wird man etwa alle 1-2 Wochen für einen vollen Verhandlungstag hierfür eingeteilt. Die Roben dafür werden von der StA gestellt. Weiße Halstücher und Krawatten muss man sich selbst kaufen.

Das Verfassen einer Anklageschrift kommt neben dem materiellen Gutachten sehr häufig im zweiten Examen vor. Bei der StA hat man einmalig die Gelegenheit, genau das mehrfach zu üben und die Anklage auch von einem erfahrenen Staatsanwalt korrigiert zu bekommen. Grundsätzlich ist die Station bei der Staatsanwaltschaft deswegen nicht nur abwechslungsreicher, sondern auch examensrelevanter.

Einziges Manko: Man muss für die Sitzungsdienste relativ oft und relativ weit pendeln. Außerdem kann es sein, dass man einer Abteilung zugeteilt wird, die Delikte mit nur sehr wenig Examensrelevanz bearbeitet. Beispielsweise im Bereich des Sexualstrafrechts oder des Wirtschaftsstrafrecht. Zudem hat man keine Möglichkeit, das Schreiben eines Strafurteils zu üben.

Mein persönliches Fazit

Insbesondere für die persönliche und intensive Betreuung durch meine Richterin bin ich rückblickend sehr dankbar. Bei Fragen zu den Verhandlungen oder Problemen beim Abfassen des Strafurteils stand sie mir jederzeit zur Verfügung. Dadurch, dass ich an einem eher kleinen Amtsgericht untergekommen bin, war die Atmosphäre insgesamt sehr persönlich und angenehm. Nachdem meine Zivilstation katastrophal abgelaufen war und ich dort keinerlei Feedback von meiner Richterin erhalten hatte, war ich deswegen über den Ablauf meiner Strafstation sehr froh.

Insgesamt haben jedoch beide Stationen ihren Reiz. Klar ist nämlich, dass sich nicht jeder Richter so viel Zeit nimmt, wie in meinem Fall. Zusammenfassend ist zu betonen, dass die Strafstation bei der StA wohl etwas abwechslungsreicher und examensrelevanter ist. Während man am Gericht hauptsächlich zuhören darf, wird man bei der Staatsanwaltschaft direkt in der Praxis eingesetzt und darf – dank des Sitzungsdienstes – wie ein „richtiger“ Staatsanwalt arbeiten. Außerdem lernt man dort das äußert examensrelevante Schreiben von Anklagen. Wer lieber kleine Fälle direkt aus dem Alltag lösen möchte und auf wöchentliche Sitzungsdienste verzichten kann, ist aber auch an einem Amtsgericht sehr gut aufgehoben. Und auch Urteilsklausuren können im zweitem Examen im Strafrecht drankommen. Nur eben deutlich seltener als Anklagen!

Spickzettel: Aufbau eines Strafurteils

Jedes Strafurteil besteht aus den drei großen Abschnitten: Kopf – Formel – Gründe. Die Abweichungen zum Zivilurteil (dort: Rubrum – Tenor – Tatbestand – Entscheidungsgründe ) sind auf den zweiten Blick jedoch geringer als gedacht:

I.Urteilskopf
II.Urteilsformel

1.Schuldspruch
2. Rechtsfolgenausspruch
3. Kostenentscheidung
4. Liste der angewendeten Vorschriften
III. Gründe
1. Persönliche Verhältnisse
2. Feststellungen
3. Beweiswürdigung
4. Rechtliche Würdigung
5. Strafzumessung
6. Begründung der Nebenentscheidungen

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