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Ein Blick hinter die Ray Ban – Die Wahrheit über die Jura-Roboter

Viele von uns treten als eine Armee von timberlandstragenden, perlenbeohrringten, hornbrillenzurechtrückenden Zombies auf, deren vornehme Bibliotheksblässe sie adelt. Doch hinter der Fassade passiert auf dem Weg zum ersten Examen, was für die meisten nicht nachvollziehbar ist.
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Ein Blick hinter die Ray Ban – Die Wahrheit über die Jura-Roboter

„Vier gewinnt“ als Motto – Klausurergebnisse zählen nicht für den Abschluss

Während ein Bachelorstudent heutzutage unter Dauerstress und -belastung steht, bei jeder Klausur Punkte für den Bachelorabschluss zu sammeln, wird dir als Jurastudent an der Uni als Erstes das Credo „Vier gewinnt“ beigebracht.
Die ersten Semester werden also -zumeist- mit einer Kombination aus Prokrastination und Bulimielernen in der Klausurenphase verbracht, das effektive Lernen kommt oft zu kurz, das Etappenziel ist die Zwischenprüfung.

Das Examen – Die persönlichen Olympischen Spiele der Juristen

In einem krassen Kontrast dazu steht das, was danach kommt. Das Examen, ein während des Grundstudiums in weiter Ferne liegendes Mysterium, rückt in greifbare Nähe- nicht vom Kenntnisstand, aber zumindest vom vorgezeichneten Studienverlauf her.
Plötzlich merkst du, in was für ein Schlamassel du dich hineinmanövriert hast, als du naiv direkt aus der Schule an die Uni gegangen bist und gedacht hast „Ich mach mal Jura!“.

„Die Stofffülle ist nicht lernbar, die Menge an Lehrbüchern nicht lesbar und der Druck nicht tragbar“

Familien haben selten Verständnis

Von der Familie Verständnis zu erwarten ist utopisch, es sei denn, sie haben diese Situation selbst erlebt. Sechs Klausuren, eine mündliche Prüfung in einem Gebäude, wo man schon einnässt, wenn man die Entscheidung trifft, die Meldung zur staatlichen Pflichtfachprüfung persönlich abzugeben. Dass du zu diesem Zeitpunkt bereits minimal vier Jahre in dein Studium investiert hast, die vermutlich umsonst waren, wenn du drei Klausuren erwischst, die dir nicht liegen, intensiviert die innere Anspannung nur marginal.
„Iudex non calculat“, ein Grundsatz, den du schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt in deinem Studium lernst. Doch plötzlich muss gerechnet werden.

Die Zeit knapp wird – das Examen droht

Wie viel Zeit bleibt mir noch bis zum Freischuss? Kann ich mir das Rep leisten? Kann ich mir teure Crashkurse von privaten Unternehmen leisten, die mit meiner Angst ihre dicken Autos finanzieren? Kann ich es mir leisten, zu arbeiten, um das zu finanzieren und wann lerne ich dann noch? Wie bezahle ich aktuelle Gesetzestexte für 160 €, die das Oberlandesgericht wie selbstverständlich von jedem Prüfling erwartet? Und die bohrendste Frage: Tu ich genug? Kann ich das mit dem Aufwand schaffen, den ich betreibe?

Auf diese Frage gibt es leider keine Antwort – von niemandem. Eine Generalprobe – negativ. Denn schiefgehen kann es jederzeit. Kein Probeexamen, Klausurenkurs oder Repetitorium kann dir die Sicherheit geben, nach der du dich so sehr sehnst. Also guckst du nach links. Und guckst nach rechts.
Und siehst links von dir ein Mädchen, das routiniert in ihrem Gesetz blättert, rechts von dir einen Typen, der drei Stunden vor dir zum Lernen gekommen ist und vermutlich erst eine Stunde nach dir geht.
Dann guckst du vor dich und liest die Aufzeichnungen, die du erst gestern gemacht hast und es kommt dir alles neu vor.
Du vergleichst dich nicht mit der Person, die du gestern warst, sondern mit denjenigen, die vermeintlich besser sind als du.
Das liegt nicht in deiner Natur, aber es wird schnell zu einer Angewohnheit.
Was immer du tust, es ist nicht effektiv genug.
Texte sind wie von Geisterhand markiert mit Problemen, von denen du noch nie gehört hast.
Deine To-Do-Liste hängt daneben und hat mehr offene Punkte als Haken und das allein auf der ersten Seite von zehn, zu deren Ende du vermutlich nie gelangen wirst.

„Wenn du sonntags ins Bett gehst, weißt Du, dass der einzige Lichtblick in Deiner Woche das Salatbuffet in der Mensa und die halbe Stunde Mittagspause sein werden.“

Wenn andere in deinem Alter sonntags ins Bett gehen, haben sie vielleicht eine anstrengende Arbeitswoche vor sich, aber da ist soziales Leben, Abende mit Freunden, vielleicht mal feiern gehen, zusammen shoppen oder gar ein freier Tag.
Wenn du sonntags ins Bett gehst und weißt, dass der einzige Lichtblick in deiner Woche das Salatbuffet in der Mensa und die halbe Stunde, die du mit deinen Lerngenossen Mittagspause machst, ist, dann ist das verdammt deprimierend. Und wenn du dann noch weißt, dass das noch einige Monate so gehen wird – mit ungewissem Ausgang – dann ist das noch deprimierender.

„Vom Vier-Punkte-Limbo leichter Grundstudiumsklausuren zum Stabhochsprung mit komplexen Sachverhalten im Examen.“

Wir haben uns das ausgesucht. Ja. Wir haben uns ein Fach ausgesucht, das sehr spannend und interessant sein kann. Aber es ist verpackt in einem Studium, das uns vor allem eines lehrt: Das zu hassen, was wir uns ausgesucht haben.
Die Doppelmoral zwischen Grundstudium und staatlicher Pflichtfachprüfung. Vom Vier-Punkte-Limbo leichter Grundstudiumsklausuren zum Stabhochsprung mit komplexen Sachverhalten im Examen.
Wie soll ein Pferd, das gelernt hat, nur so hoch zu springen wie es muss, ein WM-Turnier reiten?
Als du angefangen hast, wusstest du, dass es dieses Examen geben wird.
Aber es hat dir keiner gesagt, wie das Jahr davor sein wird.
Dass du im einen Moment hochmotiviert und himmelhochjauchzend bist und im nächsten Moment tränenüberströmt beim Einsortieren der Neulieferung deines Schönfelders in einem Berg von Butterbrotpapier sitzt, weil du einfach nicht weißt, wie du das alles schaffen sollst.
Du schleppst dich Tag für Tag in die Uni und siehst nur diejenigen, die das mit links wuppen und keine Selbstzweifel und Ängste zu haben scheinen.

„Keiner kann das Ausmaß der Katastrophe erfassen“

Deine Familie und Freunde versuchen dich zu trösten, aber keiner kann das Ausmaß der Katastrophe erfassen, in die du dich – zugegebenermaßen – Tag für Tag weiter hineinsteigerst.
Es mag diejenigen geben, denen diese Zeit leicht fällt, die sich keine Sorgen und Gedanken machen.
Die hier etwas überzeichneten Ängste treffen jedoch einen Großteil der sich in der Examensvorbereitung befindenden Studierenden früher oder später in starkem oder geringen Ausmaß.
Es gibt vermutlich niemanden, an dem diese Zeit völlig spurlos vorbeigeht. Die, die gerne lernen, die, die Jura lieben oder es hassen, die 4-Punkte-Traumtänzer oder die 12-Punkte-Jongleure.
Hinter strengen Dutts, Burberryschals und Polohemden passiert einiges, das man vielleicht so nicht vermutet.
Ausgefallene Haare, Magenschleimhautentzündungen, Heulkrämpfe und Burn-Out.
Erprobtes Gegenmittel ist eine intensive Vorbereitung und Ausgleich.
Zu Risiken und Nebenwirkung lesen Sie die Studienordnung und fragen Sie Ihren Anwalt oder Prüfer.

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